Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. II. Von der Sonne.
gleich ein mehrerer Zufluß gehindert würde,
und in Finsternissen könnte noch dasjenige,
was unterwegens wäre, herab fliessen, wenn
der Mond das folgende aufhielte. Wirwis-
sen auch daß, was durch einen Ausfluß aus
einem Cörper sich ausbreitet, in entlegenen
Orten immer mehr zunimmet, je länger der
Ausfluß dauret: allein mit dem Lichte hat
es eine gantz andere Bewandnis. Das er-
hält gleich in dem ersten Augenblicke in einer
jeden Weite von dem leuchtenden Cörper
seinen gehörigen Grad und kan nicht zu-
nehmen, wenn der Cörper gleich eine Zeit-
lang in einem fort leuchtet. Da nun die
Umstände des Lichtes es geben, daß dasselbe
nicht durch einen Ausfluß aus der Sonne
zu uns gebracht wird; so muß es durch ei-
ne Bewegung in einer Materie, die in ei-
nem von der Sonne bis zu uns fortgehet,
fortgebracht werden. Und demnach ist der
Raum von unserer Erde bis zur Sonne, ja
da das Licht der Fixsterne eben sowohl zu
uns herunter kommet, bis an die Fixsterne
und darüber mit dergleichen Materie er-
füllet, wodurch das Licht fortgebracht
wird. Und nun lässet sichs begreiffen, wie
die Sonne ihr Licht durch den Welt-Raum
ausbreiten kan. Nemlich da sie ein würck-
liches Feuer ist (§. 112), so ist auch rings her-
um ihre Flamme in schneller Bewogung.
Weil nun die Materie des Lichtes, welche
man die Himmels-Lufft zunennen pfle-

get,
M 2

Cap. II. Von der Sonne.
gleich ein mehrerer Zufluß gehindert wuͤrde,
und in Finſterniſſen koͤnnte noch dasjenige,
was unterwegens waͤre, herab flieſſen, wenn
der Mond das folgende aufhielte. Wirwiſ-
ſen auch daß, was durch einen Ausfluß aus
einem Coͤrper ſich ausbreitet, in entlegenen
Orten immer mehr zunimmet, je laͤnger der
Ausfluß dauret: allein mit dem Lichte hat
es eine gantz andere Bewandnis. Das er-
haͤlt gleich in dem erſten Augenblicke in einer
jeden Weite von dem leuchtenden Coͤrper
ſeinen gehoͤrigen Grad und kan nicht zu-
nehmen, wenn der Coͤrper gleich eine Zeit-
lang in einem fort leuchtet. Da nun die
Umſtaͤnde des Lichtes es geben, daß daſſelbe
nicht durch einen Ausfluß aus der Sonne
zu uns gebracht wird; ſo muß es durch ei-
ne Bewegung in einer Materie, die in ei-
nem von der Sonne bis zu uns fortgehet,
fortgebracht werden. Und demnach iſt der
Raum von unſerer Erde bis zur Sonne, ja
da das Licht der Fixſterne eben ſowohl zu
uns herunter kommet, bis an die Fixſterne
und daruͤber mit dergleichen Materie er-
fuͤllet, wodurch das Licht fortgebracht
wird. Und nun laͤſſet ſichs begreiffen, wie
die Sonne ihr Licht durch den Welt-Raum
ausbreiten kan. Nemlich da ſie ein wuͤrck-
liches Feuer iſt (§. 112), ſo iſt auch rings her-
um ihre Flamme in ſchneller Bewogung.
Weil nun die Materie des Lichtes, welche
man die Himmels-Lufft zunennen pfle-

get,
M 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0215" n="179"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">Cap. II.</hi> Von der Sonne.</hi></fw><lb/>
gleich ein mehrerer Zufluß gehindert wu&#x0364;rde,<lb/>
und in Fin&#x017F;terni&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnte noch dasjenige,<lb/>
was unterwegens wa&#x0364;re, herab flie&#x017F;&#x017F;en, wenn<lb/>
der Mond das folgende aufhielte. Wirwi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en auch daß, was durch einen Ausfluß aus<lb/>
einem Co&#x0364;rper &#x017F;ich ausbreitet, in entlegenen<lb/>
Orten immer mehr zunimmet, je la&#x0364;nger der<lb/>
Ausfluß dauret: allein mit dem Lichte hat<lb/>
es eine gantz andere Bewandnis. Das er-<lb/>
ha&#x0364;lt gleich in dem er&#x017F;ten Augenblicke in einer<lb/>
jeden Weite von dem leuchtenden Co&#x0364;rper<lb/>
&#x017F;einen geho&#x0364;rigen Grad und kan nicht zu-<lb/>
nehmen, wenn der Co&#x0364;rper gleich eine Zeit-<lb/>
lang in einem fort leuchtet. Da nun die<lb/>
Um&#x017F;ta&#x0364;nde des Lichtes es geben, daß da&#x017F;&#x017F;elbe<lb/>
nicht durch einen Ausfluß aus der Sonne<lb/>
zu uns gebracht wird; &#x017F;o muß es durch ei-<lb/>
ne Bewegung in einer Materie, die in ei-<lb/>
nem von der Sonne bis zu uns fortgehet,<lb/>
fortgebracht werden. Und demnach i&#x017F;t der<lb/>
Raum von un&#x017F;erer Erde bis zur Sonne, ja<lb/>
da das Licht der Fix&#x017F;terne eben &#x017F;owohl zu<lb/>
uns herunter kommet, bis an die Fix&#x017F;terne<lb/>
und daru&#x0364;ber mit dergleichen Materie er-<lb/>
fu&#x0364;llet, wodurch das Licht fortgebracht<lb/>
wird. Und nun la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ichs begreiffen, wie<lb/>
die Sonne ihr Licht durch den Welt-Raum<lb/>
ausbreiten kan. Nemlich da &#x017F;ie ein wu&#x0364;rck-<lb/>
liches Feuer i&#x017F;t (§. 112), &#x017F;o i&#x017F;t auch rings her-<lb/>
um ihre Flamme in &#x017F;chneller Bewogung.<lb/>
Weil nun die Materie des Lichtes, welche<lb/>
man die <hi rendition="#fr">Himmels-Lufft</hi> zunennen pfle-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">M 2</fw><fw place="bottom" type="catch">get,</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[179/0215] Cap. II. Von der Sonne. gleich ein mehrerer Zufluß gehindert wuͤrde, und in Finſterniſſen koͤnnte noch dasjenige, was unterwegens waͤre, herab flieſſen, wenn der Mond das folgende aufhielte. Wirwiſ- ſen auch daß, was durch einen Ausfluß aus einem Coͤrper ſich ausbreitet, in entlegenen Orten immer mehr zunimmet, je laͤnger der Ausfluß dauret: allein mit dem Lichte hat es eine gantz andere Bewandnis. Das er- haͤlt gleich in dem erſten Augenblicke in einer jeden Weite von dem leuchtenden Coͤrper ſeinen gehoͤrigen Grad und kan nicht zu- nehmen, wenn der Coͤrper gleich eine Zeit- lang in einem fort leuchtet. Da nun die Umſtaͤnde des Lichtes es geben, daß daſſelbe nicht durch einen Ausfluß aus der Sonne zu uns gebracht wird; ſo muß es durch ei- ne Bewegung in einer Materie, die in ei- nem von der Sonne bis zu uns fortgehet, fortgebracht werden. Und demnach iſt der Raum von unſerer Erde bis zur Sonne, ja da das Licht der Fixſterne eben ſowohl zu uns herunter kommet, bis an die Fixſterne und daruͤber mit dergleichen Materie er- fuͤllet, wodurch das Licht fortgebracht wird. Und nun laͤſſet ſichs begreiffen, wie die Sonne ihr Licht durch den Welt-Raum ausbreiten kan. Nemlich da ſie ein wuͤrck- liches Feuer iſt (§. 112), ſo iſt auch rings her- um ihre Flamme in ſchneller Bewogung. Weil nun die Materie des Lichtes, welche man die Himmels-Lufft zunennen pfle- get, M 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/215
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/215>, abgerufen am 24.11.2024.