Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.

Bild:
<< vorherige Seite

wegen der veränderlichen Materie
(§. 47. Met.); so muß auch mehrere Ma-
terie mehr Raum ein nehmen, als wenigere.
Derowegen wenn mehr veränderliche oder
fremde Materie in die Zwischen Räum-
lein der beständigen hineindringet, als vor-
her darinnen war; so werden dadurch die-
selben weiter, folgends müssen die Theile
der beständigen weiter von einander ge-
bracht werden, als sie vorher war. Und
solchergestalt nimmet der gantze Eörper
mehr Raum ein als vorher. Da nun a-
ber die Zwischen-Räumlein durch densel-
ben überall zertheilet sind; so nimmet auch
ein jeder Theil in der Grösse zu, und demnach
schwellt der Cörper auf. Denn wir sagen,
daß ein Cörper aufschwellt, wenn er dadurch
grösser wird, daß alle seine Theile einen grös-
sern Raum einnehmen als vorhin. Es ist
wohl wahr, daß wir auch unterweilen im
gemeinen Leben zu sagen pflegen, es schwelle
ein Cörper auf, wenn mehrere Materie von
seiner beständigen dazu kommet, als vorher
vorhanden war. So brauchen wir diese
Redens Art von den Flüssen, wenn das
Wasser in ihnen anwächset. Allein diese
Unbeständigkeit im Reden kommet daher,
weil wir in dergleichen Fällen nicht sehen,
daß mehrere eigenthümliche beständige
Materie dazu kommet und es dannenhero
das Ansehen hat, als wenn dieselbe nur be-
gönnte einen grösseren Raum einzunehmen,

wie
F 2

wegen der veraͤnderlichen Materie
(§. 47. Met.); ſo muß auch mehrere Ma-
terie mehr Raum ein nehmen, als wenigere.
Derowegen wenn mehr veraͤnderliche oder
fremde Materie in die Zwiſchen Raͤum-
lein der beſtaͤndigen hineindringet, als vor-
her darinnen war; ſo werden dadurch die-
ſelben weiter, folgends muͤſſen die Theile
der beſtaͤndigen weiter von einander ge-
bracht werden, als ſie vorher war. Und
ſolchergeſtalt nimmet der gantze Eoͤrper
mehr Raum ein als vorher. Da nun a-
ber die Zwiſchen-Raͤumlein durch denſel-
ben uͤberall zertheilet ſind; ſo nimmet auch
ein jeder Theil in der Groͤſſe zu, und demnach
ſchwellt der Coͤrper auf. Denn wir ſagen,
daß ein Coͤrper aufſchwellt, wenn er dadurch
groͤſſer wird, daß alle ſeine Theile einen groͤſ-
ſern Raum einnehmen als vorhin. Es iſt
wohl wahr, daß wir auch unterweilen im
gemeinen Leben zu ſagen pflegen, es ſchwelle
ein Coͤrper auf, wenn mehrere Materie von
ſeiner beſtaͤndigen dazu kommet, als vorher
vorhanden war. So brauchen wir dieſe
Redens Art von den Fluͤſſen, wenn das
Waſſer in ihnen anwaͤchſet. Allein dieſe
Unbeſtaͤndigkeit im Reden kommet daher,
weil wir in dergleichen Faͤllen nicht ſehen,
daß mehrere eigenthuͤmliche beſtaͤndige
Materie dazu kommet und es dannenhero
das Anſehen hat, als wenn dieſelbe nur be-
goͤnnte einen groͤſſeren Raum einzunehmen,

wie
F 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0119" n="83"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">wegen der vera&#x0364;nderlichen Materie</hi></fw><lb/>
(§. 47. <hi rendition="#aq">Met.</hi>); &#x017F;o muß auch mehrere Ma-<lb/>
terie mehr Raum ein nehmen, als wenigere.<lb/>
Derowegen wenn mehr vera&#x0364;nderliche oder<lb/>
fremde Materie in die Zwi&#x017F;chen Ra&#x0364;um-<lb/>
lein der be&#x017F;ta&#x0364;ndigen hineindringet, als vor-<lb/>
her darinnen war; &#x017F;o werden dadurch die-<lb/>
&#x017F;elben weiter, folgends mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en die Theile<lb/>
der be&#x017F;ta&#x0364;ndigen weiter von einander ge-<lb/>
bracht werden, als &#x017F;ie vorher war. Und<lb/>
&#x017F;olcherge&#x017F;talt nimmet der gantze Eo&#x0364;rper<lb/>
mehr Raum ein als vorher. Da nun a-<lb/>
ber die Zwi&#x017F;chen-Ra&#x0364;umlein durch den&#x017F;el-<lb/>
ben u&#x0364;berall zertheilet &#x017F;ind; &#x017F;o nimmet auch<lb/>
ein jeder Theil in der Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e zu, und demnach<lb/>
&#x017F;chwellt der Co&#x0364;rper auf. Denn wir &#x017F;agen,<lb/>
daß ein Co&#x0364;rper auf&#x017F;chwellt, wenn er dadurch<lb/>
gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er wird, daß alle &#x017F;eine Theile einen gro&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ern Raum einnehmen als vorhin. Es i&#x017F;t<lb/>
wohl wahr, daß wir auch unterweilen im<lb/>
gemeinen Leben zu &#x017F;agen pflegen, es &#x017F;chwelle<lb/>
ein Co&#x0364;rper auf, wenn mehrere Materie von<lb/>
&#x017F;einer be&#x017F;ta&#x0364;ndigen dazu kommet, als vorher<lb/>
vorhanden war. So brauchen wir die&#x017F;e<lb/>
Redens Art von den Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, wenn das<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er in ihnen anwa&#x0364;ch&#x017F;et. Allein die&#x017F;e<lb/>
Unbe&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit im Reden kommet daher,<lb/>
weil wir in dergleichen Fa&#x0364;llen nicht &#x017F;ehen,<lb/>
daß mehrere eigenthu&#x0364;mliche be&#x017F;ta&#x0364;ndige<lb/>
Materie dazu kommet und es dannenhero<lb/>
das An&#x017F;ehen hat, als wenn die&#x017F;elbe nur be-<lb/>
go&#x0364;nnte einen gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;eren Raum einzunehmen,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F 2</fw><fw place="bottom" type="catch">wie</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[83/0119] wegen der veraͤnderlichen Materie (§. 47. Met.); ſo muß auch mehrere Ma- terie mehr Raum ein nehmen, als wenigere. Derowegen wenn mehr veraͤnderliche oder fremde Materie in die Zwiſchen Raͤum- lein der beſtaͤndigen hineindringet, als vor- her darinnen war; ſo werden dadurch die- ſelben weiter, folgends muͤſſen die Theile der beſtaͤndigen weiter von einander ge- bracht werden, als ſie vorher war. Und ſolchergeſtalt nimmet der gantze Eoͤrper mehr Raum ein als vorher. Da nun a- ber die Zwiſchen-Raͤumlein durch denſel- ben uͤberall zertheilet ſind; ſo nimmet auch ein jeder Theil in der Groͤſſe zu, und demnach ſchwellt der Coͤrper auf. Denn wir ſagen, daß ein Coͤrper aufſchwellt, wenn er dadurch groͤſſer wird, daß alle ſeine Theile einen groͤſ- ſern Raum einnehmen als vorhin. Es iſt wohl wahr, daß wir auch unterweilen im gemeinen Leben zu ſagen pflegen, es ſchwelle ein Coͤrper auf, wenn mehrere Materie von ſeiner beſtaͤndigen dazu kommet, als vorher vorhanden war. So brauchen wir dieſe Redens Art von den Fluͤſſen, wenn das Waſſer in ihnen anwaͤchſet. Allein dieſe Unbeſtaͤndigkeit im Reden kommet daher, weil wir in dergleichen Faͤllen nicht ſehen, daß mehrere eigenthuͤmliche beſtaͤndige Materie dazu kommet und es dannenhero das Anſehen hat, als wenn dieſelbe nur be- goͤnnte einen groͤſſeren Raum einzunehmen, wie F 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/119
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/119>, abgerufen am 28.04.2024.