daß sie sie in das Gedächtnis fassen. Je-sonen in Erkänt- nis der Wahr- heit hin- dern sol. doch damit sie nicht dadurch in das Vor- urtheil verleitet werden, als wenn man et- was andern zu Gefallen glauben müste: so hat man sie bey Zeiten dazu zugewöhnen, daß sie überall fragen, warumb dieses ist und warumb sie dieses oder jenes thun sol- len. Nemlich in dem sie dadurch erkennen, daß alles seinen zureichenden Grund hat, warumb es vielmehr ist als nicht ist; so wird ihnen nicht allein der Satz des zureichenden Grundes fest eingepräget, sondern sie er- kennen auch, es sey etwas nicht deswegen wahr, weil es der andere saget. Und da- durch gewohnet man nichts von anderen bloß deswegen anzunehmen, weil sie es sa- gen: welches man eben zuerhalten vermei- nete.
§. 93.
Da der Satz des zureichendenWie Kin- der ver- nünfftig werden. Grundes der Grund der Vernunfft ist, diese aber in der Einsicht in den Zusammenhang der Wahrheit bestehet (§. 30. 368. Met.); so siehet man hieraus, daß die Kinder dadurch zugleich vernünfftig werden, wenn sie sich gewöhnen allzeit nach dem Grunde zufra- gen, warumb dieses ist, und warumb sie dieses oder jenes thun sollen.
§. 94.
Weil nun dasjenige, was denWas bey Kindern zuver- meiden. Kindern in ihrer ersten Kindheit eingepräget wird, fest bleibet, auch die dadurch erregte Neigungen und Gewohnheiten sich gar übel
wie-
E 2
Vaͤterlichen Geſellſchafft.
daß ſie ſie in das Gedaͤchtnis faſſen. Je-ſonen in Erkaͤnt- nis der Wahr- heit hin- dern ſol. doch damit ſie nicht dadurch in das Vor- urtheil verleitet werden, als wenn man et- was andern zu Gefallen glauben muͤſte: ſo hat man ſie bey Zeiten dazu zugewoͤhnen, daß ſie uͤberall fragen, warumb dieſes iſt und warumb ſie dieſes oder jenes thun ſol- len. Nemlich in dem ſie dadurch erkennen, daß alles ſeinen zureichenden Grund hat, warumb es vielmehr iſt als nicht iſt; ſo wird ihnen nicht allein der Satz des zureichenden Grundes feſt eingepraͤget, ſondern ſie er- kennen auch, es ſey etwas nicht deswegen wahr, weil es der andere ſaget. Und da- durch gewohnet man nichts von anderen bloß deswegen anzunehmen, weil ſie es ſa- gen: welches man eben zuerhalten vermei- nete.
§. 93.
Da der Satz des zureichendenWie Kin- der ver- nuͤnfftig werden. Grundes der Grund der Vernunfft iſt, dieſe aber in der Einſicht in den Zuſammenhang der Wahrheit beſtehet (§. 30. 368. Met.); ſo ſiehet man hieraus, daß die Kinder dadurch zugleich vernuͤnfftig werden, wenn ſie ſich gewoͤhnen allzeit nach dem Grunde zufra- gen, warumb dieſes iſt, und warumb ſie dieſes oder jenes thun ſollen.
§. 94.
Weil nun dasjenige, was denWas bey Kindern zuver- meiden. Kindern in ihrer erſten Kindheit eingepraͤget wird, feſt bleibet, auch die dadurch erregte Neigungen und Gewohnheiten ſich gar uͤbel
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Vaͤterlichen Geſellſchafft.
daß ſie ſie in das Gedaͤchtnis faſſen. Je-
doch damit ſie nicht dadurch in das Vor-
urtheil verleitet werden, als wenn man et-
was andern zu Gefallen glauben muͤſte: ſo
hat man ſie bey Zeiten dazu zugewoͤhnen,
daß ſie uͤberall fragen, warumb dieſes iſt
und warumb ſie dieſes oder jenes thun ſol-
len. Nemlich in dem ſie dadurch erkennen,
daß alles ſeinen zureichenden Grund hat,
warumb es vielmehr iſt als nicht iſt; ſo wird
ihnen nicht allein der Satz des zureichenden
Grundes feſt eingepraͤget, ſondern ſie er-
kennen auch, es ſey etwas nicht deswegen
wahr, weil es der andere ſaget. Und da-
durch gewohnet man nichts von anderen
bloß deswegen anzunehmen, weil ſie es ſa-
gen: welches man eben zuerhalten vermei-
nete.
ſonen in
Erkaͤnt-
nis der
Wahr-
heit hin-
dern ſol.
§. 93.Da der Satz des zureichenden
Grundes der Grund der Vernunfft iſt, dieſe
aber in der Einſicht in den Zuſammenhang
der Wahrheit beſtehet (§. 30. 368. Met.); ſo
ſiehet man hieraus, daß die Kinder dadurch
zugleich vernuͤnfftig werden, wenn ſie ſich
gewoͤhnen allzeit nach dem Grunde zufra-
gen, warumb dieſes iſt, und warumb ſie
dieſes oder jenes thun ſollen.
Wie Kin-
der ver-
nuͤnfftig
werden.
§. 94.Weil nun dasjenige, was den
Kindern in ihrer erſten Kindheit eingepraͤget
wird, feſt bleibet, auch die dadurch erregte
Neigungen und Gewohnheiten ſich gar uͤbel
wie-
Was bey
Kindern
zuver-
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/85>, abgerufen am 24.11.2024.
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