Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Vorrede. Vermögen stünde: allein da leider! dergröste Theil der Menschen von beydem wenig besitzet, so hindert nicht nur ei- ner des andern Glückseeligkeit, die er befördern solte, theils öffentlich und ohne Scheue, theils unter dem Vor- wande des Guten, damit die schädliche interessirte Absichten verdecket werden; sondern viele verfallen auch aus Un- wissenheit und Thorheit auf verderbli- che Anschläge bey ihrem festen Vorsa- tze des Landes Wohlfahrt zu befördern. Es ist freylich wahr, daß es in keinem gemeinen Wesen besser hergehen würde, als wo alles mit Vernunfft geschähe, das ist, wo jedermann in allen vorkom- menden Fällen zureichenden Verstand und genung Tugend hätte: allein da wir solche Menschen auf unserem Erd- boden nicht antreffen, so lässet sich auch hier kein so vollkommener Staat ein- richten. Nun wäre wohl nicht alle Mühe
Vorrede. Vermoͤgen ſtuͤnde: allein da leider! dergroͤſte Theil der Menſchen von beydem wenig beſitzet, ſo hindert nicht nur ei- ner des andern Gluͤckſeeligkeit, die er befoͤrdern ſolte, theils oͤffentlich und ohne Scheue, theils unter dem Vor- wande des Guten, damit die ſchaͤdliche interesſirte Abſichten verdecket werden; ſondern viele verfallen auch aus Un- wiſſenheit und Thorheit auf verderbli- che Anſchlaͤge bey ihrem feſten Vorſa- tze des Landes Wohlfahrt zu befoͤrdern. Es iſt freylich wahr, daß es in keinem gemeinen Weſen beſſer hergehen wuͤrde, als wo alles mit Vernunfft geſchaͤhe, das iſt, wo jedermann in allen vorkom- menden Faͤllen zureichenden Verſtand und genung Tugend haͤtte: allein da wir ſolche Menſchen auf unſerem Erd- boden nicht antreffen, ſo laͤſſet ſich auch hier kein ſo vollkommener Staat ein- richten. Nun waͤre wohl nicht alle Muͤhe
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Vorrede.
Vermoͤgen ſtuͤnde: allein da leider! der
groͤſte Theil der Menſchen von beydem
wenig beſitzet, ſo hindert nicht nur ei-
ner des andern Gluͤckſeeligkeit, die er
befoͤrdern ſolte, theils oͤffentlich und
ohne Scheue, theils unter dem Vor-
wande des Guten, damit die ſchaͤdliche
interesſirte Abſichten verdecket werden;
ſondern viele verfallen auch aus Un-
wiſſenheit und Thorheit auf verderbli-
che Anſchlaͤge bey ihrem feſten Vorſa-
tze des Landes Wohlfahrt zu befoͤrdern.
Es iſt freylich wahr, daß es in keinem
gemeinen Weſen beſſer hergehen wuͤrde,
als wo alles mit Vernunfft geſchaͤhe,
das iſt, wo jedermann in allen vorkom-
menden Faͤllen zureichenden Verſtand
und genung Tugend haͤtte: allein da
wir ſolche Menſchen auf unſerem Erd-
boden nicht antreffen, ſo laͤſſet ſich auch
hier kein ſo vollkommener Staat ein-
richten. Nun waͤre wohl nicht alle
Muͤhe
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