Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Cap. 6. Von der Regierung sie auf Mittel und Wege dencken, wieentweder sie selbst für ihre Person hinaus kommen können, oder doch wenigstens die ihrigen an andere Oerter bringen. Weil alle Veränderung einige Verdrüslich- keit nach sich ziehet, das Ubel aber aus dem Verdrusse beurtheilet wird, den es verursachet (§. 432. Met.); so wird niemand gerne zu einer Verän- derung sich entschlüssen, woferne er nicht augenscheinlichen Vortheil davon hat (§. 506. 508. Met.). Derowegen wenn Jnnwohner sehen, daß man es in einem andern Lande besser hat als bey ihnen, so werden sie sich zwar wünschen in demsel- ben Lande zu seyn, allein doch niemahls den Sinn bekommen dahin zu gehen, so lange sie es nur auch gut, oder nicht allzu schlimm haben. Und solchergestalt kom- met es hauptsächlich darauf an, daß man die Jnnwohner nicht ohne Noth drücket weder in ihrem Gewissen durch Verfol- gung wegen der Religion, noch in ihrem Vermögen durch übermäßige Gaben, oder in ihrer Nahrung durch Schmälerung ih- res Handels und Gewerbes, und was der gleichen mehr ist. Auch träget dieses viel dazu, daß man eine friedfertige Regie- rung führet, und keine Kriegs-Gefahr vor- handen. Auf solche Weise erhält man, daß niemand Lust bekommet aus dem Lan- de
Cap. 6. Von der Regierung ſie auf Mittel und Wege dencken, wieentweder ſie ſelbſt fuͤr ihre Perſon hinaus kommen koͤnnen, oder doch wenigſtens die ihrigen an andere Oerter bringen. Weil alle Veraͤnderung einige Verdruͤslich- keit nach ſich ziehet, das Ubel aber aus dem Verdruſſe beurtheilet wird, den es verurſachet (§. 432. Met.); ſo wird niemand gerne zu einer Veraͤn- derung ſich entſchluͤſſen, woferne er nicht augenſcheinlichen Vortheil davon hat (§. 506. 508. Met.). Derowegen wenn Jnnwohner ſehen, daß man es in einem andern Lande beſſer hat als bey ihnen, ſo werden ſie ſich zwar wuͤnſchen in demſel- ben Lande zu ſeyn, allein doch niemahls den Sinn bekommen dahin zu gehen, ſo lange ſie es nur auch gut, oder nicht allzu ſchlimm haben. Und ſolchergeſtalt kom- met es hauptſaͤchlich darauf an, daß man die Jnnwohner nicht ohne Noth druͤcket weder in ihrem Gewiſſen durch Verfol- gung wegen der Religion, noch in ihrem Vermoͤgen durch uͤbermaͤßige Gaben, oder in ihrer Nahrung durch Schmaͤlerung ih- res Handels und Gewerbes, und was der gleichen mehr iſt. Auch traͤget dieſes viel dazu, daß man eine friedfertige Regie- rung fuͤhret, und keine Kriegs-Gefahr vor- handen. Auf ſolche Weiſe erhaͤlt man, daß niemand Luſt bekommet aus dem Lan- de
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Cap. 6. Von der Regierung
ſie auf Mittel und Wege dencken, wie
entweder ſie ſelbſt fuͤr ihre Perſon hinaus
kommen koͤnnen, oder doch wenigſtens die
ihrigen an andere Oerter bringen. Weil
alle Veraͤnderung einige Verdruͤslich-
keit nach ſich ziehet, das Ubel aber
aus dem Verdruſſe beurtheilet wird,
den es verurſachet (§. 432. Met.);
ſo wird niemand gerne zu einer Veraͤn-
derung ſich entſchluͤſſen, woferne er nicht
augenſcheinlichen Vortheil davon hat
(§. 506. 508. Met.). Derowegen wenn
Jnnwohner ſehen, daß man es in einem
andern Lande beſſer hat als bey ihnen, ſo
werden ſie ſich zwar wuͤnſchen in demſel-
ben Lande zu ſeyn, allein doch niemahls
den Sinn bekommen dahin zu gehen, ſo
lange ſie es nur auch gut, oder nicht allzu
ſchlimm haben. Und ſolchergeſtalt kom-
met es hauptſaͤchlich darauf an, daß man
die Jnnwohner nicht ohne Noth druͤcket
weder in ihrem Gewiſſen durch Verfol-
gung wegen der Religion, noch in ihrem
Vermoͤgen durch uͤbermaͤßige Gaben, oder
in ihrer Nahrung durch Schmaͤlerung ih-
res Handels und Gewerbes, und was der
gleichen mehr iſt. Auch traͤget dieſes viel
dazu, daß man eine friedfertige Regie-
rung fuͤhret, und keine Kriegs-Gefahr vor-
handen. Auf ſolche Weiſe erhaͤlt man,
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