Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

der hohen Landes-Obrigkeit.
jenige, dazu er Lust hat, am besten lernen
kan. Denn es gehet nicht allzeit an, daß
wir die besten Leute und die fleißigsten auf
unsere Universität bekommen. Mit Gel-
de allein lässet sich nicht ein jeder aus einem
Lande in das andere locken. Es sind öff-
ters viel Nebendinge, die man an einem
Orte hat und in dem andern nicht wieder
findet. Und diese werden nicht nach ih-
rem wahren Werthe, sondern nach eines
jeden seinem Wohlgefallen geschätzet. U-
berdieses kommet es viel darauf an, wenn
man von einem etwas lernen sol, daß man
sowohl ein gutes Vertrauen (§. 288), als
auch Liebe (§. 291.) gegen ihn hat. Sol
nun einer wieder seinen Willen auf ei-
ne Universität ziehen, da er in den Ge-
dancken stehet, er könne auf einer andern
vielmehr lernen; so ist dieses in seinem
Studiren ein grosses Hindernis: denn er
studiret mit Verdruß. Wer aber mit
Verdruß studiret, hat auf nichts recht acht,
wie derjenige, der es mit Lust thut. Jn-
gleichen kan es feyn, daß in dem Lande,
wo man selbst eine Universität hat, nicht
viel vermögende sind, die studiren. Auch
können diejenigen, welche am geschicktesten
zum studiren sind, wenige Mittel haben,
oder haben mit wenigem auszukommen ge-
lernet, und was dergleichen Umbstände
mehr sind. Derowegen findet man hier

in
M m 4

der hohen Landes-Obrigkeit.
jenige, dazu er Luſt hat, am beſten lernen
kan. Denn es gehet nicht allzeit an, daß
wir die beſten Leute und die fleißigſten auf
unſere Univerſitaͤt bekommen. Mit Gel-
de allein laͤſſet ſich nicht ein jeder aus einem
Lande in das andere locken. Es ſind oͤff-
ters viel Nebendinge, die man an einem
Orte hat und in dem andern nicht wieder
findet. Und dieſe werden nicht nach ih-
rem wahren Werthe, ſondern nach eines
jeden ſeinem Wohlgefallen geſchaͤtzet. U-
berdieſes kommet es viel darauf an, wenn
man von einem etwas lernen ſol, daß man
ſowohl ein gutes Vertrauen (§. 288), als
auch Liebe (§. 291.) gegen ihn hat. Sol
nun einer wieder ſeinen Willen auf ei-
ne Univerſitaͤt ziehen, da er in den Ge-
dancken ſtehet, er koͤnne auf einer andern
vielmehr lernen; ſo iſt dieſes in ſeinem
Studiren ein groſſes Hindernis: denn er
ſtudiret mit Verdruß. Wer aber mit
Verdruß ſtudiret, hat auf nichts recht acht,
wie derjenige, der es mit Luſt thut. Jn-
gleichen kan es feyn, daß in dem Lande,
wo man ſelbſt eine Univerſitaͤt hat, nicht
viel vermoͤgende ſind, die ſtudiren. Auch
koͤnnen diejenigen, welche am geſchickteſten
zum ſtudiren ſind, wenige Mittel haben,
oder haben mit wenigem auszukommen ge-
lernet, und was dergleichen Umbſtaͤnde
mehr ſind. Derowegen findet man hier

in
M m 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0569" n="551"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der hohen Landes-Obrigkeit.</hi></fw><lb/>
jenige, dazu er Lu&#x017F;t hat, am be&#x017F;ten lernen<lb/>
kan. Denn es gehet nicht allzeit an, daß<lb/>
wir die be&#x017F;ten Leute und die fleißig&#x017F;ten auf<lb/>
un&#x017F;ere Univer&#x017F;ita&#x0364;t bekommen. Mit Gel-<lb/>
de allein la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ich nicht ein jeder aus einem<lb/>
Lande in das andere locken. Es &#x017F;ind o&#x0364;ff-<lb/>
ters viel Nebendinge, die man an einem<lb/>
Orte hat und in dem andern nicht wieder<lb/>
findet. Und die&#x017F;e werden nicht nach ih-<lb/>
rem wahren Werthe, &#x017F;ondern nach eines<lb/>
jeden &#x017F;einem Wohlgefallen ge&#x017F;cha&#x0364;tzet. U-<lb/>
berdie&#x017F;es kommet es viel darauf an, wenn<lb/>
man von einem etwas lernen &#x017F;ol, daß man<lb/>
&#x017F;owohl ein gutes Vertrauen (§. 288), als<lb/>
auch Liebe (§. 291.) gegen ihn hat. Sol<lb/>
nun einer wieder &#x017F;einen Willen auf ei-<lb/>
ne Univer&#x017F;ita&#x0364;t ziehen, da er in den Ge-<lb/>
dancken &#x017F;tehet, er ko&#x0364;nne auf einer andern<lb/>
vielmehr lernen; &#x017F;o i&#x017F;t die&#x017F;es in &#x017F;einem<lb/>
Studiren ein gro&#x017F;&#x017F;es Hindernis: denn er<lb/>
&#x017F;tudiret mit Verdruß. Wer aber mit<lb/>
Verdruß &#x017F;tudiret, hat auf nichts recht acht,<lb/>
wie derjenige, der es mit Lu&#x017F;t thut. Jn-<lb/>
gleichen kan es feyn, daß in dem Lande,<lb/>
wo man &#x017F;elb&#x017F;t eine Univer&#x017F;ita&#x0364;t hat, nicht<lb/>
viel vermo&#x0364;gende &#x017F;ind, die &#x017F;tudiren. Auch<lb/>
ko&#x0364;nnen diejenigen, welche am ge&#x017F;chickte&#x017F;ten<lb/>
zum &#x017F;tudiren &#x017F;ind, wenige Mittel haben,<lb/>
oder haben mit wenigem auszukommen ge-<lb/>
lernet, und was dergleichen Umb&#x017F;ta&#x0364;nde<lb/>
mehr &#x017F;ind. Derowegen findet man hier<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">M m 4</fw><fw place="bottom" type="catch">in</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[551/0569] der hohen Landes-Obrigkeit. jenige, dazu er Luſt hat, am beſten lernen kan. Denn es gehet nicht allzeit an, daß wir die beſten Leute und die fleißigſten auf unſere Univerſitaͤt bekommen. Mit Gel- de allein laͤſſet ſich nicht ein jeder aus einem Lande in das andere locken. Es ſind oͤff- ters viel Nebendinge, die man an einem Orte hat und in dem andern nicht wieder findet. Und dieſe werden nicht nach ih- rem wahren Werthe, ſondern nach eines jeden ſeinem Wohlgefallen geſchaͤtzet. U- berdieſes kommet es viel darauf an, wenn man von einem etwas lernen ſol, daß man ſowohl ein gutes Vertrauen (§. 288), als auch Liebe (§. 291.) gegen ihn hat. Sol nun einer wieder ſeinen Willen auf ei- ne Univerſitaͤt ziehen, da er in den Ge- dancken ſtehet, er koͤnne auf einer andern vielmehr lernen; ſo iſt dieſes in ſeinem Studiren ein groſſes Hindernis: denn er ſtudiret mit Verdruß. Wer aber mit Verdruß ſtudiret, hat auf nichts recht acht, wie derjenige, der es mit Luſt thut. Jn- gleichen kan es feyn, daß in dem Lande, wo man ſelbſt eine Univerſitaͤt hat, nicht viel vermoͤgende ſind, die ſtudiren. Auch koͤnnen diejenigen, welche am geſchickteſten zum ſtudiren ſind, wenige Mittel haben, oder haben mit wenigem auszukommen ge- lernet, und was dergleichen Umbſtaͤnde mehr ſind. Derowegen findet man hier in M m 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/569
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/569>, abgerufen am 04.05.2024.