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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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der hohen Landes-Obrigkeit.
thaten machet, daß wir eine Liebe zu ihm
gewinnen (§. 469. 470. Met.) und ihn
werth halten (§. 591. Mor.). Hingegen
wenn wir mit dem Proceße aufgehalten
werden, so sehen wir so offte, als wir Ver-
druß davon empfinden, den Richter als die
Ursache solches Verdrusses an, und bilden
uns dannenhero ein, daß er uns böses er-
zeiget (§. 427. Met.). Daher kan es nicht
anders geschehen, als daß man ihn anfän-
get zu hassen (§. 454. Met.), auch sich wohl
über ihn erzürnet (§. 484. Met.), ihn tadelt
(§. 613. Mor.), zu Verleumbdungen daher
Anlaß nimmet (§. 615. Mor.), ja ihm wohl
gar fluchet (§. 1002. Mor.). Und auf sol-
che Weise werden die Gemüther von dem
Richter abgewandt. Weil auf die Pro-
reße Kosten gehen; so wird durch die Lang-
wierigkeit derselben, wenn sie nemlich
durch Weitläufftigkeiten aufgehalten wer-
den, vieles Geld unnütze verschwendet,
und gerathen öffters viele darüber in Ar-
muth. Man soll aber im gemeinen We-
sen die Unterhanen reich und nicht arm
machen (§. 459.) und demnach kan man
auch nicht verstatten, daß sie durch lange
und weitläufftige Proceße umb das ihrige
gebracht werden. Und eben wird der
Verdruß durch die langwierigen und weit-
läufftigen Proceße dadurch vermehret, wenn
man dazu Geld hergeben soll und siehet

doch
(Politik.) L l

der hohen Landes-Obrigkeit.
thaten machet, daß wir eine Liebe zu ihm
gewinnen (§. 469. 470. Met.) und ihn
werth halten (§. 591. Mor.). Hingegen
wenn wir mit dem Proceße aufgehalten
werden, ſo ſehen wir ſo offte, als wir Ver-
druß davon empfinden, den Richter als die
Urſache ſolches Verdruſſes an, und bilden
uns dannenhero ein, daß er uns boͤſes er-
zeiget (§. 427. Met.). Daher kan es nicht
anders geſchehen, als daß man ihn anfaͤn-
get zu haſſen (§. 454. Met.), auch ſich wohl
uͤber ihn erzuͤrnet (§. 484. Met.), ihn tadelt
(§. 613. Mor.), zu Verleumbdungen daher
Anlaß nimmet (§. 615. Mor.), ja ihm wohl
gar fluchet (§. 1002. Mor.). Und auf ſol-
che Weiſe werden die Gemuͤther von dem
Richter abgewandt. Weil auf die Pro-
reße Koſten gehen; ſo wird durch die Lang-
wierigkeit derſelben, wenn ſie nemlich
durch Weitlaͤufftigkeiten aufgehalten wer-
den, vieles Geld unnuͤtze verſchwendet,
und gerathen oͤffters viele daruͤber in Ar-
muth. Man ſoll aber im gemeinen We-
ſen die Unterhanen reich und nicht arm
machen (§. 459.) und demnach kan man
auch nicht verſtatten, daß ſie durch lange
und weitlaͤufftige Proceße umb das ihrige
gebracht werden. Und eben wird der
Verdruß durch die langwierigen und weit-
laͤufftigen Proceße dadurch vermehret, wenn
man dazu Geld hergeben ſoll und ſiehet

doch
(Politik.) L l
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[529/0547] der hohen Landes-Obrigkeit. thaten machet, daß wir eine Liebe zu ihm gewinnen (§. 469. 470. Met.) und ihn werth halten (§. 591. Mor.). Hingegen wenn wir mit dem Proceße aufgehalten werden, ſo ſehen wir ſo offte, als wir Ver- druß davon empfinden, den Richter als die Urſache ſolches Verdruſſes an, und bilden uns dannenhero ein, daß er uns boͤſes er- zeiget (§. 427. Met.). Daher kan es nicht anders geſchehen, als daß man ihn anfaͤn- get zu haſſen (§. 454. Met.), auch ſich wohl uͤber ihn erzuͤrnet (§. 484. Met.), ihn tadelt (§. 613. Mor.), zu Verleumbdungen daher Anlaß nimmet (§. 615. Mor.), ja ihm wohl gar fluchet (§. 1002. Mor.). Und auf ſol- che Weiſe werden die Gemuͤther von dem Richter abgewandt. Weil auf die Pro- reße Koſten gehen; ſo wird durch die Lang- wierigkeit derſelben, wenn ſie nemlich durch Weitlaͤufftigkeiten aufgehalten wer- den, vieles Geld unnuͤtze verſchwendet, und gerathen oͤffters viele daruͤber in Ar- muth. Man ſoll aber im gemeinen We- ſen die Unterhanen reich und nicht arm machen (§. 459.) und demnach kan man auch nicht verſtatten, daß ſie durch lange und weitlaͤufftige Proceße umb das ihrige gebracht werden. Und eben wird der Verdruß durch die langwierigen und weit- laͤufftigen Proceße dadurch vermehret, wenn man dazu Geld hergeben ſoll und ſiehet doch (Politik.) L l

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 529. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/547>, abgerufen am 01.09.2024.