or dieses mahl umb die übrigen Nahmen nbekümmert lassen.
§. 456.
Jn einer jeden Regierungs-Jn jedem Staate ist einer- ley Ge- walt. Forme, sie mag Nahmen haben, wie sie wil, soll alles dasjenige geschehen, was die gemeine Wohlfahrt und Sicherheit er- fordert; hingegen unterlassen werden, was jene hindert und dieser zu wieder ist (§. 215). Da nun überall diejenigen, welche beur- theilen müssen, was der gemeinen Wohl- fahrt und Sicherheit zu träglich ist, Frey- heit haben müssen zu befehlen und zu thun, was sie von dieser Beschaffenheit zu seyn erachten; so ist in jeder Regierungs-For- me so viel Freyheit zu befehlen und zu thun, als in der anderen. Derowegen weil die Freyheit zu befehlen oder überhaupt etwas zu thun die Gewalt ist (§. 435); so ist in ei- ner Regierungs-Forme so viel Gewalt als in der anderen. Nemlich ein gemeines Wesen hat so viel Gewalt als wie das an- dere, denn überall wird sie, wie aus jetzt geführtem Beweise erhellet, durch die Noth- wendigkeit dessen, was die gemeine Wohl- fahrt und Sicherheit erfordert, determi- niret, und gehet demnach so weit, als die Nothwendigkeit der gemeinen Wohlfahrt und Sicherheit. Es ist wohl wahr, daß man in einem kleinen Staate nicht so vie- len zu befehlen hat, als wie in einem gros- sen: allein dieses machet die Gewalt nicht
klei-
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und Gewalt der Obrigkeit.
or dieſes mahl umb die uͤbrigen Nahmen nbekuͤmmert laſſen.
§. 456.
Jn einer jeden Regierungs-Jn jedem Staate iſt einer- ley Ge- walt. Forme, ſie mag Nahmen haben, wie ſie wil, ſoll alles dasjenige geſchehen, was die gemeine Wohlfahrt und Sicherheit er- fordert; hingegen unterlaſſen werden, was jene hindert und dieſer zu wieder iſt (§. 215). Da nun uͤberall diejenigen, welche beur- theilen muͤſſen, was der gemeinen Wohl- fahrt und Sicherheit zu traͤglich iſt, Frey- heit haben muͤſſen zu befehlen und zu thun, was ſie von dieſer Beſchaffenheit zu ſeyn erachten; ſo iſt in jeder Regierungs-For- me ſo viel Freyheit zu befehlen und zu thun, als in der anderen. Derowegen weil die Freyheit zu befehlen oder uͤberhaupt etwas zu thun die Gewalt iſt (§. 435); ſo iſt in ei- ner Regierungs-Forme ſo viel Gewalt als in der anderen. Nemlich ein gemeines Weſen hat ſo viel Gewalt als wie das an- dere, denn uͤberall wird ſie, wie aus jetzt gefuͤhrtem Beweiſe erhellet, durch die Noth- wendigkeit deſſen, was die gemeine Wohl- fahrt und Sicherheit erfordert, determi- niret, und gehet demnach ſo weit, als die Nothwendigkeit der gemeinen Wohlfahrt und Sicherheit. Es iſt wohl wahr, daß man in einem kleinen Staate nicht ſo vie- len zu befehlen hat, als wie in einem groſ- ſen: allein dieſes machet die Gewalt nicht
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[483/0501]
und Gewalt der Obrigkeit.
or dieſes mahl umb die uͤbrigen Nahmen
nbekuͤmmert laſſen.
§. 456.Jn einer jeden Regierungs-
Forme, ſie mag Nahmen haben, wie ſie
wil, ſoll alles dasjenige geſchehen, was
die gemeine Wohlfahrt und Sicherheit er-
fordert; hingegen unterlaſſen werden, was
jene hindert und dieſer zu wieder iſt (§. 215).
Da nun uͤberall diejenigen, welche beur-
theilen muͤſſen, was der gemeinen Wohl-
fahrt und Sicherheit zu traͤglich iſt, Frey-
heit haben muͤſſen zu befehlen und zu thun,
was ſie von dieſer Beſchaffenheit zu ſeyn
erachten; ſo iſt in jeder Regierungs-For-
me ſo viel Freyheit zu befehlen und zu thun,
als in der anderen. Derowegen weil die
Freyheit zu befehlen oder uͤberhaupt etwas
zu thun die Gewalt iſt (§. 435); ſo iſt in ei-
ner Regierungs-Forme ſo viel Gewalt als
in der anderen. Nemlich ein gemeines
Weſen hat ſo viel Gewalt als wie das an-
dere, denn uͤberall wird ſie, wie aus jetzt
gefuͤhrtem Beweiſe erhellet, durch die Noth-
wendigkeit deſſen, was die gemeine Wohl-
fahrt und Sicherheit erfordert, determi-
niret, und gehet demnach ſo weit, als die
Nothwendigkeit der gemeinen Wohlfahrt
und Sicherheit. Es iſt wohl wahr, daß
man in einem kleinen Staate nicht ſo vie-
len zu befehlen hat, als wie in einem groſ-
ſen: allein dieſes machet die Gewalt nicht
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Jn jedem
Staate
iſt einer-
ley Ge-
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 483. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/501>, abgerufen am 22.11.2024.
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