Und dadurch wird das natürliche Gesetze, daß man sein Versprechen, was nicht un- recht ist, halten sol, ein bürgerliches Ge- setze. Underdessen da auch einige Kleinig- keiten nicht halten, die sie versprochen ha- ben; so kan man nicht in bürgerlichen Ge- setzen überhaupt verordnen, daß das Ver- sprechen gehalten werde, weil sonst zu vie- le Gerichts-Händel daraus entstehen wür- den, sondern es ist gnung, wenn man es in solchen Fällen verordnet, wo dem einen Theile ein empfindlicher Schaden gesche- hen würde, wenn der andere sein Verspre- chen nicht hielte. Weil nun alle Verträ- ge und Vergleiche auf einem Versprechen beruhen (§. 1008. Mor.); so muß man auch nach den bürgerlichen Gesetze einen jeden anhalten seinen Vertrag und Ver- gleich in allem zuerfüllen.
§. 423.
Die natürliche Billigkeit erfor-Von Er- setzung des Scha des in Verträ- gen und Verglei- chen. dert, daß man in Verträgen und Verglei- chen niemanden im geringsten bevorthei- le (§. 897. Mor.), und, woferne dieses ge- schehen, allen, auch den allergeringsten Schaden ersetze (§. 825. Mor.). Nehmlich wo erwiesen worden, daß niemand sol be- vortheilet und der verursachte Schaden ersetzet werden, da ist keine gewisse Grösse voraus gesetzet worden; sondern der Be- weis ist überhaupt von allen Fällen zuver- stehen. Jm gemeinen Wesen sol man den
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Geſetzen.
Und dadurch wird das natuͤrliche Geſetze, daß man ſein Verſprechen, was nicht un- recht iſt, halten ſol, ein buͤrgerliches Ge- ſetze. Underdeſſen da auch einige Kleinig- keiten nicht halten, die ſie verſprochen ha- ben; ſo kan man nicht in buͤrgerlichen Ge- ſetzen uͤberhaupt verordnen, daß das Ver- ſprechen gehalten werde, weil ſonſt zu vie- le Gerichts-Haͤndel daraus entſtehen wuͤr- den, ſondern es iſt gnung, wenn man es in ſolchen Faͤllen verordnet, wo dem einen Theile ein empfindlicher Schaden geſche- hen wuͤrde, wenn der andere ſein Verſpre- chen nicht hielte. Weil nun alle Vertraͤ- ge und Vergleiche auf einem Verſprechen beruhen (§. 1008. Mor.); ſo muß man auch nach den buͤrgerlichen Geſetze einen jeden anhalten ſeinen Vertrag und Ver- gleich in allem zuerfuͤllen.
§. 423.
Die natuͤrliche Billigkeit erfor-Von Er- ſetzung des Scha des in Vertraͤ- gen und Verglei- chen. dert, daß man in Vertraͤgen und Verglei- chen niemanden im geringſten bevorthei- le (§. 897. Mor.), und, woferne dieſes ge- ſchehen, allen, auch den allergeringſten Schaden erſetze (§. 825. Mor.). Nehmlich wo erwieſen worden, daß niemand ſol be- vortheilet und der verurſachte Schaden erſetzet werden, da iſt keine gewiſſe Groͤſſe voraus geſetzet worden; ſondern der Be- weis iſt uͤberhaupt von allen Faͤllen zuver- ſtehen. Jm gemeinen Weſen ſol man den
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Geſetzen.
Und dadurch wird das natuͤrliche Geſetze,
daß man ſein Verſprechen, was nicht un-
recht iſt, halten ſol, ein buͤrgerliches Ge-
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ſprechen gehalten werde, weil ſonſt zu vie-
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den, ſondern es iſt gnung, wenn man es
in ſolchen Faͤllen verordnet, wo dem einen
Theile ein empfindlicher Schaden geſche-
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chen nicht hielte. Weil nun alle Vertraͤ-
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beruhen (§. 1008. Mor.); ſo muß man
auch nach den buͤrgerlichen Geſetze einen
jeden anhalten ſeinen Vertrag und Ver-
gleich in allem zuerfuͤllen.
§. 423.Die natuͤrliche Billigkeit erfor-
dert, daß man in Vertraͤgen und Verglei-
chen niemanden im geringſten bevorthei-
le (§. 897. Mor.), und, woferne dieſes ge-
ſchehen, allen, auch den allergeringſten
Schaden erſetze (§. 825. Mor.). Nehmlich
wo erwieſen worden, daß niemand ſol be-
vortheilet und der verurſachte Schaden
erſetzet werden, da iſt keine gewiſſe Groͤſſe
voraus geſetzet worden; ſondern der Be-
weis iſt uͤberhaupt von allen Faͤllen zuver-
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Von Er-
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des Scha
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/453>, abgerufen am 22.11.2024.
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