Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. 4. Von den bürgerlichen
Anstalten zur Nachricht in einem besonde-
ren Buche aufgezeichnet behält, damit man
bey anderer Gelegenheit, es sey über lang
oder kurtz, finden kan, was man vor diesem
gethan und dabey lernen, was jetzund zu
thun ist (§. 374. Met.). Wolte man für
die Nachkommen mit sorgen, wie sichs ge-
ziemet (§. 12. Mor.); so wäre gar dien-
lich, wenn man zugleich aus der Erfah-
rung mit anmerckte, wie und aus was Ur-
sachen man die Anstalten gut befunden,
und worinnen sich einiger Mangel erzei-
get.

Vorsich-
tigkeit
bey dem
Gesetz
geben.
§. 419.

Ehe man aber Gesetze öffentlich
bekand machet, hat man zuvor wohl zu ü-
berlegen, ob auch durch sie die Absicht
werde erreichet werden, die man sich vor-
gesetzet. Denn woferne man nach diesem
finden solte, daß solches nicht geschähe, ja
sie wohl gar derjenigen Absicht zuwieder
wären, welche man dadurch erreichen wol-
te; würde man sie wiederumb abschaffen
und eine Aenderung treffen müssen. Hier-
durch aber leidet der Ernst, damit man ü-
ber den Gesetzen halten sol (§. 409). Denn
man glaubet nach diesem gleich, es werde
mit anderen Anstalten eben wieder so ab-
lauffen und hat kein Vertrauen dazu (§.
409); suchet dannenhero Ausflüchte, wo-
durch man sich denselben entziehen kan.
Wiederumb wenn man nöthig hat offte

nach

Cap. 4. Von den buͤrgerlichen
Anſtalten zur Nachricht in einem beſonde-
ren Buche aufgezeichnet behaͤlt, damit man
bey anderer Gelegenheit, es ſey uͤber lang
oder kurtz, finden kan, was man vor dieſem
gethan und dabey lernen, was jetzund zu
thun iſt (§. 374. Met.). Wolte man fuͤr
die Nachkommen mit ſorgen, wie ſichs ge-
ziemet (§. 12. Mor.); ſo waͤre gar dien-
lich, wenn man zugleich aus der Erfah-
rung mit anmerckte, wie und aus was Ur-
ſachen man die Anſtalten gut befunden,
und worinnen ſich einiger Mangel erzei-
get.

Vorſich-
tigkeit
bey dem
Geſetz
geben.
§. 419.

Ehe man aber Geſetze oͤffentlich
bekand machet, hat man zuvor wohl zu uͤ-
berlegen, ob auch durch ſie die Abſicht
werde erreichet werden, die man ſich vor-
geſetzet. Denn woferne man nach dieſem
finden ſolte, daß ſolches nicht geſchaͤhe, ja
ſie wohl gar derjenigen Abſicht zuwieder
waͤren, welche man dadurch erreichen wol-
te; wuͤrde man ſie wiederumb abſchaffen
und eine Aenderung treffen muͤſſen. Hier-
durch aber leidet der Ernſt, damit man uͤ-
ber den Geſetzen halten ſol (§. 409). Denn
man glaubet nach dieſem gleich, es werde
mit anderen Anſtalten eben wieder ſo ab-
lauffen und hat kein Vertrauen dazu (§.
409); ſuchet dannenhero Ausfluͤchte, wo-
durch man ſich denſelben entziehen kan.
Wiederumb wenn man noͤthig hat offte

nach
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0446" n="428"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Cap. 4. Von den bu&#x0364;rgerlichen</hi></fw><lb/>
An&#x017F;talten zur Nachricht in einem be&#x017F;onde-<lb/>
ren Buche aufgezeichnet beha&#x0364;lt, damit man<lb/>
bey anderer Gelegenheit, es &#x017F;ey u&#x0364;ber lang<lb/>
oder kurtz, finden kan, was man vor die&#x017F;em<lb/>
gethan und dabey lernen, was jetzund zu<lb/>
thun i&#x017F;t (§. 374. <hi rendition="#aq">Met.</hi>). Wolte man fu&#x0364;r<lb/>
die Nachkommen mit &#x017F;orgen, wie &#x017F;ichs ge-<lb/>
ziemet (§. 12. <hi rendition="#aq">Mor.</hi>); &#x017F;o wa&#x0364;re gar dien-<lb/>
lich, wenn man zugleich aus der Erfah-<lb/>
rung mit anmerckte, wie und aus was Ur-<lb/>
&#x017F;achen man die An&#x017F;talten gut befunden,<lb/>
und worinnen &#x017F;ich einiger Mangel erzei-<lb/>
get.</p><lb/>
              <note place="left">Vor&#x017F;ich-<lb/>
tigkeit<lb/>
bey dem<lb/>
Ge&#x017F;etz<lb/>
geben.</note>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 419.</head>
              <p>Ehe man aber Ge&#x017F;etze o&#x0364;ffentlich<lb/>
bekand machet, hat man zuvor wohl zu u&#x0364;-<lb/>
berlegen, ob auch durch &#x017F;ie die Ab&#x017F;icht<lb/>
werde erreichet werden, die man &#x017F;ich vor-<lb/>
ge&#x017F;etzet. Denn woferne man nach die&#x017F;em<lb/>
finden &#x017F;olte, daß &#x017F;olches nicht ge&#x017F;cha&#x0364;he, ja<lb/>
&#x017F;ie wohl gar derjenigen Ab&#x017F;icht zuwieder<lb/>
wa&#x0364;ren, welche man dadurch erreichen wol-<lb/>
te; wu&#x0364;rde man &#x017F;ie wiederumb ab&#x017F;chaffen<lb/>
und eine Aenderung treffen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Hier-<lb/>
durch aber leidet der Ern&#x017F;t, damit man u&#x0364;-<lb/>
ber den Ge&#x017F;etzen halten &#x017F;ol (§. 409). Denn<lb/>
man glaubet nach die&#x017F;em gleich, es werde<lb/>
mit anderen An&#x017F;talten eben wieder &#x017F;o ab-<lb/>
lauffen und hat kein Vertrauen dazu (§.<lb/>
409); &#x017F;uchet dannenhero Ausflu&#x0364;chte, wo-<lb/>
durch man &#x017F;ich den&#x017F;elben entziehen kan.<lb/>
Wiederumb wenn man no&#x0364;thig hat offte<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nach</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[428/0446] Cap. 4. Von den buͤrgerlichen Anſtalten zur Nachricht in einem beſonde- ren Buche aufgezeichnet behaͤlt, damit man bey anderer Gelegenheit, es ſey uͤber lang oder kurtz, finden kan, was man vor dieſem gethan und dabey lernen, was jetzund zu thun iſt (§. 374. Met.). Wolte man fuͤr die Nachkommen mit ſorgen, wie ſichs ge- ziemet (§. 12. Mor.); ſo waͤre gar dien- lich, wenn man zugleich aus der Erfah- rung mit anmerckte, wie und aus was Ur- ſachen man die Anſtalten gut befunden, und worinnen ſich einiger Mangel erzei- get. §. 419.Ehe man aber Geſetze oͤffentlich bekand machet, hat man zuvor wohl zu uͤ- berlegen, ob auch durch ſie die Abſicht werde erreichet werden, die man ſich vor- geſetzet. Denn woferne man nach dieſem finden ſolte, daß ſolches nicht geſchaͤhe, ja ſie wohl gar derjenigen Abſicht zuwieder waͤren, welche man dadurch erreichen wol- te; wuͤrde man ſie wiederumb abſchaffen und eine Aenderung treffen muͤſſen. Hier- durch aber leidet der Ernſt, damit man uͤ- ber den Geſetzen halten ſol (§. 409). Denn man glaubet nach dieſem gleich, es werde mit anderen Anſtalten eben wieder ſo ab- lauffen und hat kein Vertrauen dazu (§. 409); ſuchet dannenhero Ausfluͤchte, wo- durch man ſich denſelben entziehen kan. Wiederumb wenn man noͤthig hat offte nach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/446
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/446>, abgerufen am 07.05.2024.