er entweder grossen Schaden haben, oder auch höchst unglücklich werden kan, wenn er in die Straffe verfället, dergleichen er sich bey diesem Verbrechen nimmermehr vermuthet hätte.
Warumb Gesetze öffentlich bekand zu ma- chen sind.
§. 416.
Und eben deßwegen, weil es un- möglich ist, daß man nach einem Gesetze lebe, welches einem unbekand ist, müssen Gesetze, die von neuem gegeben werden, öffentlich bekand gemacht werden, welches geschiehet, wenn man sie an öffentlichen Oertern änschläget, wo sie jedermann le- sen kan, oder in öffentlichen Versammlun- gen, wo viele zusammen kommen, ablie- set, oder auch durch den öffentlichen Druck ausbreitet. Und deswegen erlanget auch kein Befehl des Oberen eher die Krafft ei- nes Gesetzes, als bis es publiciret, das ist, auf eine von denen erwehnten Arten öffentlich bekand gemacht worden. Was ein anderer wil, kan niemand errathen: er muß es sagen. Und was alle wissen sol- len, muß man nicht nur einigen sagen, sondern allen bekand machen.
Wenn Unwis- senheit nicht ent- schuldi- get.
§. 417.
Hingegen aber findet alsdenn auch keine Entschuldigung mit der Unwis- senheit statt, wenn man ein Gesetze öffent- lich bekand gemacht. Denn woferne auch einer in der That nicht erfahren hätte, daß das Gesetze gegeben worden; so ist doch die Schuld seine, daß es nicht geschehen,
indem
Cap. 4. Von den buͤrgerlichen
er entweder groſſen Schaden haben, oder auch hoͤchſt ungluͤcklich werden kan, wenn er in die Straffe verfaͤllet, dergleichen er ſich bey dieſem Verbrechen nimmermehr vermuthet haͤtte.
Warumb Geſetze oͤffentlich bekand zu ma- chen ſind.
§. 416.
Und eben deßwegen, weil es un- moͤglich iſt, daß man nach einem Geſetze lebe, welches einem unbekand iſt, muͤſſen Geſetze, die von neuem gegeben werden, oͤffentlich bekand gemacht werden, welches geſchiehet, wenn man ſie an oͤffentlichen Oertern aͤnſchlaͤget, wo ſie jedermann le- ſen kan, oder in oͤffentlichen Verſammlun- gen, wo viele zuſammen kommen, ablie- ſet, oder auch durch den oͤffentlichen Druck ausbreitet. Und deswegen erlanget auch kein Befehl des Oberen eher die Krafft ei- nes Geſetzes, als bis es publiciret, das iſt, auf eine von denen erwehnten Arten oͤffentlich bekand gemacht worden. Was ein anderer wil, kan niemand errathen: er muß es ſagen. Und was alle wiſſen ſol- len, muß man nicht nur einigen ſagen, ſondern allen bekand machen.
Wenn Unwiſ- ſenheit nicht ent- ſchuldi- get.
§. 417.
Hingegen aber findet alsdenn auch keine Entſchuldigung mit der Unwiſ- ſenheit ſtatt, wenn man ein Geſetze oͤffent- lich bekand gemacht. Denn woferne auch einer in der That nicht erfahren haͤtte, daß das Geſetze gegeben worden; ſo iſt doch die Schuld ſeine, daß es nicht geſchehen,
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Cap. 4. Von den buͤrgerlichen
er entweder groſſen Schaden haben, oder
auch hoͤchſt ungluͤcklich werden kan, wenn
er in die Straffe verfaͤllet, dergleichen er
ſich bey dieſem Verbrechen nimmermehr
vermuthet haͤtte.
§. 416.Und eben deßwegen, weil es un-
moͤglich iſt, daß man nach einem Geſetze
lebe, welches einem unbekand iſt, muͤſſen
Geſetze, die von neuem gegeben werden,
oͤffentlich bekand gemacht werden, welches
geſchiehet, wenn man ſie an oͤffentlichen
Oertern aͤnſchlaͤget, wo ſie jedermann le-
ſen kan, oder in oͤffentlichen Verſammlun-
gen, wo viele zuſammen kommen, ablie-
ſet, oder auch durch den oͤffentlichen Druck
ausbreitet. Und deswegen erlanget auch
kein Befehl des Oberen eher die Krafft ei-
nes Geſetzes, als bis es publiciret, das
iſt, auf eine von denen erwehnten Arten
oͤffentlich bekand gemacht worden. Was
ein anderer wil, kan niemand errathen:
er muß es ſagen. Und was alle wiſſen ſol-
len, muß man nicht nur einigen ſagen,
ſondern allen bekand machen.
§. 417.Hingegen aber findet alsdenn
auch keine Entſchuldigung mit der Unwiſ-
ſenheit ſtatt, wenn man ein Geſetze oͤffent-
lich bekand gemacht. Denn woferne auch
einer in der That nicht erfahren haͤtte, daß
das Geſetze gegeben worden; ſo iſt doch
die Schuld ſeine, daß es nicht geſchehen,
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/444>, abgerufen am 22.11.2024.
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