Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

des gemeinen Wesens.
man einen bestraffen kan, der Jrrthümer
unter andere Leute ausbringet, entweder
indem er sie lehret, oder doch für anderen
ohne Scheu heraussaget. Weil man nun
im gemeinen Wesen nichts bestraffen darf,
als was der gemeinen Wohlfahrt und Si-
cherheit zuwieder ist (§. 357); so darf
man auch niemanden deßwegen bestraf-
fen, daß er Jrrthümer unter andere aus-
bringet, woferne nicht dadurch der gemei-
nen Wohlfahrt und Sicherheit Eintrag
geschiehet. Und solchergestalt ist klar, daß
man einen jederzeit mit gutem Rechte be-
straffen kan, der solche Jrrthümer unter
die Leute bringet, wodurch die gemeine
Wohlfahrt und Sicherheit gestöhret wird.
Hingegen wer seine Jrrthümer vor sich be-
hält, und niemanden damit verführet, den
zu bestraffen findet man keinen zureichen-
den Grund. Wer durch Jrrthümer, die
er heget, sich zu Ubelthaten verleiten lässet,
die man im gemeinen Wesen zu bestraffen
hat; der wird nach diesem um seines Ver-
brechens, nicht um des Jrrthums willen
gestraffet. Jm übrigen siehet man hier-
aus, daß die Ausbreitung eines Jrrthu-
mes mehr zu bestraffen ist, als des andern.
Nemlich was oben überhaupt von der
Grösse der Straffen erwiesen worden (§.
343), kan und muß auch auf gegen-
wärtigen Fall gezogen werden. Weil a-

ber
(Politick) U

des gemeinen Weſens.
man einen beſtraffen kan, der Jrrthuͤmer
unter andere Leute ausbringet, entweder
indem er ſie lehret, oder doch fuͤr anderen
ohne Scheu herausſaget. Weil man nun
im gemeinen Weſen nichts beſtraffen darf,
als was der gemeinen Wohlfahrt und Si-
cherheit zuwieder iſt (§. 357); ſo darf
man auch niemanden deßwegen beſtraf-
fen, daß er Jrrthuͤmer unter andere aus-
bringet, woferne nicht dadurch der gemei-
nen Wohlfahrt und Sicherheit Eintrag
geſchiehet. Und ſolchergeſtalt iſt klar, daß
man einen jederzeit mit gutem Rechte be-
ſtraffen kan, der ſolche Jrrthuͤmer unter
die Leute bringet, wodurch die gemeine
Wohlfahrt und Sicherheit geſtoͤhret wird.
Hingegen wer ſeine Jrrthuͤmer vor ſich be-
haͤlt, und niemanden damit verfuͤhret, den
zu beſtraffen findet man keinen zureichen-
den Grund. Wer durch Jrrthuͤmer, die
er heget, ſich zu Ubelthaten verleiten laͤſſet,
die man im gemeinen Weſen zu beſtraffen
hat; der wird nach dieſem um ſeines Ver-
brechens, nicht um des Jrrthums willen
geſtraffet. Jm uͤbrigen ſiehet man hier-
aus, daß die Ausbreitung eines Jrrthu-
mes mehr zu beſtraffen iſt, als des andern.
Nemlich was oben uͤberhaupt von der
Groͤſſe der Straffen erwieſen worden (§.
343), kan und muß auch auf gegen-
waͤrtigen Fall gezogen werden. Weil a-

ber
(Politick) U
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0323" n="305"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">des gemeinen We&#x017F;ens.</hi></fw><lb/>
man einen be&#x017F;traffen kan, der Jrrthu&#x0364;mer<lb/>
unter andere Leute ausbringet, entweder<lb/>
indem er &#x017F;ie lehret, oder doch fu&#x0364;r anderen<lb/>
ohne Scheu heraus&#x017F;aget. Weil man nun<lb/>
im gemeinen We&#x017F;en nichts be&#x017F;traffen darf,<lb/>
als was der gemeinen Wohlfahrt und Si-<lb/>
cherheit zuwieder i&#x017F;t (§. 357); &#x017F;o darf<lb/>
man auch niemanden deßwegen be&#x017F;traf-<lb/>
fen, daß er Jrrthu&#x0364;mer unter andere aus-<lb/>
bringet, woferne nicht dadurch der gemei-<lb/>
nen Wohlfahrt und Sicherheit Eintrag<lb/>
ge&#x017F;chiehet. Und &#x017F;olcherge&#x017F;talt i&#x017F;t klar, daß<lb/>
man einen jederzeit mit gutem Rechte be-<lb/>
&#x017F;traffen kan, der &#x017F;olche Jrrthu&#x0364;mer unter<lb/>
die Leute bringet, wodurch die gemeine<lb/>
Wohlfahrt und Sicherheit ge&#x017F;to&#x0364;hret wird.<lb/>
Hingegen wer &#x017F;eine Jrrthu&#x0364;mer vor &#x017F;ich be-<lb/>
ha&#x0364;lt, und niemanden damit verfu&#x0364;hret, den<lb/>
zu be&#x017F;traffen findet man keinen zureichen-<lb/>
den Grund. Wer durch Jrrthu&#x0364;mer, die<lb/>
er heget, &#x017F;ich zu Ubelthaten verleiten la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et,<lb/>
die man im gemeinen We&#x017F;en zu be&#x017F;traffen<lb/>
hat; der wird nach die&#x017F;em um &#x017F;eines Ver-<lb/>
brechens, nicht um des Jrrthums willen<lb/>
ge&#x017F;traffet. Jm u&#x0364;brigen &#x017F;iehet man hier-<lb/>
aus, daß die Ausbreitung eines Jrrthu-<lb/>
mes mehr zu be&#x017F;traffen i&#x017F;t, als des andern.<lb/>
Nemlich was oben u&#x0364;berhaupt von der<lb/>
Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e der Straffen erwie&#x017F;en worden (§.<lb/>
343), kan und muß auch auf gegen-<lb/>
wa&#x0364;rtigen Fall gezogen werden. Weil a-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">(<hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Politick</hi></hi>) U</fw><fw place="bottom" type="catch">ber</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[305/0323] des gemeinen Weſens. man einen beſtraffen kan, der Jrrthuͤmer unter andere Leute ausbringet, entweder indem er ſie lehret, oder doch fuͤr anderen ohne Scheu herausſaget. Weil man nun im gemeinen Weſen nichts beſtraffen darf, als was der gemeinen Wohlfahrt und Si- cherheit zuwieder iſt (§. 357); ſo darf man auch niemanden deßwegen beſtraf- fen, daß er Jrrthuͤmer unter andere aus- bringet, woferne nicht dadurch der gemei- nen Wohlfahrt und Sicherheit Eintrag geſchiehet. Und ſolchergeſtalt iſt klar, daß man einen jederzeit mit gutem Rechte be- ſtraffen kan, der ſolche Jrrthuͤmer unter die Leute bringet, wodurch die gemeine Wohlfahrt und Sicherheit geſtoͤhret wird. Hingegen wer ſeine Jrrthuͤmer vor ſich be- haͤlt, und niemanden damit verfuͤhret, den zu beſtraffen findet man keinen zureichen- den Grund. Wer durch Jrrthuͤmer, die er heget, ſich zu Ubelthaten verleiten laͤſſet, die man im gemeinen Weſen zu beſtraffen hat; der wird nach dieſem um ſeines Ver- brechens, nicht um des Jrrthums willen geſtraffet. Jm uͤbrigen ſiehet man hier- aus, daß die Ausbreitung eines Jrrthu- mes mehr zu beſtraffen iſt, als des andern. Nemlich was oben uͤberhaupt von der Groͤſſe der Straffen erwieſen worden (§. 343), kan und muß auch auf gegen- waͤrtigen Fall gezogen werden. Weil a- ber (Politick) U

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/323
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/323>, abgerufen am 08.05.2024.