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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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Cap. 3. Von der Einrichtung
ändern wolten: sondern wenn sie gleich un-
terweilen ihrer Mühe überdrüßig werden,
und sich in einen andern Stand wünschen,
so werden sie doch bald wieder Muth fassen
und nicht zu ändern verlangen, wenn sie be-
dencken, daß sie keinen Vortheil finden kön-
nen. Absonderlich ist hiervor auf Acade-
mien zu sorgen, wo man Leute zu Lehrern
gebraucht, die in Wissenschafften andern
überlegen und sie wohl fürzutragen geschickt
sind (§. 284. 285) und daher leicht nieder-
geschlagen werden, wenn sie bey den vor-
treflichen Gaben, damit sie andern überle-
gen sind, doch nicht so viel Vortheil haben
können, als andere, die ihnen viel nachge-
ben müssen' bey ihren weit austräglicheren
Bedienungen. Am allermeisten aber ist
mit hierauf zu sehen, weil diejenigen, welche
die Wissenschafften durch Lesen und Nach-
dencken in Aufnehmen bringen sollen, ruhi-
ges und vergnügtes Gemüths seyn müssen,
indem Unruhe und Mißvergnügen das
Nachdencken stöhren (§. 417 Met.), und sich
daher in einem solchen Zustande befinden,
wo ihnen wohl ist. Wenn man bey allen
Schulen und Academien dafür sorgete, so
würden nicht allein geschickte Köpffe darauf
ihre Absicht machen, und sich darein lieber
als in andere Bedienungen begeben, son-
dern auch darinne gerne und willig verblei-
den, und sich nicht nach andern umsehen,

auch

Cap. 3. Von der Einrichtung
aͤndern wolten: ſondern wenn ſie gleich un-
terweilen ihrer Muͤhe uͤberdruͤßig werden,
und ſich in einen andern Stand wuͤnſchen,
ſo werden ſie doch bald wieder Muth faſſen
und nicht zu aͤndern verlangen, wenn ſie be-
dencken, daß ſie keinen Vortheil finden koͤn-
nen. Abſonderlich iſt hiervor auf Acade-
mien zu ſorgen, wo man Leute zu Lehrern
gebraucht, die in Wiſſenſchafften andern
uͤberlegen und ſie wohl fuͤrzutragen geſchickt
ſind (§. 284. 285) und daher leicht nieder-
geſchlagen werden, wenn ſie bey den vor-
treflichen Gaben, damit ſie andern uͤberle-
gen ſind, doch nicht ſo viel Vortheil haben
koͤnnen, als andere, die ihnen viel nachge-
ben muͤſſen’ bey ihren weit austraͤglicheren
Bedienungen. Am allermeiſten aber iſt
mit hierauf zu ſehen, weil diejenigen, welche
die Wiſſenſchafften durch Leſen und Nach-
dencken in Aufnehmen bringen ſollen, ruhi-
ges und vergnuͤgtes Gemuͤths ſeyn muͤſſen,
indem Unruhe und Mißvergnuͤgen das
Nachdencken ſtoͤhren (§. 417 Met.), und ſich
daher in einem ſolchen Zuſtande befinden,
wo ihnen wohl iſt. Wenn man bey allen
Schulen und Academien dafuͤr ſorgete, ſo
wuͤrden nicht allein geſchickte Koͤpffe darauf
ihre Abſicht machen, und ſich darein lieber
als in andere Bedienungen begeben, ſon-
dern auch darinne gerne und willig verblei-
den, und ſich nicht nach andern umſehen,

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[212/0230] Cap. 3. Von der Einrichtung aͤndern wolten: ſondern wenn ſie gleich un- terweilen ihrer Muͤhe uͤberdruͤßig werden, und ſich in einen andern Stand wuͤnſchen, ſo werden ſie doch bald wieder Muth faſſen und nicht zu aͤndern verlangen, wenn ſie be- dencken, daß ſie keinen Vortheil finden koͤn- nen. Abſonderlich iſt hiervor auf Acade- mien zu ſorgen, wo man Leute zu Lehrern gebraucht, die in Wiſſenſchafften andern uͤberlegen und ſie wohl fuͤrzutragen geſchickt ſind (§. 284. 285) und daher leicht nieder- geſchlagen werden, wenn ſie bey den vor- treflichen Gaben, damit ſie andern uͤberle- gen ſind, doch nicht ſo viel Vortheil haben koͤnnen, als andere, die ihnen viel nachge- ben muͤſſen’ bey ihren weit austraͤglicheren Bedienungen. Am allermeiſten aber iſt mit hierauf zu ſehen, weil diejenigen, welche die Wiſſenſchafften durch Leſen und Nach- dencken in Aufnehmen bringen ſollen, ruhi- ges und vergnuͤgtes Gemuͤths ſeyn muͤſſen, indem Unruhe und Mißvergnuͤgen das Nachdencken ſtoͤhren (§. 417 Met.), und ſich daher in einem ſolchen Zuſtande befinden, wo ihnen wohl iſt. Wenn man bey allen Schulen und Academien dafuͤr ſorgete, ſo wuͤrden nicht allein geſchickte Koͤpffe darauf ihre Abſicht machen, und ſich darein lieber als in andere Bedienungen begeben, ſon- dern auch darinne gerne und willig verblei- den, und ſich nicht nach andern umſehen, auch

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/230>, abgerufen am 23.04.2024.