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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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Arten des gemeinen Wesens.
führet ist, eine freye Republick zunennen
pfleget. Und also hat man hier nicht zu be-
sorgen, wie in der Monarchie und Aristocra-
tie (§. 259. 261), daß durch Mißbrauch der
Macht der gemeinen Wohlfahrt und Si-
cherheit Eintrag geschehe.

§. 263.

Unterdessen kan Unverstand undUnge-
mach der
Politie.

Hartnäckigkeit eben so grossen Schaden
anrichten, als Mißbrauch der Macht in
andern Regierungs-Formen. Denn da
die meisten unverständig sind, so ist auch
leicht zu erachten, daß solche Fälle kommen
können, in welchen die meisten nicht be-
greiffen, was zur gemeinen Wohlfahrt und
Sicherheit gereichet, absonderlich wenn es
das Ansehen gewinnet, als ob die gemei-
ne Wohlfahrt und Sicherheit dem beson-
deren Interesse zuwieder wäre, oder auch
wohl in der That zuwieder ist, und dan-
nenhero nachgeben muß (§. 218). Sind
sie nun zugleich so geartet, daß sie sich nicht
andere weisen lassen; sondern vielmehr
glauben, sie verstünden es besser, oder doch
wenigstens so gut als andere, ja auch wohl
gar diejenigen, von welchen sie sich sollten
weisen lassen, für verdächtig halten: so
bleiben sie steif und feste auf ihrer Meinung,
und muß dahero das Gute nachbleiben,
was sonst in einer andern Regierungs For-
me seinen Fortgang erreichet hätte. Ha-
ben sie Haß gegen diejenigen, welche besser

als
(Politick) N

Arten des gemeinen Weſens.
fuͤhret iſt, eine freye Republick zunennen
pfleget. Und alſo hat man hier nicht zu be-
ſorgen, wie in der Monarchie und Ariſtocra-
tie (§. 259. 261), daß durch Mißbrauch der
Macht der gemeinen Wohlfahrt und Si-
cherheit Eintrag geſchehe.

§. 263.

Unterdeſſen kan Unverſtand undUnge-
mach der
Politie.

Hartnaͤckigkeit eben ſo groſſen Schaden
anrichten, als Mißbrauch der Macht in
andern Regierungs-Formen. Denn da
die meiſten unverſtaͤndig ſind, ſo iſt auch
leicht zu erachten, daß ſolche Faͤlle kommen
koͤnnen, in welchen die meiſten nicht be-
greiffen, was zur gemeinen Wohlfahrt und
Sicherheit gereichet, abſonderlich wenn es
das Anſehen gewinnet, als ob die gemei-
ne Wohlfahrt und Sicherheit dem beſon-
deren Intereſſe zuwieder waͤre, oder auch
wohl in der That zuwieder iſt, und dan-
nenhero nachgeben muß (§. 218). Sind
ſie nun zugleich ſo geartet, daß ſie ſich nicht
andere weiſen laſſen; ſondern vielmehr
glauben, ſie verſtuͤnden es beſſer, oder doch
wenigſtens ſo gut als andere, ja auch wohl
gar diejenigen, von welchen ſie ſich ſollten
weiſen laſſen, fuͤr verdaͤchtig halten: ſo
bleiben ſie ſteif und feſte auf ihrer Meinung,
und muß dahero das Gute nachbleiben,
was ſonſt in einer andern Regierungs For-
me ſeinen Fortgang erreichet haͤtte. Ha-
ben ſie Haß gegen diejenigen, welche beſſer

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[193/0211] Arten des gemeinen Weſens. fuͤhret iſt, eine freye Republick zunennen pfleget. Und alſo hat man hier nicht zu be- ſorgen, wie in der Monarchie und Ariſtocra- tie (§. 259. 261), daß durch Mißbrauch der Macht der gemeinen Wohlfahrt und Si- cherheit Eintrag geſchehe. §. 263.Unterdeſſen kan Unverſtand und Hartnaͤckigkeit eben ſo groſſen Schaden anrichten, als Mißbrauch der Macht in andern Regierungs-Formen. Denn da die meiſten unverſtaͤndig ſind, ſo iſt auch leicht zu erachten, daß ſolche Faͤlle kommen koͤnnen, in welchen die meiſten nicht be- greiffen, was zur gemeinen Wohlfahrt und Sicherheit gereichet, abſonderlich wenn es das Anſehen gewinnet, als ob die gemei- ne Wohlfahrt und Sicherheit dem beſon- deren Intereſſe zuwieder waͤre, oder auch wohl in der That zuwieder iſt, und dan- nenhero nachgeben muß (§. 218). Sind ſie nun zugleich ſo geartet, daß ſie ſich nicht andere weiſen laſſen; ſondern vielmehr glauben, ſie verſtuͤnden es beſſer, oder doch wenigſtens ſo gut als andere, ja auch wohl gar diejenigen, von welchen ſie ſich ſollten weiſen laſſen, fuͤr verdaͤchtig halten: ſo bleiben ſie ſteif und feſte auf ihrer Meinung, und muß dahero das Gute nachbleiben, was ſonſt in einer andern Regierungs For- me ſeinen Fortgang erreichet haͤtte. Ha- ben ſie Haß gegen diejenigen, welche beſſer als Unge- mach der Politie. (Politick) N

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/211>, abgerufen am 26.04.2024.