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Wolff, Sabattia Joseph: Ausverkauf meiner schriftstellerischen Arbeiten. Berlin, 1824.

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die hochaufbrausende, wie vom wüthendsten Sturm
bewegte See, die einen bei weiten fürchterlich-schö-
neren Anblick noch gewährt, als die brennende Pforte
selbst? Sey unverzagt, ich verspreche dir, dich ohne
allen Schaden wieder zurückzuführen, und ich werde
dir Wort halten. Diese Pforte, die dir brennend
erscheint, ist es nur durch eine ganz eigene Erleuch-
tung, die du bald näher kennen lernen sollst. Hier
gab der Gevatter Tod ein Zeichen mit seiner Rech-
ten, worauf sich die Pforte öffnete, und ein unge-
heuer großer Saal sich zeigte, in welchem eine un-
übersehbare Menge von brennenden Lampen stand.
Nein, so etwas hat noch nie mein Auge gesehen!
rief verwunderungsvoll sein Begleiter aus. Aber
darf ich wohl fragen, mein lieber Herr Gevatter,
wem zu Ehren diese Lampen brennen, oder welche
andere Bedeutung sie vielleicht haben? Denn ich
bemerke, daß manche schon halb, mehrere ganz im
Verlöschen sind, während die übrigen noch hell und
leuchtend brennen.

Der gefällige Herr Gevatter ließ sich auch hierin
bereitwillig finden, und gab folgende Erklärung.

Alle hier brennende Lampen sind nichts mehr
und nichts weniger, als lebende Menschen, das heißt,
jeder lebende Mensch hat hier sein Lämpchen, und
nach dem Brennstoffe, welcher sich in einer oder der
andern befindet, hat der Mensch, dem sie angehört,



die hochaufbrauſende, wie vom wüthendſten Sturm
bewegte See, die einen bei weiten fürchterlich-ſchö-
neren Anblick noch gewährt, als die brennende Pforte
ſelbſt? Sey unverzagt, ich verſpreche dir, dich ohne
allen Schaden wieder zurückzuführen, und ich werde
dir Wort halten. Dieſe Pforte, die dir brennend
erſcheint, iſt es nur durch eine ganz eigene Erleuch-
tung, die du bald näher kennen lernen ſollſt. Hier
gab der Gevatter Tod ein Zeichen mit ſeiner Rech-
ten, worauf ſich die Pforte öffnete, und ein unge-
heuer großer Saal ſich zeigte, in welchem eine un-
überſehbare Menge von brennenden Lampen ſtand.
Nein, ſo etwas hat noch nie mein Auge geſehen!
rief verwunderungsvoll ſein Begleiter aus. Aber
darf ich wohl fragen, mein lieber Herr Gevatter,
wem zu Ehren dieſe Lampen brennen, oder welche
andere Bedeutung ſie vielleicht haben? Denn ich
bemerke, daß manche ſchon halb, mehrere ganz im
Verlöſchen ſind, während die übrigen noch hell und
leuchtend brennen.

Der gefällige Herr Gevatter ließ ſich auch hierin
bereitwillig finden, und gab folgende Erklärung.

Alle hier brennende Lampen ſind nichts mehr
und nichts weniger, als lebende Menſchen, das heißt,
jeder lebende Menſch hat hier ſein Lämpchen, und
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[63/0079] die hochaufbrauſende, wie vom wüthendſten Sturm bewegte See, die einen bei weiten fürchterlich-ſchö- neren Anblick noch gewährt, als die brennende Pforte ſelbſt? Sey unverzagt, ich verſpreche dir, dich ohne allen Schaden wieder zurückzuführen, und ich werde dir Wort halten. Dieſe Pforte, die dir brennend erſcheint, iſt es nur durch eine ganz eigene Erleuch- tung, die du bald näher kennen lernen ſollſt. Hier gab der Gevatter Tod ein Zeichen mit ſeiner Rech- ten, worauf ſich die Pforte öffnete, und ein unge- heuer großer Saal ſich zeigte, in welchem eine un- überſehbare Menge von brennenden Lampen ſtand. Nein, ſo etwas hat noch nie mein Auge geſehen! rief verwunderungsvoll ſein Begleiter aus. Aber darf ich wohl fragen, mein lieber Herr Gevatter, wem zu Ehren dieſe Lampen brennen, oder welche andere Bedeutung ſie vielleicht haben? Denn ich bemerke, daß manche ſchon halb, mehrere ganz im Verlöſchen ſind, während die übrigen noch hell und leuchtend brennen. Der gefällige Herr Gevatter ließ ſich auch hierin bereitwillig finden, und gab folgende Erklärung. Alle hier brennende Lampen ſind nichts mehr und nichts weniger, als lebende Menſchen, das heißt, jeder lebende Menſch hat hier ſein Lämpchen, und nach dem Brennſtoffe, welcher ſich in einer oder der andern befindet, hat der Menſch, dem ſie angehört,

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Zitationshilfe: Wolff, Sabattia Joseph: Ausverkauf meiner schriftstellerischen Arbeiten. Berlin, 1824, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_ausverkauf_1824/79>, abgerufen am 05.05.2024.