Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Sabattia Joseph: Ausverkauf meiner schriftstellerischen Arbeiten. Berlin, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>


"bist, ich gestehe es, ein unwissender Arzt, aber
"kein geschickter Baumeister!"


Etwas zur Ahndungsgeschichte.

John Donne, geboren zu London gegen das Ende
des 16ten Jahrhunderts, war daselbst Dechant an
der St. Pauls Kirche. Unter andern hat er auch
zur Vertheidigung des Selbstmordes geschrieben, den
er unter gewissen Umständen für erlaubt hielt.

Sir Robert Drury hatte einst Donne mit nach
Paris genommen, der seine Frau in andern Umstän-
den in London zurückließ. Jn Paris erschien sie ihm
am hellen Tage, mit sehr traurigem Antlitz und ei-
nem todten Kinde auf dem Arme. Drury, dem
Donne seine Vision erzählte, hielt sie für bloße Ein-
bildung, schickte aber doch, um seinen Freund zu be-
ruhigen, einen Bedienten nach London, der in 12 Ta-
gen mit der Antwort zurückkam, daß Donne's Frau
an eben dem Tage und in eben der Stunde, wo
Donne die Erscheinung gehabt hatte, von einem
todten Kinde entbunden sey, und sie selbst sich noch
sehr schwach befinde.


Peter Bembo, der in der Mitte des 16ten Jahr-
hunderts als Kardinal starb, führte, ehe er in den


»biſt, ich geſtehe es, ein unwiſſender Arzt, aber
»kein geſchickter Baumeiſter!«


Etwas zur Ahndungsgeſchichte.

John Donne, geboren zu London gegen das Ende
des 16ten Jahrhunderts, war daſelbſt Dechant an
der St. Pauls Kirche. Unter andern hat er auch
zur Vertheidigung des Selbſtmordes geſchrieben, den
er unter gewiſſen Umſtänden für erlaubt hielt.

Sir Robert Drury hatte einſt Donne mit nach
Paris genommen, der ſeine Frau in andern Umſtän-
den in London zurückließ. Jn Paris erſchien ſie ihm
am hellen Tage, mit ſehr traurigem Antlitz und ei-
nem todten Kinde auf dem Arme. Drury, dem
Donne ſeine Viſion erzählte, hielt ſie für bloße Ein-
bildung, ſchickte aber doch, um ſeinen Freund zu be-
ruhigen, einen Bedienten nach London, der in 12 Ta-
gen mit der Antwort zurückkam, daß Donne’s Frau
an eben dem Tage und in eben der Stunde, wo
Donne die Erſcheinung gehabt hatte, von einem
todten Kinde entbunden ſey, und ſie ſelbſt ſich noch
ſehr ſchwach befinde.


Peter Bembo, der in der Mitte des 16ten Jahr-
hunderts als Kardinal ſtarb, führte, ehe er in den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p> <hi rendition="#et"><pb facs="#f0122" n="106"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
»bi&#x017F;t, ich ge&#x017F;tehe es, ein unwi&#x017F;&#x017F;ender Arzt, aber<lb/>
»kein ge&#x017F;chickter Baumei&#x017F;ter!«</hi> </p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Etwas zur Ahndungsge&#x017F;chichte.</hi> </head><lb/>
          <p>John Donne, geboren zu London gegen das Ende<lb/>
des 16ten Jahrhunderts, war da&#x017F;elb&#x017F;t Dechant an<lb/>
der St. Pauls Kirche. Unter andern hat er auch<lb/>
zur Vertheidigung des Selb&#x017F;tmordes ge&#x017F;chrieben, den<lb/>
er unter gewi&#x017F;&#x017F;en Um&#x017F;tänden für erlaubt hielt.</p><lb/>
          <p>Sir Robert Drury hatte ein&#x017F;t Donne mit nach<lb/>
Paris genommen, der &#x017F;eine Frau in andern Um&#x017F;tän-<lb/>
den in London zurückließ. Jn Paris er&#x017F;chien &#x017F;ie ihm<lb/>
am hellen Tage, mit &#x017F;ehr traurigem Antlitz und ei-<lb/>
nem todten Kinde auf dem Arme. Drury, dem<lb/>
Donne &#x017F;eine Vi&#x017F;ion erzählte, hielt &#x017F;ie für bloße Ein-<lb/>
bildung, &#x017F;chickte aber doch, um &#x017F;einen Freund zu be-<lb/>
ruhigen, einen Bedienten nach London, der in 12 Ta-<lb/>
gen mit der Antwort zurückkam, daß Donne&#x2019;s Frau<lb/>
an eben dem Tage und in eben der Stunde, wo<lb/>
Donne die Er&#x017F;cheinung gehabt hatte, von einem<lb/>
todten Kinde entbunden &#x017F;ey, und &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ich noch<lb/>
&#x017F;ehr &#x017F;chwach befinde.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Peter Bembo, der in der Mitte des 16ten Jahr-<lb/>
hunderts als Kardinal &#x017F;tarb, führte, ehe er in den<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[106/0122] »biſt, ich geſtehe es, ein unwiſſender Arzt, aber »kein geſchickter Baumeiſter!« Etwas zur Ahndungsgeſchichte. John Donne, geboren zu London gegen das Ende des 16ten Jahrhunderts, war daſelbſt Dechant an der St. Pauls Kirche. Unter andern hat er auch zur Vertheidigung des Selbſtmordes geſchrieben, den er unter gewiſſen Umſtänden für erlaubt hielt. Sir Robert Drury hatte einſt Donne mit nach Paris genommen, der ſeine Frau in andern Umſtän- den in London zurückließ. Jn Paris erſchien ſie ihm am hellen Tage, mit ſehr traurigem Antlitz und ei- nem todten Kinde auf dem Arme. Drury, dem Donne ſeine Viſion erzählte, hielt ſie für bloße Ein- bildung, ſchickte aber doch, um ſeinen Freund zu be- ruhigen, einen Bedienten nach London, der in 12 Ta- gen mit der Antwort zurückkam, daß Donne’s Frau an eben dem Tage und in eben der Stunde, wo Donne die Erſcheinung gehabt hatte, von einem todten Kinde entbunden ſey, und ſie ſelbſt ſich noch ſehr ſchwach befinde. Peter Bembo, der in der Mitte des 16ten Jahr- hunderts als Kardinal ſtarb, führte, ehe er in den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_ausverkauf_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_ausverkauf_1824/122
Zitationshilfe: Wolff, Sabattia Joseph: Ausverkauf meiner schriftstellerischen Arbeiten. Berlin, 1824, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_ausverkauf_1824/122>, abgerufen am 04.05.2024.