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Wolff, Sabattia Joseph: Ausverkauf meiner schriftstellerischen Arbeiten. Berlin, 1824.

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wohl der Mühe werth sey, den lieben Gott zu bit-
ten, einen Reichen sterben zu lassen?



Bei der Beerdigung eines Reichen, der in seinem
Leben den Armen kaum die Brosamen von seiner
Tafel vergönnt hatte, hörte man einen Witzling sa-
gen: man dürfe nicht befürchten, daß dieser Todte
scheintod sey und lebendig begraben werde, denn
wäre auch nur ein Fünkchen Leben in ihm, so würde
er gewiß nicht zulassen, das liebe Geld in Almosen
zu verschwenden.



Wer der Erfinder des Schachspiels auch gewesen
seyn mag, ein galanter Mann war er gewiß. Wel-
chen Spielraum hat er der Dame in ihren Gängen
nicht eingeräumt, welche Freiheit ward ihr nicht be-
schieden! So scherzte eine Schöne, mit dem Zusatze:
wie wenige von unsern Männern sind wohl so ga-
lant! Nicht zufrieden damit, unsere Gänge zu be-
schränken, möchten sie sie wohl gar jedes Mahl im
voraus wissen. -- Mein Kind, erwiederte der weise
Mann der scherzenden schönen Frau, wenn alle
Männer vor Nebengängen so sicher wären, als es
der Erfinder war, oder wenn unsere Damen aus
derselben Masse, wie jene, verfertigt wären, könnte
und würde man ohne Zweifel eben so galant seyn.



wohl der Mühe werth ſey, den lieben Gott zu bit-
ten, einen Reichen ſterben zu laſſen?



Bei der Beerdigung eines Reichen, der in ſeinem
Leben den Armen kaum die Broſamen von ſeiner
Tafel vergönnt hatte, hörte man einen Witzling ſa-
gen: man dürfe nicht befürchten, daß dieſer Todte
ſcheintod ſey und lebendig begraben werde, denn
wäre auch nur ein Fünkchen Leben in ihm, ſo würde
er gewiß nicht zulaſſen, das liebe Geld in Almoſen
zu verſchwenden.



Wer der Erfinder des Schachſpiels auch geweſen
ſeyn mag, ein galanter Mann war er gewiß. Wel-
chen Spielraum hat er der Dame in ihren Gängen
nicht eingeräumt, welche Freiheit ward ihr nicht be-
ſchieden! So ſcherzte eine Schöne, mit dem Zuſatze:
wie wenige von unſern Männern ſind wohl ſo ga-
lant! Nicht zufrieden damit, unſere Gänge zu be-
ſchränken, möchten ſie ſie wohl gar jedes Mahl im
voraus wiſſen. — Mein Kind, erwiederte der weiſe
Mann der ſcherzenden ſchönen Frau, wenn alle
Männer vor Nebengängen ſo ſicher wären, als es
der Erfinder war, oder wenn unſere Damen aus
derſelben Maſſe, wie jene, verfertigt wären, könnte
und würde man ohne Zweifel eben ſo galant ſeyn.

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[84/0100] wohl der Mühe werth ſey, den lieben Gott zu bit- ten, einen Reichen ſterben zu laſſen? Bei der Beerdigung eines Reichen, der in ſeinem Leben den Armen kaum die Broſamen von ſeiner Tafel vergönnt hatte, hörte man einen Witzling ſa- gen: man dürfe nicht befürchten, daß dieſer Todte ſcheintod ſey und lebendig begraben werde, denn wäre auch nur ein Fünkchen Leben in ihm, ſo würde er gewiß nicht zulaſſen, das liebe Geld in Almoſen zu verſchwenden. Wer der Erfinder des Schachſpiels auch geweſen ſeyn mag, ein galanter Mann war er gewiß. Wel- chen Spielraum hat er der Dame in ihren Gängen nicht eingeräumt, welche Freiheit ward ihr nicht be- ſchieden! So ſcherzte eine Schöne, mit dem Zuſatze: wie wenige von unſern Männern ſind wohl ſo ga- lant! Nicht zufrieden damit, unſere Gänge zu be- ſchränken, möchten ſie ſie wohl gar jedes Mahl im voraus wiſſen. — Mein Kind, erwiederte der weiſe Mann der ſcherzenden ſchönen Frau, wenn alle Männer vor Nebengängen ſo ſicher wären, als es der Erfinder war, oder wenn unſere Damen aus derſelben Maſſe, wie jene, verfertigt wären, könnte und würde man ohne Zweifel eben ſo galant ſeyn.

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Zitationshilfe: Wolff, Sabattia Joseph: Ausverkauf meiner schriftstellerischen Arbeiten. Berlin, 1824, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_ausverkauf_1824/100>, abgerufen am 05.05.2024.