Wolff, Christian von: Der Anfangs-Gründe Aller Mathematischen Wissenschafften. Bd. 1. Halle (Saale), 1710.Vorrede. der Welt nicht aus Unwissenheit/ sondern mit Ver-stande in seinen herrlichen Wercken bewundern/ und die Creatur so wol sich als anderen zu seinem Dienste nach dem Befehle des HErrn unterthä- nig machen kan; der wird durch Hülffe der Mathe- matick in kurtzem in dieser Arbeit weiter kommen/ als er jemals möglich zu seyn erachtet hätte/ hin- gegen ohne ihren Beystand nur immer anfangen und nichts vollenden/ ja wenn er es weit bringet/ den Schatten für das Wesen halten/ ich will sagen/ mit leeren Wörtern der Kräffte/ Seelen und Geister sich und andere unverständige bethören/ folgends so wol von einer deutlichen Erkäntnis der Macht und Weisheit GOttes/ als von der Herrschafft über die Creatur weit entfernet bleiben. Zeit und Ort wollen es nicht leiden/ daß ich solches aus der Beschaffenheit der natürlichen Dinge erweisen kan. Derowegen will ich dieses bis zu anderer Gelegenheit verspahren; und begnüge mich jetzt das Zeugnis des berühmten Boyle anzuführen/ welcherin der Experi- mental-Philosophie und Chymie mehr gethan als andere/ u. mehr darauff verwendet/ als viele mitein- ander selten verwenden werden. Er schreibet aber in seinen Considerationibus circa utilitatem Philo- sophiae naturalis experimentalis Exercitat. 6. §. 2. p. m. 483. also: Unerachtet ich mich vor diesem bemühet Keplers u. anderer neueren Astrono- morum ungereimte Meinung zu behaupten/ daß die Mathematick einen gar nicht geschickter mache/ die Erkäntnis der natürl. Dinge leich- ter zu erlangen; so muß ich doch auffrichtig ge- ste- )( 5
Vorrede. der Welt nicht aus Unwiſſenheit/ ſondern mit Ver-ſtande in ſeinen herrlichen Wercken bewundern/ und die Creatur ſo wol ſich als anderen zu ſeinem Dienſte nach dem Befehle des HErrn unterthaͤ- nig machen kan; der wird durch Huͤlffe der Mathe- matick in kurtzem in dieſer Arbeit weiter kommen/ als er jemals moͤglich zu ſeyn erachtet haͤtte/ hin- gegen ohne ihren Beyſtand nur immer anfangen und nichts vollenden/ ja wenn er es weit bringet/ den Schatten fuͤr das Weſen halten/ ich will ſagen/ mit leeren Woͤrtern der Kraͤffte/ Seelen und Geiſter ſich und andere unverſtaͤndige bethoͤren/ folgends ſo wol von einer deutlichen Erkaͤntnis der Macht und Weisheit GOttes/ als von der Herrſchafft uͤber die Creatur weit entfernet bleiben. Zeit und Ort wollen es nicht leiden/ daß ich ſolches aus der Beſchaffenheit der natuͤrlichen Dinge erweiſen kan. Derowegẽ will ich dieſes bis zu andeꝛer Gelegenheit verſpahren; und begnuͤge mich jetzt das Zeugnis des beruͤhmten Boyle anzufuͤhren/ welcherin der Experi- mental-Philoſophie und Chymie mehr gethan als andere/ u. mehr darauff verwendet/ als viele mitein- ander ſelten verwenden werden. Er ſchreibet aber in ſeinẽ Conſiderationibus circa utilitatem Philo- ſophiæ naturalis experimentalis Exercitat. 6. §. 2. p. m. 483. alſo: Unerachtet ich mich vor dieſem bemuͤhet Keplers u. anderer neueren Aſtrono- morum ungereimte Meinung zu behaupten/ daß die Mathematick einẽ gaꝛ nicht geſchickter mache/ die Erkaͤntnis der natuͤrl. Dinge leich- ter zu erlangen; ſo muß ich doch auffrichtig ge- ſte- )( 5
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Vorrede.
der Welt nicht aus Unwiſſenheit/ ſondern mit Ver-
ſtande in ſeinen herrlichen Wercken bewundern/
und die Creatur ſo wol ſich als anderen zu ſeinem
Dienſte nach dem Befehle des HErrn unterthaͤ-
nig machen kan; der wird durch Huͤlffe der Mathe-
matick in kurtzem in dieſer Arbeit weiter kommen/
als er jemals moͤglich zu ſeyn erachtet haͤtte/ hin-
gegen ohne ihren Beyſtand nur immer anfangen
und nichts vollenden/ ja wenn er es weit bringet/ den
Schatten fuͤr das Weſen halten/ ich will ſagen/ mit
leeren Woͤrtern der Kraͤffte/ Seelen und Geiſter
ſich und andere unverſtaͤndige bethoͤren/ folgends
ſo wol von einer deutlichen Erkaͤntnis der Macht
und Weisheit GOttes/ als von der Herrſchafft
uͤber die Creatur weit entfernet bleiben. Zeit und
Ort wollen es nicht leiden/ daß ich ſolches aus der
Beſchaffenheit der natuͤrlichen Dinge erweiſen kan.
Derowegẽ will ich dieſes bis zu andeꝛer Gelegenheit
verſpahren; und begnuͤge mich jetzt das Zeugnis des
beruͤhmten Boyle anzufuͤhren/ welcherin der Experi-
mental-Philoſophie und Chymie mehr gethan als
andere/ u. mehr darauff verwendet/ als viele mitein-
ander ſelten verwenden werden. Er ſchreibet aber in
ſeinẽ Conſiderationibus circa utilitatem Philo-
ſophiæ naturalis experimentalis Exercitat. 6. §.
2. p. m. 483. alſo: Unerachtet ich mich vor dieſem
bemuͤhet Keplers u. anderer neueren Aſtrono-
morum ungereimte Meinung zu behaupten/
daß die Mathematick einẽ gaꝛ nicht geſchickter
mache/ die Erkaͤntnis der natuͤrl. Dinge leich-
ter zu erlangen; ſo muß ich doch auffrichtig ge-
ſte-
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