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Wolf, August: Der Stern der Schönheit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 303–322. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Mir traten die Thränen in die Augen, und als ich weiter fragte, ob er es mir nicht wieder besorgen könne, sagte er flüchtig, er werde sehen. Oft hab' ich ihn noch um das Buch gebeten, auf alle Arten; ich glaubte, ich müsse es am Ende erlangen; als er aber immer bestimmt dabei blieb, es sei jetzt unmöglich, so mußte ich zuletzt meine vergeblichen Versuche einstellen. Aber wie oft, wenn ich bei der Tante war, hielt ich mich vor der Thüre jenes Zimmers auf, um ja nicht die Gelegenheit zu versäumen, wenn Jemand hineinginge, mit hineinzugehen. Und wenn es mir gelang, so stand ich in der Nähe jenes braunen Schranks. Ich fing die Tante an zu bitten, sie möchte ihn mir einmal aufschließen. Nach langen und vielen Anstrengungen brachte ich sie dazu, sie reichte mir auch sogar auf mein leidenschaftliches Flehen die Bücher herunter, die da oben lagen. Es waren nicht mehr so viel, wie damals, als der Onkel darin suchte, das sah ich wohl. Ich machte sie alle auf, aber mein Stern der Schönheit fand sich nicht darunter. Ich nahm zwar ein anderes; aber was war das? Was konnte das sein? Lieber Gott, gar nicht zu erwähnen, das Mädchen von Sevilla hieß es. Was war das gegen den Stern der Schönheit!

Es war also gewiß, ich konnte ihn jetzt nicht erlangen. Aber die Sehnsucht war zu mächtig, ja selbst die Sicherheit, ihn zu erhalten, in meinem Innern zu stark gewesen, meine Phantasie, mein ganzes Wesen war zu tief aufgeregt; in einem gewissen Trotz gegen das

Mir traten die Thränen in die Augen, und als ich weiter fragte, ob er es mir nicht wieder besorgen könne, sagte er flüchtig, er werde sehen. Oft hab' ich ihn noch um das Buch gebeten, auf alle Arten; ich glaubte, ich müsse es am Ende erlangen; als er aber immer bestimmt dabei blieb, es sei jetzt unmöglich, so mußte ich zuletzt meine vergeblichen Versuche einstellen. Aber wie oft, wenn ich bei der Tante war, hielt ich mich vor der Thüre jenes Zimmers auf, um ja nicht die Gelegenheit zu versäumen, wenn Jemand hineinginge, mit hineinzugehen. Und wenn es mir gelang, so stand ich in der Nähe jenes braunen Schranks. Ich fing die Tante an zu bitten, sie möchte ihn mir einmal aufschließen. Nach langen und vielen Anstrengungen brachte ich sie dazu, sie reichte mir auch sogar auf mein leidenschaftliches Flehen die Bücher herunter, die da oben lagen. Es waren nicht mehr so viel, wie damals, als der Onkel darin suchte, das sah ich wohl. Ich machte sie alle auf, aber mein Stern der Schönheit fand sich nicht darunter. Ich nahm zwar ein anderes; aber was war das? Was konnte das sein? Lieber Gott, gar nicht zu erwähnen, das Mädchen von Sevilla hieß es. Was war das gegen den Stern der Schönheit!

Es war also gewiß, ich konnte ihn jetzt nicht erlangen. Aber die Sehnsucht war zu mächtig, ja selbst die Sicherheit, ihn zu erhalten, in meinem Innern zu stark gewesen, meine Phantasie, mein ganzes Wesen war zu tief aufgeregt; in einem gewissen Trotz gegen das

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[0019] Mir traten die Thränen in die Augen, und als ich weiter fragte, ob er es mir nicht wieder besorgen könne, sagte er flüchtig, er werde sehen. Oft hab' ich ihn noch um das Buch gebeten, auf alle Arten; ich glaubte, ich müsse es am Ende erlangen; als er aber immer bestimmt dabei blieb, es sei jetzt unmöglich, so mußte ich zuletzt meine vergeblichen Versuche einstellen. Aber wie oft, wenn ich bei der Tante war, hielt ich mich vor der Thüre jenes Zimmers auf, um ja nicht die Gelegenheit zu versäumen, wenn Jemand hineinginge, mit hineinzugehen. Und wenn es mir gelang, so stand ich in der Nähe jenes braunen Schranks. Ich fing die Tante an zu bitten, sie möchte ihn mir einmal aufschließen. Nach langen und vielen Anstrengungen brachte ich sie dazu, sie reichte mir auch sogar auf mein leidenschaftliches Flehen die Bücher herunter, die da oben lagen. Es waren nicht mehr so viel, wie damals, als der Onkel darin suchte, das sah ich wohl. Ich machte sie alle auf, aber mein Stern der Schönheit fand sich nicht darunter. Ich nahm zwar ein anderes; aber was war das? Was konnte das sein? Lieber Gott, gar nicht zu erwähnen, das Mädchen von Sevilla hieß es. Was war das gegen den Stern der Schönheit! Es war also gewiß, ich konnte ihn jetzt nicht erlangen. Aber die Sehnsucht war zu mächtig, ja selbst die Sicherheit, ihn zu erhalten, in meinem Innern zu stark gewesen, meine Phantasie, mein ganzes Wesen war zu tief aufgeregt; in einem gewissen Trotz gegen das

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:44:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:44:15Z)

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Zitationshilfe: Wolf, August: Der Stern der Schönheit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 303–322. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolf_schoenheit_1910/19>, abgerufen am 27.11.2024.