seiner Thüre erblicket, so freuet er sich eben so sehr darüber als der Eroberer von Mexiko über seine erbeuteten Goldklumpen. Er wendet al- les daran, um sich davon eine grosse Menge zu verschaffen, und ungern siehet er den geringsten Verlust desselben, weil er alsdenn eine augen- scheinliche Verringerung seiner Erndten gewahr wird. Die bisherige Viehhütung aber raubt ihm noch mehr als die Hälfte von diesem sei- nem kostbaren Schatze. Denn gerade ein halbes Jahr bleiben Pferde und Rindvieh an manchen Orten Tag und Nacht auf die Weide, und verzetteln den Mist. Ein halbes Jahr hindurch entbehret er also den Vortheil der Aufsammlung des Düngers, welcher zu dieser Zeit von denen saftigen Kräutern und dem Grase, weit kräftiger für den Acker ist, als derjenige den er im Winter erhält, wenn er sein Vieh mit dürrem Stroh füttert. Er hat also in diesem Fall, blos die Hälfte des Nutzens von seinem Viehstand, und es ist eben so viel als wenn er nur zehn Stück Vieh hielte, statt der zwanzig die ihm zugehören. Folglich kann er -- welcher Schaden für ihn! -- auch nur die Hälfte so viel Acker bedüngen, als er be- düngen würde, ginge dieser Sommerdünger nicht verlohren. Dank sei es dem Erfinder der künstlichen Wiesen, daß wir unser Vieh nicht nach Futter herumtreiben dürfen, sondern
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ſeiner Thuͤre erblicket, ſo freuet er ſich eben ſo ſehr daruͤber als der Eroberer von Mexiko uͤber ſeine erbeuteten Goldklumpen. Er wendet al- les daran, um ſich davon eine groſſe Menge zu verſchaffen, und ungern ſiehet er den geringſten Verluſt deſſelben, weil er alsdenn eine augen- ſcheinliche Verringerung ſeiner Erndten gewahr wird. Die bisherige Viehhuͤtung aber raubt ihm noch mehr als die Haͤlfte von dieſem ſei- nem koſtbaren Schatze. Denn gerade ein halbes Jahr bleiben Pferde und Rindvieh an manchen Orten Tag und Nacht auf die Weide, und verzetteln den Miſt. Ein halbes Jahr hindurch entbehret er alſo den Vortheil der Aufſammlung des Duͤngers, welcher zu dieſer Zeit von denen ſaftigen Kraͤutern und dem Graſe, weit kraͤftiger fuͤr den Acker iſt, als derjenige den er im Winter erhaͤlt, wenn er ſein Vieh mit duͤrrem Stroh fuͤttert. Er hat alſo in dieſem Fall, blos die Haͤlfte des Nutzens von ſeinem Viehſtand, und es iſt eben ſo viel als wenn er nur zehn Stuͤck Vieh hielte, ſtatt der zwanzig die ihm zugehoͤren. Folglich kann er — welcher Schaden fuͤr ihn! — auch nur die Haͤlfte ſo viel Acker beduͤngen, als er be- duͤngen wuͤrde, ginge dieſer Sommerduͤnger nicht verlohren. Dank ſei es dem Erfinder der kuͤnſtlichen Wieſen, daß wir unſer Vieh nicht nach Futter herumtreiben duͤrfen, ſondern
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ſeiner Thuͤre erblicket, ſo freuet er ſich eben ſo
ſehr daruͤber als der Eroberer von Mexiko uͤber
ſeine erbeuteten Goldklumpen. Er wendet al-
les daran, um ſich davon eine groſſe Menge zu
verſchaffen, und ungern ſiehet er den geringſten
Verluſt deſſelben, weil er alsdenn eine augen-
ſcheinliche Verringerung ſeiner Erndten gewahr
wird. Die bisherige Viehhuͤtung aber raubt
ihm noch mehr als die Haͤlfte von dieſem ſei-
nem koſtbaren Schatze. Denn gerade ein
halbes Jahr bleiben Pferde und Rindvieh
an manchen Orten Tag und Nacht auf die
Weide, und verzetteln den Miſt. Ein halbes
Jahr hindurch entbehret er alſo den Vortheil
der Aufſammlung des Duͤngers, welcher zu
dieſer Zeit von denen ſaftigen Kraͤutern und
dem Graſe, weit kraͤftiger fuͤr den Acker iſt, als
derjenige den er im Winter erhaͤlt, wenn er
ſein Vieh mit duͤrrem Stroh fuͤttert. Er hat
alſo in dieſem Fall, blos die Haͤlfte des Nutzens
von ſeinem Viehſtand, und es iſt eben ſo viel
als wenn er nur zehn Stuͤck Vieh hielte, ſtatt
der zwanzig die ihm zugehoͤren. Folglich kann
er — welcher Schaden fuͤr ihn! — auch nur
die Haͤlfte ſo viel Acker beduͤngen, als er be-
duͤngen wuͤrde, ginge dieſer Sommerduͤnger
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Wöllner, Johann Christoph von: Die Aufhebung der Gemeinheiten in der Marck Brandenburg. Berlin, 1766, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/woellner_aufhebung_1766/53>, abgerufen am 22.07.2024.
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