schwer es sei, Hirten und Vieh in Ordnung zu halten, und von denen jungen Schlägen und Schonungen zu entfernen. Der Hirte glaubt seine Würde nicht mit Anstand zu bekleiden, wofern er nicht im Sommer heimlich seine Heerde in das frische Graß der Schonung treibt; und das im Herbst, der Gewohnheit nach ohne Hirten herumlaufende Vieh, suchet gemeiniglich die Hölzschläge auf und nähret sich von denen jungen Schößlingen, deren weiches Laub ihm besser schmeckt als das bereits alt ge- wordene und halb verfaulte Graß. Jm Win- ter und im Anfang des Frühlings, schleichet alsdenn noch der treulose Schäfer hinein, lässet die Knospen des jungen Holzes benagen und schwöret hernach für die Unschuld seiner Häm- mel. Auf diese Weise aber leidet der Holzan- bau zu jeder Jahreszeit. Dürfen wir uns also über den elenden Anblick unserer Schonungen, Schläge, Eichelkämpe, Anflug, Ansäungen und Anpflanzungen verwundern? Dürfen wir uns wundern, wenn wir solche öde, leere Plätze in unsere Waldungen antreffen, solche Holz- blössen die oft unabsehlich sind? Forstverstän- dige wissen, wie groß der Schaden ist, den eine Anzahl Vieh schon in wenigen Stunden an- richten kann, und wie das einmahl verbissene Holz auf immer seines geraden Wuchses und gesunden Stammes beraubt bleibet. Jch über-
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ſchwer es ſei, Hirten und Vieh in Ordnung zu halten, und von denen jungen Schlaͤgen und Schonungen zu entfernen. Der Hirte glaubt ſeine Wuͤrde nicht mit Anſtand zu bekleiden, wofern er nicht im Sommer heimlich ſeine Heerde in das friſche Graß der Schonung treibt; und das im Herbſt, der Gewohnheit nach ohne Hirten herumlaufende Vieh, ſuchet gemeiniglich die Hoͤlzſchlaͤge auf und naͤhret ſich von denen jungen Schoͤßlingen, deren weiches Laub ihm beſſer ſchmeckt als das bereits alt ge- wordene und halb verfaulte Graß. Jm Win- ter und im Anfang des Fruͤhlings, ſchleichet alsdenn noch der treuloſe Schaͤfer hinein, laͤſſet die Knoſpen des jungen Holzes benagen und ſchwoͤret hernach fuͤr die Unſchuld ſeiner Haͤm- mel. Auf dieſe Weiſe aber leidet der Holzan- bau zu jeder Jahreszeit. Duͤrfen wir uns alſo uͤber den elenden Anblick unſerer Schonungen, Schlaͤge, Eichelkaͤmpe, Anflug, Anſaͤungen und Anpflanzungen verwundern? Duͤrfen wir uns wundern, wenn wir ſolche oͤde, leere Plaͤtze in unſere Waldungen antreffen, ſolche Holz- bloͤſſen die oft unabſehlich ſind? Forſtverſtaͤn- dige wiſſen, wie groß der Schaden iſt, den eine Anzahl Vieh ſchon in wenigen Stunden an- richten kann, und wie das einmahl verbiſſene Holz auf immer ſeines geraden Wuchſes und geſunden Stammes beraubt bleibet. Jch uͤber-
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ſchwer es ſei, Hirten und Vieh in Ordnung
zu halten, und von denen jungen Schlaͤgen und
Schonungen zu entfernen. Der Hirte glaubt
ſeine Wuͤrde nicht mit Anſtand zu bekleiden,
wofern er nicht im Sommer heimlich ſeine
Heerde in das friſche Graß der Schonung
treibt; und das im Herbſt, der Gewohnheit
nach ohne Hirten herumlaufende Vieh, ſuchet
gemeiniglich die Hoͤlzſchlaͤge auf und naͤhret ſich
von denen jungen Schoͤßlingen, deren weiches
Laub ihm beſſer ſchmeckt als das bereits alt ge-
wordene und halb verfaulte Graß. Jm Win-
ter und im Anfang des Fruͤhlings, ſchleichet
alsdenn noch der treuloſe Schaͤfer hinein, laͤſſet
die Knoſpen des jungen Holzes benagen und
ſchwoͤret hernach fuͤr die Unſchuld ſeiner Haͤm-
mel. Auf dieſe Weiſe aber leidet der Holzan-
bau zu jeder Jahreszeit. Duͤrfen wir uns alſo
uͤber den elenden Anblick unſerer Schonungen,
Schlaͤge, Eichelkaͤmpe, Anflug, Anſaͤungen
und Anpflanzungen verwundern? Duͤrfen wir
uns wundern, wenn wir ſolche oͤde, leere Plaͤtze
in unſere Waldungen antreffen, ſolche Holz-
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dige wiſſen, wie groß der Schaden iſt, den eine
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Wöllner, Johann Christoph von: Die Aufhebung der Gemeinheiten in der Marck Brandenburg. Berlin, 1766, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/woellner_aufhebung_1766/37>, abgerufen am 16.07.2024.
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