Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite
II Theil. Von der Griechischen Kunst
E.
Unter dem
Claudius.

Was Claudius für ein Kenner gewesen, zeigen die Köpfe des Augu-
stus, welche er anstatt der ausgeschnittenen Köpfe Alexanders des Großen,
in zwey Gemälde setzen ließ 1). Er suchte ein Beschützer der Gelehrten zu
heißen, und erweiterte in dieser Absicht das Museum, oder die Wohnung
der Gelehrten, zu Alexandria 2). Seine Ehrbegierde bestand in dem Ruh-
me, ein anderer Cadmus zu heißen, durch Erfindung neuer Buchstaben,
und er brachte das umgekehrte in Gebrauch. Das schöne Brustbild die-
ses Kaisers, welches alle Fratocchie gefunden wurde 3), kam durch den
Cardinal Girolamo Colonna nach Spanien. Als Madrid von der Oe-
sterreichischen Parthey eingenommen wurde, suchte Lord Galloway dassel-
be, und er erfuhr, daß es im Escurial war, wo es als das größte Gewicht
der Kirchenuhr angehänget gefunden wurde: er führete es also mit sich
nach Engeland.

F.
Unter dem
Nero.

Nero bezeugete gegen alles, was die schönen Künste angeht, eine aus-
gelassene Begierde; allein er war wie der Geiz, welcher nur zu sammeln,
a.
Umstände von
Griechenland.
nicht hervorzubringen suchet, und von seinem übeln Geschmacke kann eine
Statue Alexanders des Großen, von der Hand des Lysippus, zeugen, wel-
che er vergolden ließ 4): von derselben wurde das Gold wiederum abgenom-
men, weil sie viel dadurch verlohren hatte. Es gehören auch seine gereim-
ten Verse hierher 5). Es scheint, daß die guten Künstler immer seltener
geworden, weil Nero den Zenodorus, aus Gallien, wo er eine Statue
des Mercurius gemachet hatte, nach Rom kommen ließ, seine Colossali-
sche Statue in Erzt zu arbeiten 6). Jn Griechenland waren die Umstände
für die Künste wenig vortheilhaft: denn obgleich Nero die Griechen, so
viel ihm möglich war, ihre vorige Freyheit suchte genießen zu lassen, so

wütete
1) Plin. L. 35. c. 36.
2) Athen. Deipn. L. 6.
3) Montfauc. Ant. expl. T. 5. pl. 129.
4) Plin. L. 34. c. 19. §. 6.
5) Pers. Sat. I. v. 93-95.
6) Plin. L. 34. c. 18.
II Theil. Von der Griechiſchen Kunſt
E.
Unter dem
Claudius.

Was Claudius fuͤr ein Kenner geweſen, zeigen die Koͤpfe des Augu-
ſtus, welche er anſtatt der ausgeſchnittenen Koͤpfe Alexanders des Großen,
in zwey Gemaͤlde ſetzen ließ 1). Er ſuchte ein Beſchuͤtzer der Gelehrten zu
heißen, und erweiterte in dieſer Abſicht das Muſeum, oder die Wohnung
der Gelehrten, zu Alexandria 2). Seine Ehrbegierde beſtand in dem Ruh-
me, ein anderer Cadmus zu heißen, durch Erfindung neuer Buchſtaben,
und er brachte das umgekehrte Ⅎ in Gebrauch. Das ſchoͤne Bruſtbild die-
ſes Kaiſers, welches alle Fratocchie gefunden wurde 3), kam durch den
Cardinal Girolamo Colonna nach Spanien. Als Madrid von der Oe-
ſterreichiſchen Parthey eingenommen wurde, ſuchte Lord Galloway daſſel-
be, und er erfuhr, daß es im Eſcurial war, wo es als das groͤßte Gewicht
der Kirchenuhr angehaͤnget gefunden wurde: er fuͤhrete es alſo mit ſich
nach Engeland.

F.
Unter dem
Nero.

Nero bezeugete gegen alles, was die ſchoͤnen Kuͤnſte angeht, eine aus-
gelaſſene Begierde; allein er war wie der Geiz, welcher nur zu ſammeln,
a.
Umſtaͤnde von
Griechenland.
nicht hervorzubringen ſuchet, und von ſeinem uͤbeln Geſchmacke kann eine
Statue Alexanders des Großen, von der Hand des Lyſippus, zeugen, wel-
che er vergolden ließ 4): von derſelben wurde das Gold wiederum abgenom-
men, weil ſie viel dadurch verlohren hatte. Es gehoͤren auch ſeine gereim-
ten Verſe hierher 5). Es ſcheint, daß die guten Kuͤnſtler immer ſeltener
geworden, weil Nero den Zenodorus, aus Gallien, wo er eine Statue
des Mercurius gemachet hatte, nach Rom kommen ließ, ſeine Coloſſali-
ſche Statue in Erzt zu arbeiten 6). Jn Griechenland waren die Umſtaͤnde
fuͤr die Kuͤnſte wenig vortheilhaft: denn obgleich Nero die Griechen, ſo
viel ihm moͤglich war, ihre vorige Freyheit ſuchte genießen zu laſſen, ſo

wuͤtete
1) Plin. L. 35. c. 36.
2) Athen. Deipn. L. 6.
3) Montfauc. Ant. expl. T. 5. pl. 129.
4) Plin. L. 34. c. 19. §. 6.
5) Perſ. Sat. I. v. 93-95.
6) Plin. L. 34. c. 18.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0078" n="390"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II</hi> Theil. Von der Griechi&#x017F;chen Kun&#x017F;t</hi> </fw><lb/>
          <note place="left"><hi rendition="#aq">E.</hi><lb/>
Unter dem<lb/>
Claudius.</note>
          <p>Was Claudius fu&#x0364;r ein Kenner gewe&#x017F;en, zeigen die Ko&#x0364;pfe des Augu-<lb/>
&#x017F;tus, welche er an&#x017F;tatt der ausge&#x017F;chnittenen Ko&#x0364;pfe Alexanders des Großen,<lb/>
in zwey Gema&#x0364;lde &#x017F;etzen ließ <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Plin. L. 35. c.</hi> 36.</note>. Er &#x017F;uchte ein Be&#x017F;chu&#x0364;tzer der Gelehrten zu<lb/>
heißen, und erweiterte in die&#x017F;er Ab&#x017F;icht das Mu&#x017F;eum, oder die Wohnung<lb/>
der Gelehrten, zu Alexandria <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">Athen. Deipn. L.</hi> 6.</note>. Seine Ehrbegierde be&#x017F;tand in dem Ruh-<lb/>
me, ein anderer Cadmus zu heißen, durch Erfindung neuer Buch&#x017F;taben,<lb/>
und er brachte das umgekehrte &#x2132; in Gebrauch. Das &#x017F;cho&#x0364;ne Bru&#x017F;tbild die-<lb/>
&#x017F;es Kai&#x017F;ers, welches <hi rendition="#fr">alle Fratocchie</hi> gefunden wurde <note place="foot" n="3)"><hi rendition="#aq">Montfauc. Ant. expl. T. 5. pl.</hi> 129.</note>, kam durch den<lb/>
Cardinal <hi rendition="#fr">Girolamo Colonna</hi> nach Spanien. Als Madrid von der Oe-<lb/>
&#x017F;terreichi&#x017F;chen Parthey eingenommen wurde, &#x017F;uchte Lord <hi rendition="#fr">Galloway</hi> da&#x017F;&#x017F;el-<lb/>
be, und er erfuhr, daß es im E&#x017F;curial war, wo es als das gro&#x0364;ßte Gewicht<lb/>
der Kirchenuhr angeha&#x0364;nget gefunden wurde: er fu&#x0364;hrete es al&#x017F;o mit &#x017F;ich<lb/>
nach Engeland.</p><lb/>
          <note place="left"><hi rendition="#aq">F.</hi><lb/>
Unter dem<lb/>
Nero.</note>
          <p>Nero bezeugete gegen alles, was die &#x017F;cho&#x0364;nen Ku&#x0364;n&#x017F;te angeht, eine aus-<lb/>
gela&#x017F;&#x017F;ene Begierde; allein er war wie der Geiz, welcher nur zu &#x017F;ammeln,<lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">a.</hi><lb/>
Um&#x017F;ta&#x0364;nde von<lb/>
Griechenland.</note>nicht hervorzubringen &#x017F;uchet, und von &#x017F;einem u&#x0364;beln Ge&#x017F;chmacke kann eine<lb/>
Statue Alexanders des Großen, von der Hand des Ly&#x017F;ippus, zeugen, wel-<lb/>
che er vergolden ließ <note place="foot" n="4)"><hi rendition="#aq">Plin. L. 34. c.</hi> 19. §. 6.</note>: von der&#x017F;elben wurde das Gold wiederum abgenom-<lb/>
men, weil &#x017F;ie viel dadurch verlohren hatte. Es geho&#x0364;ren auch &#x017F;eine gereim-<lb/>
ten Ver&#x017F;e hierher <note place="foot" n="5)"><hi rendition="#aq">Per&#x017F;. Sat. I. v.</hi> 93-95.</note>. Es &#x017F;cheint, daß die guten Ku&#x0364;n&#x017F;tler immer &#x017F;eltener<lb/>
geworden, weil Nero den <hi rendition="#fr">Zenodorus</hi>, aus Gallien, wo er eine Statue<lb/>
des Mercurius gemachet hatte, nach Rom kommen ließ, &#x017F;eine Colo&#x017F;&#x017F;ali-<lb/>
&#x017F;che Statue in Erzt zu arbeiten <note place="foot" n="6)"><hi rendition="#aq">Plin. L. 34. c.</hi> 18.</note>. Jn Griechenland waren die Um&#x017F;ta&#x0364;nde<lb/>
fu&#x0364;r die Ku&#x0364;n&#x017F;te wenig vortheilhaft: denn obgleich Nero die Griechen, &#x017F;o<lb/>
viel ihm mo&#x0364;glich war, ihre vorige Freyheit &#x017F;uchte genießen zu la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wu&#x0364;tete</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[390/0078] II Theil. Von der Griechiſchen Kunſt Was Claudius fuͤr ein Kenner geweſen, zeigen die Koͤpfe des Augu- ſtus, welche er anſtatt der ausgeſchnittenen Koͤpfe Alexanders des Großen, in zwey Gemaͤlde ſetzen ließ 1). Er ſuchte ein Beſchuͤtzer der Gelehrten zu heißen, und erweiterte in dieſer Abſicht das Muſeum, oder die Wohnung der Gelehrten, zu Alexandria 2). Seine Ehrbegierde beſtand in dem Ruh- me, ein anderer Cadmus zu heißen, durch Erfindung neuer Buchſtaben, und er brachte das umgekehrte Ⅎ in Gebrauch. Das ſchoͤne Bruſtbild die- ſes Kaiſers, welches alle Fratocchie gefunden wurde 3), kam durch den Cardinal Girolamo Colonna nach Spanien. Als Madrid von der Oe- ſterreichiſchen Parthey eingenommen wurde, ſuchte Lord Galloway daſſel- be, und er erfuhr, daß es im Eſcurial war, wo es als das groͤßte Gewicht der Kirchenuhr angehaͤnget gefunden wurde: er fuͤhrete es alſo mit ſich nach Engeland. Nero bezeugete gegen alles, was die ſchoͤnen Kuͤnſte angeht, eine aus- gelaſſene Begierde; allein er war wie der Geiz, welcher nur zu ſammeln, nicht hervorzubringen ſuchet, und von ſeinem uͤbeln Geſchmacke kann eine Statue Alexanders des Großen, von der Hand des Lyſippus, zeugen, wel- che er vergolden ließ 4): von derſelben wurde das Gold wiederum abgenom- men, weil ſie viel dadurch verlohren hatte. Es gehoͤren auch ſeine gereim- ten Verſe hierher 5). Es ſcheint, daß die guten Kuͤnſtler immer ſeltener geworden, weil Nero den Zenodorus, aus Gallien, wo er eine Statue des Mercurius gemachet hatte, nach Rom kommen ließ, ſeine Coloſſali- ſche Statue in Erzt zu arbeiten 6). Jn Griechenland waren die Umſtaͤnde fuͤr die Kuͤnſte wenig vortheilhaft: denn obgleich Nero die Griechen, ſo viel ihm moͤglich war, ihre vorige Freyheit ſuchte genießen zu laſſen, ſo wuͤtete a. Umſtaͤnde von Griechenland. 1) Plin. L. 35. c. 36. 2) Athen. Deipn. L. 6. 3) Montfauc. Ant. expl. T. 5. pl. 129. 4) Plin. L. 34. c. 19. §. 6. 5) Perſ. Sat. I. v. 93-95. 6) Plin. L. 34. c. 18.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte02_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte02_1764/78
Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte02_1764/78>, abgerufen am 21.11.2024.