Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite
der Zeit unter den Griechen betrachtet.

Jn Aegypten hatte die Kunst und Gelehrsamkeit unter den drey er-P.
Ende der
Griechischen
Kunst in Ae-
gypten, und
Widerlegung
des Vaillant
und anderer.

sten Ptolemäern geblühet, und sie waren besorget, auch die Werke der Ae-
gyptischen Kunst zu erhalten. Ptolemäus Evergetes soll, nach seinem
Siege wider den König in Syrien Antiochus Theos, zwey tausend fünf
hundert Statuen nach Aegypten gebracht haben, unter welchen viele wa-
ren, welche Cambyses aus Aegypten weggeführet hatte 1). Die hundert
Baumeister, welche dessen Sohn und Nachfolger Philopator, nebst un-
glaublichen Geschenken, der Stadt Rhodus, die durch ein Erdbeben sehr
gelitten hatte, zu sandte 2), können von der Menge der Künstler an diesem
Hofe zeugen. Aber die Nachfolger des Evergetes waren alle, den einzigen
Philometor ausgenommen, unwürdige Prinzen, und wütheten wider ihr
Reich, und wider ihr eigenes Geblüt, und Aegypten gerieth in die äußer-
ste Verwirrung. Theben wurde unter dem Lathyrus, dem fünften Kö-
nige nach dem Epiphanes, beynahe zerstöret, und seiner Herrlichkeit be-
raubet, und dieses war der Anfang der Vernichtung so vieler Denkmale
der Aegyptischen Kunst.

Die Griechischen Künste hatten sich, wiewohl sie von ihrem ersten
Glanze in diesem Reiche sehr abgefallen, dennoch bis unter dem Vater letzt-
gedachten Königs, dem Ptolemäus Physcon, dem siebenten Könige in Ae-
gypten, erhalten. Unter diesem Tyrannen aber verließen fast alle Gelehrte
und Künstler Aegypten, in der grausamen Verfolgung, welche er nach sei-
ner Rückkunft ins Reich, aus welchem er geflüchtet war, wider die Stadt
Alexandrien ausübete, und begaben sich nach Griechenland 3)
. Mit dieser

lehrte
Grausam-
1) Monum. Adulit. ap. Chishul. Inscr. Sig. p. 79. 80. S. Hieronym. Comment. in Dan.
c. 11. v. 8. p.
706.
2) Polyb. L. 5. p. 429. E.
3) Athen. Deipn. L. 5. c. 25. p. 184. Iustin. L. 38. c. 8. Vaillant, welcher den Athe-
näus nicht recht verstanden, giebt diesem verächtlichen Könige das Lob a), daß er ge-
a) Hist. Ptolem. p. 111.
Winckelm. Gesch. der Kunst. B b b
der Zeit unter den Griechen betrachtet.

Jn Aegypten hatte die Kunſt und Gelehrſamkeit unter den drey er-P.
Ende der
Griechiſchen
Kunſt in Ae-
gypten, und
Widerlegung
des Vaillant
und anderer.

ſten Ptolemaͤern gebluͤhet, und ſie waren beſorget, auch die Werke der Ae-
gyptiſchen Kunſt zu erhalten. Ptolemaͤus Evergetes ſoll, nach ſeinem
Siege wider den Koͤnig in Syrien Antiochus Theos, zwey tauſend fuͤnf
hundert Statuen nach Aegypten gebracht haben, unter welchen viele wa-
ren, welche Cambyſes aus Aegypten weggefuͤhret hatte 1). Die hundert
Baumeiſter, welche deſſen Sohn und Nachfolger Philopator, nebſt un-
glaublichen Geſchenken, der Stadt Rhodus, die durch ein Erdbeben ſehr
gelitten hatte, zu ſandte 2), koͤnnen von der Menge der Kuͤnſtler an dieſem
Hofe zeugen. Aber die Nachfolger des Evergetes waren alle, den einzigen
Philometor ausgenommen, unwuͤrdige Prinzen, und wuͤtheten wider ihr
Reich, und wider ihr eigenes Gebluͤt, und Aegypten gerieth in die aͤußer-
ſte Verwirrung. Theben wurde unter dem Lathyrus, dem fuͤnften Koͤ-
nige nach dem Epiphanes, beynahe zerſtoͤret, und ſeiner Herrlichkeit be-
raubet, und dieſes war der Anfang der Vernichtung ſo vieler Denkmale
der Aegyptiſchen Kunſt.

Die Griechiſchen Kuͤnſte hatten ſich, wiewohl ſie von ihrem erſten
Glanze in dieſem Reiche ſehr abgefallen, dennoch bis unter dem Vater letzt-
gedachten Koͤnigs, dem Ptolemaͤus Phyſcon, dem ſiebenten Koͤnige in Ae-
gypten, erhalten. Unter dieſem Tyrannen aber verließen faſt alle Gelehrte
und Kuͤnſtler Aegypten, in der grauſamen Verfolgung, welche er nach ſei-
ner Ruͤckkunft ins Reich, aus welchem er gefluͤchtet war, wider die Stadt
Alexandrien ausuͤbete, und begaben ſich nach Griechenland 3)
. Mit dieſer

lehrte
Grauſam-
1) Monum. Adulit. ap. Chishul. Inſcr. Sig. p. 79. 80. S. Hieronym. Comment. in Dan.
c. 11. v. 8. p.
706.
2) Polyb. L. 5. p. 429. E.
3) Athen. Deipn. L. 5. c. 25. p. 184. Iuſtin. L. 38. c. 8. Vaillant, welcher den Athe-
naͤus nicht recht verſtanden, giebt dieſem veraͤchtlichen Koͤnige das Lob a), daß er ge-
a) Hiſt. Ptolem. p. 111.
Winckelm. Geſch. der Kunſt. B b b
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0065" n="377"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">der Zeit unter den Griechen betrachtet.</hi> </fw><lb/>
          <p>Jn Aegypten hatte die Kun&#x017F;t und Gelehr&#x017F;amkeit unter den drey er-<note place="right"><hi rendition="#aq">P.</hi><lb/>
Ende der<lb/>
Griechi&#x017F;chen<lb/>
Kun&#x017F;t in Ae-<lb/>
gypten, und<lb/>
Widerlegung<lb/>
des Vaillant<lb/>
und anderer.</note><lb/>
&#x017F;ten Ptolema&#x0364;ern geblu&#x0364;het, und &#x017F;ie waren be&#x017F;orget, auch die Werke der Ae-<lb/>
gypti&#x017F;chen Kun&#x017F;t zu erhalten. Ptolema&#x0364;us Evergetes &#x017F;oll, nach &#x017F;einem<lb/>
Siege wider den Ko&#x0364;nig in Syrien Antiochus Theos, zwey tau&#x017F;end fu&#x0364;nf<lb/>
hundert Statuen nach Aegypten gebracht haben, unter welchen viele wa-<lb/>
ren, welche Camby&#x017F;es aus Aegypten weggefu&#x0364;hret hatte <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Monum. Adulit. ap. Chishul. In&#x017F;cr. Sig. p. 79. 80. S. Hieronym. Comment. in Dan.<lb/>
c. 11. v. 8. p.</hi> 706.</note>. Die hundert<lb/>
Baumei&#x017F;ter, welche de&#x017F;&#x017F;en Sohn und Nachfolger Philopator, neb&#x017F;t un-<lb/>
glaublichen Ge&#x017F;chenken, der Stadt Rhodus, die durch ein Erdbeben &#x017F;ehr<lb/>
gelitten hatte, zu &#x017F;andte <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">Polyb. L. 5. p. 429. E.</hi></note>, ko&#x0364;nnen von der Menge der Ku&#x0364;n&#x017F;tler an die&#x017F;em<lb/>
Hofe zeugen. Aber die Nachfolger des Evergetes waren alle, den einzigen<lb/>
Philometor ausgenommen, unwu&#x0364;rdige Prinzen, und wu&#x0364;theten wider ihr<lb/>
Reich, und wider ihr eigenes Geblu&#x0364;t, und Aegypten gerieth in die a&#x0364;ußer-<lb/>
&#x017F;te Verwirrung. Theben wurde unter dem Lathyrus, dem fu&#x0364;nften Ko&#x0364;-<lb/>
nige nach dem Epiphanes, beynahe zer&#x017F;to&#x0364;ret, und &#x017F;einer Herrlichkeit be-<lb/>
raubet, und die&#x017F;es war der Anfang der Vernichtung &#x017F;o vieler Denkmale<lb/>
der Aegypti&#x017F;chen Kun&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Die Griechi&#x017F;chen Ku&#x0364;n&#x017F;te hatten &#x017F;ich, wiewohl &#x017F;ie von ihrem er&#x017F;ten<lb/>
Glanze in die&#x017F;em Reiche &#x017F;ehr abgefallen, dennoch bis unter dem Vater letzt-<lb/>
gedachten Ko&#x0364;nigs, dem Ptolema&#x0364;us Phy&#x017F;con, dem &#x017F;iebenten Ko&#x0364;nige in Ae-<lb/>
gypten, erhalten. Unter die&#x017F;em Tyrannen aber verließen fa&#x017F;t alle Gelehrte<lb/>
und Ku&#x0364;n&#x017F;tler Aegypten, in der grau&#x017F;amen Verfolgung, welche er nach &#x017F;ei-<lb/>
ner Ru&#x0364;ckkunft ins Reich, aus welchem er geflu&#x0364;chtet war, wider die Stadt<lb/>
Alexandrien ausu&#x0364;bete, und begaben &#x017F;ich nach Griechenland <note xml:id="seg2pn_4_1" next="#seg2pn_4_2" place="foot" n="3)"><hi rendition="#aq">Athen. Deipn. L. 5. c. 25. p. 184. Iu&#x017F;tin. L. 38. c.</hi> 8. <hi rendition="#fr">Vaillant</hi>, welcher den Athe-<lb/>
na&#x0364;us nicht recht ver&#x017F;tanden, giebt die&#x017F;em vera&#x0364;chtlichen Ko&#x0364;nige das Lob <note place="foot" n="a)"><hi rendition="#aq">Hi&#x017F;t. Ptolem. p.</hi> 111.</note>, daß er ge-</note><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">lehrte</fw>. Mit die&#x017F;er<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Grau&#x017F;am-</fw><lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Winckelm. Ge&#x017F;ch. der Kun&#x017F;t.</hi> B b b</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[377/0065] der Zeit unter den Griechen betrachtet. Jn Aegypten hatte die Kunſt und Gelehrſamkeit unter den drey er- ſten Ptolemaͤern gebluͤhet, und ſie waren beſorget, auch die Werke der Ae- gyptiſchen Kunſt zu erhalten. Ptolemaͤus Evergetes ſoll, nach ſeinem Siege wider den Koͤnig in Syrien Antiochus Theos, zwey tauſend fuͤnf hundert Statuen nach Aegypten gebracht haben, unter welchen viele wa- ren, welche Cambyſes aus Aegypten weggefuͤhret hatte 1). Die hundert Baumeiſter, welche deſſen Sohn und Nachfolger Philopator, nebſt un- glaublichen Geſchenken, der Stadt Rhodus, die durch ein Erdbeben ſehr gelitten hatte, zu ſandte 2), koͤnnen von der Menge der Kuͤnſtler an dieſem Hofe zeugen. Aber die Nachfolger des Evergetes waren alle, den einzigen Philometor ausgenommen, unwuͤrdige Prinzen, und wuͤtheten wider ihr Reich, und wider ihr eigenes Gebluͤt, und Aegypten gerieth in die aͤußer- ſte Verwirrung. Theben wurde unter dem Lathyrus, dem fuͤnften Koͤ- nige nach dem Epiphanes, beynahe zerſtoͤret, und ſeiner Herrlichkeit be- raubet, und dieſes war der Anfang der Vernichtung ſo vieler Denkmale der Aegyptiſchen Kunſt. P. Ende der Griechiſchen Kunſt in Ae- gypten, und Widerlegung des Vaillant und anderer. Die Griechiſchen Kuͤnſte hatten ſich, wiewohl ſie von ihrem erſten Glanze in dieſem Reiche ſehr abgefallen, dennoch bis unter dem Vater letzt- gedachten Koͤnigs, dem Ptolemaͤus Phyſcon, dem ſiebenten Koͤnige in Ae- gypten, erhalten. Unter dieſem Tyrannen aber verließen faſt alle Gelehrte und Kuͤnſtler Aegypten, in der grauſamen Verfolgung, welche er nach ſei- ner Ruͤckkunft ins Reich, aus welchem er gefluͤchtet war, wider die Stadt Alexandrien ausuͤbete, und begaben ſich nach Griechenland 3) lehrte. Mit dieſer Grauſam- 1) Monum. Adulit. ap. Chishul. Inſcr. Sig. p. 79. 80. S. Hieronym. Comment. in Dan. c. 11. v. 8. p. 706. 2) Polyb. L. 5. p. 429. E. 3) Athen. Deipn. L. 5. c. 25. p. 184. Iuſtin. L. 38. c. 8. Vaillant, welcher den Athe- naͤus nicht recht verſtanden, giebt dieſem veraͤchtlichen Koͤnige das Lob a), daß er ge- a) Hiſt. Ptolem. p. 111. Winckelm. Geſch. der Kunſt. B b b

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte02_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte02_1764/65
Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte02_1764/65>, abgerufen am 21.11.2024.