Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764.II Theil. Von der Kunst, nach den äußern Umständen tur, waren, und sich zu dessen Zeit fanden, glauben machen, der wahrealte Laocoon sey viel größer, als der itzige, gewesen, und dieses vorausge- setzet, will er angezeigte Stücke viel schöner, als die Statue im Belvedere, gefunden haben: dieses schreibt derselbe in seinen Handschriften in der Va- ticanischen Bibliothek. Den unerheblichen Zweifel über die zwey Stücke haben auch andere angeführet, ohne zu bedenken, daß die Fuge ehemals nicht, wie itzo, sichthar gewesen seyn wird. Das Vorgeben des Ligorio aber ist nur zu merken wegen eines zerstümmelten Kopfs über Lebensgröße unter den Trümmern hinter dem Farnesischen Pallaste, an welchem man noch eine Aehnlichkeit mit dem Kopfe des Laocoons bemerket, und der viel- leicht zu den obigen Füßen und Schlangen gehöret; itzo ist dieser zerstüm- melte Kopf, nebst andern Trümmern, nach Neapel geführet worden. Jch kann nicht unangemerket lassen, daß sich zu St. Jldefonse, dem Lustschlosse des Königs in Spanien, ein erhoben gearbeitetes Werk findet, welches den Laocoon, nebst seinen beyden Söhnen, vorstellet, über welche ein flie- gender Cupido schwebet, als wenn er ihnen zu Hülfe kommen wollte. Außer diesem schönsten und großen Werke der höchsten Zeit der Kunst, Man
II Theil. Von der Kunſt, nach den aͤußern Umſtaͤnden tur, waren, und ſich zu deſſen Zeit fanden, glauben machen, der wahrealte Laocoon ſey viel groͤßer, als der itzige, geweſen, und dieſes vorausge- ſetzet, will er angezeigte Stuͤcke viel ſchoͤner, als die Statue im Belvedere, gefunden haben: dieſes ſchreibt derſelbe in ſeinen Handſchriften in der Va- ticaniſchen Bibliothek. Den unerheblichen Zweifel uͤber die zwey Stuͤcke haben auch andere angefuͤhret, ohne zu bedenken, daß die Fuge ehemals nicht, wie itzo, ſichthar geweſen ſeyn wird. Das Vorgeben des Ligorio aber iſt nur zu merken wegen eines zerſtuͤmmelten Kopfs uͤber Lebensgroͤße unter den Truͤmmern hinter dem Farneſiſchen Pallaſte, an welchem man noch eine Aehnlichkeit mit dem Kopfe des Laocoons bemerket, und der viel- leicht zu den obigen Fuͤßen und Schlangen gehoͤret; itzo iſt dieſer zerſtuͤm- melte Kopf, nebſt andern Truͤmmern, nach Neapel gefuͤhret worden. Jch kann nicht unangemerket laſſen, daß ſich zu St. Jldefonſe, dem Luſtſchloſſe des Koͤnigs in Spanien, ein erhoben gearbeitetes Werk findet, welches den Laocoon, nebſt ſeinen beyden Soͤhnen, vorſtellet, uͤber welche ein flie- gender Cupido ſchwebet, als wenn er ihnen zu Huͤlfe kommen wollte. Außer dieſem ſchoͤnſten und großen Werke der hoͤchſten Zeit der Kunſt, Man
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II Theil. Von der Kunſt, nach den aͤußern Umſtaͤnden
tur, waren, und ſich zu deſſen Zeit fanden, glauben machen, der wahre
alte Laocoon ſey viel groͤßer, als der itzige, geweſen, und dieſes vorausge-
ſetzet, will er angezeigte Stuͤcke viel ſchoͤner, als die Statue im Belvedere,
gefunden haben: dieſes ſchreibt derſelbe in ſeinen Handſchriften in der Va-
ticaniſchen Bibliothek. Den unerheblichen Zweifel uͤber die zwey Stuͤcke
haben auch andere angefuͤhret, ohne zu bedenken, daß die Fuge ehemals
nicht, wie itzo, ſichthar geweſen ſeyn wird. Das Vorgeben des Ligorio
aber iſt nur zu merken wegen eines zerſtuͤmmelten Kopfs uͤber Lebensgroͤße
unter den Truͤmmern hinter dem Farneſiſchen Pallaſte, an welchem man
noch eine Aehnlichkeit mit dem Kopfe des Laocoons bemerket, und der viel-
leicht zu den obigen Fuͤßen und Schlangen gehoͤret; itzo iſt dieſer zerſtuͤm-
melte Kopf, nebſt andern Truͤmmern, nach Neapel gefuͤhret worden. Jch
kann nicht unangemerket laſſen, daß ſich zu St. Jldefonſe, dem Luſtſchloſſe
des Koͤnigs in Spanien, ein erhoben gearbeitetes Werk findet, welches
den Laocoon, nebſt ſeinen beyden Soͤhnen, vorſtellet, uͤber welche ein flie-
gender Cupido ſchwebet, als wenn er ihnen zu Huͤlfe kommen wollte.
Außer dieſem ſchoͤnſten und großen Werke der hoͤchſten Zeit der Kunſt,
lebet dieſelbe in den Muͤnzen Koͤnigs Philippus von Macedonien, Alexan-
ders des Großen, und deſſen naͤchſten Nachfolger: der ſitzende Jupiter auf
Alexanders Muͤnzen in Silber, kann uns ein Bild geben von dem Olym-
piſchen Jupiter des Phidias; ſo viel Goͤttlichkeit iſt auch in den kleinen
Zuͤgen ſeines Geſichts geleget, und die Arbeit iſt zur hoͤchſten Feinheit ge-
trieben. Auch der ſchoͤne Kopf dieſes Koͤnigs in Marmor, groͤßer als die
Natur, in der Gallerie zu Florenz, koͤnnte dieſer Zeit wuͤrdig geachtet wer-
den: ein kleinerer Kopf deſſelben in Lebensgroͤße im Campidoglio, iſt wie
fuͤr eine Copie nach jenem Kopfe von der Hand eines guten Kuͤnſtlers zu
achten. Ein vermeynter Kopf des Alexanders in Erzt unter den Hercula-
niſchen Entdeckungen, iſt in den Augen desjenigen, welcher jene kennet,
und unterſuchet hat, nur mittelmaͤßig.
Man
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