Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.Von der Kunst unter den Griechen. Das Maaß des Mundes ist, wie angezeiget worden, gleich der Oeff-ee Des Mun- Das Kinn wurde nicht durch Grübchen unterbrochen: denn dessenzz Des Kinns. Die Schönheit der Form der übrigen Theile wurde eben so allge-b Der übri- andern 1) Franco Dial. della bellez. P. 1. p. 24. Auch Paul Anton Rolli in folgenden Versen: Molle pozzetta gli divide il mento, Che la belta compisce, e il riso, e il gioco Volan gl' intorno, e cento grazie e cento. 2) In Alexand. Z 3
Von der Kunſt unter den Griechen. Das Maaß des Mundes iſt, wie angezeiget worden, gleich der Oeff-εε Des Mun- Das Kinn wurde nicht durch Gruͤbchen unterbrochen: denn deſſenζζ Des Kinns. Die Schoͤnheit der Form der uͤbrigen Theile wurde eben ſo allge-β Der uͤbri- andern 1) Franco Dial. della bellez. P. 1. p. 24. Auch Paul Anton Rolli in folgenden Verſen: Molle pozzetta gli divide il mento, Che la beltà compiſce, e il riſo, e il gioco Volan gl’ intorno, e cento grazie e cento. 2) In Alexand. Z 3
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Von der Kunſt unter den Griechen.
Das Maaß des Mundes iſt, wie angezeiget worden, gleich der Oeff-
nung der Naſe; iſt der Schnitt deſſelben laͤnger, ſo wuͤrde es wider das
Verhaͤltniß des Ovals ſeyn, worinn die in demſelben enthaltenen Theile
in eben der Abweichung gegen das Kinn zu gehen muͤſſen, in welcher das
Oval ſelbſt ſich zuſchließet. Die Lippen ſollen noͤthig ſeyn, um mehr
ſchoͤne Roͤthe zu zeigen, und die untere Lippe voͤlliger, als die obere, wo-
durch zugleich unter derſelben in dem Kinne die eingedruckte Rundung, eine
Bildung der Mannigfaltigkeit, entſtehet.
εε Des Mun-
des.
Das Kinn wurde nicht durch Gruͤbchen unterbrochen: denn deſſen
Schoͤnheit beſtehet in der rundlichen Voͤlligkeit ſeiner gewoͤlbten Form,
und da das Gruͤbchen nur einzeln in der Natur, und etwas zufaͤlliges iſt,
ſo iſt es von Griechiſchen Kuͤnſtlern nicht, wie von neuern Scribenten 1),
als eine Eigenſchaft der allgemeinen und reinen Schoͤnheit geachtet worden.
Daher findet ſich das Gruͤbgen nicht an der Niobe und an ihren Toͤchtern,
noch an der Albaniſchen Pallas, den Bildern der hoͤchſten Weiblichen
Schoͤnheit, und weder Apollo im Belvedere, noch Bacchus in der Villa
Medicis, haben es, noch was ſonſt von ſchoͤnen Idealiſchen Figuren iſt.
Die Venus in Florenz hat es, als einen beſondern Liebreiz, nicht als etwas
zur ſchoͤnen Form gehoͤriges. Varro nennet dieſes Gruͤbgen einen Ein-
druck des Fingers der Liebe.
ζζ Des Kinns.
Die Schoͤnheit der Form der uͤbrigen Theile wurde eben ſo allge-
mein beſtimmet; die aͤußerſten Theile, Haͤnde, und Fuͤße ſo wohl, als die
Flaͤchen. Es ſcheinet Plutarchus, wie uͤberhaupt, alſo auch hier, ſich
ſehr wenig auf die Kunſt verſtanden zu haben, wenn er vorgiebt, daß die
alten Meiſter nur auf das Geſicht aufmerkſam geweſen 2), und uͤber die
andern
β Der uͤbri-
gen aͤußern
Theile, als der
Haͤnde und
Fuͤße.
1) Franco Dial. della bellez. P. 1. p. 24. Auch Paul Anton Rolli in folgenden Verſen:
Molle pozzetta gli divide il mento,
Che la beltà compiſce, e il riſo, e il gioco
Volan gl’ intorno, e cento grazie e cento.
2) In Alexand.
Z 3
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