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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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I Theil. Viertes Capitel.
Delphos, ohne Entgelt aus, und die Erkenntlichkeit gegen diese letzte Ar-
beit scheinet der Grund zu seyn, welcher die Amphictiones, oder den allge-
meinen Rath der Griechen, bewogen, diesem großmüthigen Künstler eine
freye Bewirthung durch ganz Griechenland auszumachen 1).

Ueberhaupt wurde alles vorzügliche in allerley Kunst und Arbeit be-
sonders geschätzet, und der beste Arbeiter in der geringsten Sache konnte
zur Verewigung seines Namens gelangen. Wir wissen noch itzo den Na-
men des Baumeisters 2) einer Wasserleitung auf der Insel Samos, und
desjenigen, der daselbst das größte Schiff gebauet hat; ingleichen den Na-
men eines berühmten Steinmetzen, welcher in Arbeit an Säulen sich her-
vorthat; er hieß Architeles 3). Es sind die Namen zweyer Weber, oder
Stücker 4), bekannt, die einen Mantel der Pallas Polias zu Athen arbei-
reten. Wir wissen den Namen eines Arbeiters von sehr richtigen Wagen,
oder Waage-Schaalen; er hieß Parthenius 5). Ja es hat sich der Name
des Sattlers 6), wie wir ihn nennen würden, erhalten, der den Schild
des Ajax von Leder machte. In dieser Absicht scheinen die Griechen vieles,
was besonders war, nach dem Namen des Meisters, der es gemacht
hatte, benennet zu haben 7), und unter dergleichen Namen blieben die Sa-
chen immer bekannt. Zu Samos wurden hölzerne Leuchter gemacht, die
in großem Werthe gehalten wurden; Cicero arbeitete auf seines Bruders
Landhause des Abends bey dergleichen Leuchter 8). Auf der Insel Naxus
waren jemanden, welcher zu erst den Pentelischen Marmor in der Form

von
1) Die Gemälde zu Delphos stelleten die Eroberung von Troja vor, wie ich in einem alten
geschriebenen Schalio über den Gorgias des Plato finde, und eben daselbst hat sich die
Ueberschrift dieses Werks erhalten, welche folgende ist:
Grapse Polugnotos, Thasios genos, Aglaophontos
`Uios, perthomenen Ilion akropolin.
2) Herodot. L. 3. p. 119. l. 32. 36.
3) Theodor. Prodrom. ep. 2. p. 22.
4) Athen. Deipn. L. 2. c. 9.
5) Juvenal. Sat. 12. v. 43.
6) Vit. Hom. p. 359. l. 22.
7) Athen. Deipn. L. 11. p. 470. F. 471. B. 486. C.
8) Cic. ad Q. Fratr. L. 3. ep. 7.

I Theil. Viertes Capitel.
Delphos, ohne Entgelt aus, und die Erkenntlichkeit gegen dieſe letzte Ar-
beit ſcheinet der Grund zu ſeyn, welcher die Amphictiones, oder den allge-
meinen Rath der Griechen, bewogen, dieſem großmuͤthigen Kuͤnſtler eine
freye Bewirthung durch ganz Griechenland auszumachen 1).

Ueberhaupt wurde alles vorzuͤgliche in allerley Kunſt und Arbeit be-
ſonders geſchaͤtzet, und der beſte Arbeiter in der geringſten Sache konnte
zur Verewigung ſeines Namens gelangen. Wir wiſſen noch itzo den Na-
men des Baumeiſters 2) einer Waſſerleitung auf der Inſel Samos, und
desjenigen, der daſelbſt das groͤßte Schiff gebauet hat; ingleichen den Na-
men eines beruͤhmten Steinmetzen, welcher in Arbeit an Saͤulen ſich her-
vorthat; er hieß Architeles 3). Es ſind die Namen zweyer Weber, oder
Stuͤcker 4), bekannt, die einen Mantel der Pallas Polias zu Athen arbei-
reten. Wir wiſſen den Namen eines Arbeiters von ſehr richtigen Wagen,
oder Waage-Schaalen; er hieß Parthenius 5). Ja es hat ſich der Name
des Sattlers 6), wie wir ihn nennen wuͤrden, erhalten, der den Schild
des Ajax von Leder machte. In dieſer Abſicht ſcheinen die Griechen vieles,
was beſonders war, nach dem Namen des Meiſters, der es gemacht
hatte, benennet zu haben 7), und unter dergleichen Namen blieben die Sa-
chen immer bekannt. Zu Samos wurden hoͤlzerne Leuchter gemacht, die
in großem Werthe gehalten wurden; Cicero arbeitete auf ſeines Bruders
Landhauſe des Abends bey dergleichen Leuchter 8). Auf der Inſel Naxus
waren jemanden, welcher zu erſt den Penteliſchen Marmor in der Form

von
1) Die Gemaͤlde zu Delphos ſtelleten die Eroberung von Troja vor, wie ich in einem alten
geſchriebenen Schalio uͤber den Gorgias des Plato finde, und eben daſelbſt hat ſich die
Ueberſchrift dieſes Werks erhalten, welche folgende iſt:
Γράψε Πολύγνωτος, Θάσιος γένος, Ἀγλαόφωντος
῾ϒιὸς, περϑομένην Ἰλίον ἀκρόπολιν.
2) Herodot. L. 3. p. 119. l. 32. 36.
3) Theodor. Prodrom. ep. 2. p. 22.
4) Athen. Deipn. L. 2. c. 9.
5) Juvenal. Sat. 12. v. 43.
6) Vit. Hom. p. 359. l. 22.
7) Athen. Deipn. L. 11. p. 470. F. 471. B. 486. C.
8) Cic. ad Q. Fratr. L. 3. ep. 7.
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[136/0186] I Theil. Viertes Capitel. Delphos, ohne Entgelt aus, und die Erkenntlichkeit gegen dieſe letzte Ar- beit ſcheinet der Grund zu ſeyn, welcher die Amphictiones, oder den allge- meinen Rath der Griechen, bewogen, dieſem großmuͤthigen Kuͤnſtler eine freye Bewirthung durch ganz Griechenland auszumachen 1). Ueberhaupt wurde alles vorzuͤgliche in allerley Kunſt und Arbeit be- ſonders geſchaͤtzet, und der beſte Arbeiter in der geringſten Sache konnte zur Verewigung ſeines Namens gelangen. Wir wiſſen noch itzo den Na- men des Baumeiſters 2) einer Waſſerleitung auf der Inſel Samos, und desjenigen, der daſelbſt das groͤßte Schiff gebauet hat; ingleichen den Na- men eines beruͤhmten Steinmetzen, welcher in Arbeit an Saͤulen ſich her- vorthat; er hieß Architeles 3). Es ſind die Namen zweyer Weber, oder Stuͤcker 4), bekannt, die einen Mantel der Pallas Polias zu Athen arbei- reten. Wir wiſſen den Namen eines Arbeiters von ſehr richtigen Wagen, oder Waage-Schaalen; er hieß Parthenius 5). Ja es hat ſich der Name des Sattlers 6), wie wir ihn nennen wuͤrden, erhalten, der den Schild des Ajax von Leder machte. In dieſer Abſicht ſcheinen die Griechen vieles, was beſonders war, nach dem Namen des Meiſters, der es gemacht hatte, benennet zu haben 7), und unter dergleichen Namen blieben die Sa- chen immer bekannt. Zu Samos wurden hoͤlzerne Leuchter gemacht, die in großem Werthe gehalten wurden; Cicero arbeitete auf ſeines Bruders Landhauſe des Abends bey dergleichen Leuchter 8). Auf der Inſel Naxus waren jemanden, welcher zu erſt den Penteliſchen Marmor in der Form von 1) Die Gemaͤlde zu Delphos ſtelleten die Eroberung von Troja vor, wie ich in einem alten geſchriebenen Schalio uͤber den Gorgias des Plato finde, und eben daſelbſt hat ſich die Ueberſchrift dieſes Werks erhalten, welche folgende iſt: Γράψε Πολύγνωτος, Θάσιος γένος, Ἀγλαόφωντος ῾ϒιὸς, περϑομένην Ἰλίον ἀκρόπολιν. 2) Herodot. L. 3. p. 119. l. 32. 36. 3) Theodor. Prodrom. ep. 2. p. 22. 4) Athen. Deipn. L. 2. c. 9. 5) Juvenal. Sat. 12. v. 43. 6) Vit. Hom. p. 359. l. 22. 7) Athen. Deipn. L. 11. p. 470. F. 471. B. 486. C. 8) Cic. ad Q. Fratr. L. 3. ep. 7.

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/186>, abgerufen am 21.11.2024.