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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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Von der Kunst unter den Aegyptern etc.

In Marmor finden sich, außer einem einzigen Kopfe, auf dem Cam-
pidoglio eingemauert, welcher oben angeführet ist, keine alten Aegyptischen
Werke in Rom; von weißem Marmor aber waren in Aegypten große Ge-
bäude aufgeführet, wie die langen Gänge und Säle 1) in der großen Py-
ramide sind 2). Man sieht noch itzo daselbst von einem gelblichen Marmor
Stücke von Obelisken 3), von Statuen 4), und Sphinxe, von welchen der
eine zwey und zwanzig Fuß in der Länge hat, ja Colossalische Statuen,
von weißem Marmor 5). Man hat auch ein Stück von einem Obelisko in
schwarzem Marmor 6) gefunden. Aus Rosso antico ist in der Villa Albani
der Obertheil einer großen Statue; dieselbe aber ist, wie der Stil giebt,
vermuthlich unter dem Kaiser Hadrian gemacht, in dessen Villa zu Tivoli
dieses Stück entdecket worden. Aus Plasma von Smaragd befindet sich
eine einzige kleine sitzende Figur, in Gestalt der Statue von Alabaster, in
eben dieser Villa.

Ich schließe diese Abhandlung über die Kunst der Aegypter mit der
Anmerkung, daß niemals Münzen dieses Volks entdecket worden, aus
welchen die Kentniß ihrer Kunst hätte können erweitert werden, und man
könnte daher zweifeln, ob die alten Aegypter geprägte Münzen gehabt
hätten, wenn sich nicht einige Anzeige bey den Scribenten fände, wie der
sogenannte Obolus ist, welcher den Todten in den Mund geleget wurde;
und dieserwegen ist an Mumien, sonderlich den übermalten, wie die zu Bo-

logna
1) Greave Descr. des Pyram. d' Egypte.
2) Der berühmte Peiresc gedenket in einem seiner ungedruckten Briefe an Menetrier
von 1632. welche sich in der Bibliothee des Hrn. Card. Alhani befinden, zweyer wie Mu-
mien gestalteter Werke, von welchen das eine von Probierstein war, das andere von einem
weißen und etwas weicheren Steine, als der Marmor. Diese waren hinterwerts hohl, so
daß es Deckel auf Särge balsamirter Körper gewesen zu seyn schienen. Beyde Stücke
waren voller Hieroglyphen. Es waren dieselben aus Aegypten nach Marseille gebracht, und
der Kaufmann, dem sie gehöreten, forderte tausend fünfhundert Pistolen dafür.
3) Pococke's Descr. of the East, T. 1. p. 15.
4) Ibid. p. 21.
5) Ibid. p. 93.
6) Ibid. p. 33.
J 2
Von der Kunſt unter den Aegyptern ꝛc.

In Marmor finden ſich, außer einem einzigen Kopfe, auf dem Cam-
pidoglio eingemauert, welcher oben angefuͤhret iſt, keine alten Aegyptiſchen
Werke in Rom; von weißem Marmor aber waren in Aegypten große Ge-
baͤude aufgefuͤhret, wie die langen Gaͤnge und Saͤle 1) in der großen Py-
ramide ſind 2). Man ſieht noch itzo daſelbſt von einem gelblichen Marmor
Stuͤcke von Obelisken 3), von Statuen 4), und Sphinxe, von welchen der
eine zwey und zwanzig Fuß in der Laͤnge hat, ja Coloſſaliſche Statuen,
von weißem Marmor 5). Man hat auch ein Stuͤck von einem Obelisko in
ſchwarzem Marmor 6) gefunden. Aus Roſſo antico iſt in der Villa Albani
der Obertheil einer großen Statue; dieſelbe aber iſt, wie der Stil giebt,
vermuthlich unter dem Kaiſer Hadrian gemacht, in deſſen Villa zu Tivoli
dieſes Stuͤck entdecket worden. Aus Plaſma von Smaragd befindet ſich
eine einzige kleine ſitzende Figur, in Geſtalt der Statue von Alabaſter, in
eben dieſer Villa.

Ich ſchließe dieſe Abhandlung uͤber die Kunſt der Aegypter mit der
Anmerkung, daß niemals Muͤnzen dieſes Volks entdecket worden, aus
welchen die Kentniß ihrer Kunſt haͤtte koͤnnen erweitert werden, und man
koͤnnte daher zweifeln, ob die alten Aegypter gepraͤgte Muͤnzen gehabt
haͤtten, wenn ſich nicht einige Anzeige bey den Scribenten faͤnde, wie der
ſogenannte Obolus iſt, welcher den Todten in den Mund geleget wurde;
und dieſerwegen iſt an Mumien, ſonderlich den uͤbermalten, wie die zu Bo-

logna
1) Greave Deſcr. des Pyram. d’ Egypte.
2) Der beruͤhmte Peireſc gedenket in einem ſeiner ungedruckten Briefe an Menetrier
von 1632. welche ſich in der Bibliothee des Hrn. Card. Alhani befinden, zweyer wie Mu-
mien geſtalteter Werke, von welchen das eine von Probierſtein war, das andere von einem
weißen und etwas weicheren Steine, als der Marmor. Dieſe waren hinterwerts hohl, ſo
daß es Deckel auf Saͤrge balſamirter Koͤrper geweſen zu ſeyn ſchienen. Beyde Stuͤcke
waren voller Hieroglyphen. Es waren dieſelben aus Aegypten nach Marſeille gebracht, und
der Kaufmann, dem ſie gehoͤreten, forderte tauſend fuͤnfhundert Piſtolen dafuͤr.
3) Pococke’s Deſcr. of the Eaſt, T. 1. p. 15.
4) Ibid. p. 21.
5) Ibid. p. 93.
6) Ibid. p. 33.
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[67/0117] Von der Kunſt unter den Aegyptern ꝛc. In Marmor finden ſich, außer einem einzigen Kopfe, auf dem Cam- pidoglio eingemauert, welcher oben angefuͤhret iſt, keine alten Aegyptiſchen Werke in Rom; von weißem Marmor aber waren in Aegypten große Ge- baͤude aufgefuͤhret, wie die langen Gaͤnge und Saͤle 1) in der großen Py- ramide ſind 2). Man ſieht noch itzo daſelbſt von einem gelblichen Marmor Stuͤcke von Obelisken 3), von Statuen 4), und Sphinxe, von welchen der eine zwey und zwanzig Fuß in der Laͤnge hat, ja Coloſſaliſche Statuen, von weißem Marmor 5). Man hat auch ein Stuͤck von einem Obelisko in ſchwarzem Marmor 6) gefunden. Aus Roſſo antico iſt in der Villa Albani der Obertheil einer großen Statue; dieſelbe aber iſt, wie der Stil giebt, vermuthlich unter dem Kaiſer Hadrian gemacht, in deſſen Villa zu Tivoli dieſes Stuͤck entdecket worden. Aus Plaſma von Smaragd befindet ſich eine einzige kleine ſitzende Figur, in Geſtalt der Statue von Alabaſter, in eben dieſer Villa. Ich ſchließe dieſe Abhandlung uͤber die Kunſt der Aegypter mit der Anmerkung, daß niemals Muͤnzen dieſes Volks entdecket worden, aus welchen die Kentniß ihrer Kunſt haͤtte koͤnnen erweitert werden, und man koͤnnte daher zweifeln, ob die alten Aegypter gepraͤgte Muͤnzen gehabt haͤtten, wenn ſich nicht einige Anzeige bey den Scribenten faͤnde, wie der ſogenannte Obolus iſt, welcher den Todten in den Mund geleget wurde; und dieſerwegen iſt an Mumien, ſonderlich den uͤbermalten, wie die zu Bo- logna 1) Greave Deſcr. des Pyram. d’ Egypte. 2) Der beruͤhmte Peireſc gedenket in einem ſeiner ungedruckten Briefe an Menetrier von 1632. welche ſich in der Bibliothee des Hrn. Card. Alhani befinden, zweyer wie Mu- mien geſtalteter Werke, von welchen das eine von Probierſtein war, das andere von einem weißen und etwas weicheren Steine, als der Marmor. Dieſe waren hinterwerts hohl, ſo daß es Deckel auf Saͤrge balſamirter Koͤrper geweſen zu ſeyn ſchienen. Beyde Stuͤcke waren voller Hieroglyphen. Es waren dieſelben aus Aegypten nach Marſeille gebracht, und der Kaufmann, dem ſie gehoͤreten, forderte tauſend fuͤnfhundert Piſtolen dafuͤr. 3) Pococke’s Deſcr. of the Eaſt, T. 1. p. 15. 4) Ibid. p. 21. 5) Ibid. p. 93. 6) Ibid. p. 33. J 2

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/117>, abgerufen am 21.11.2024.