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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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Von der Kunst unter den Aegyptern etc.
sind wie Bilder, die in der Nähe müssen betrachtet werden, ausgeführet;
welches an dem Barberinischen, und sonderlich an dem Obelisko der Son-
nen, welche beyde liegen, zu sehen ist. An diesem ist sonderlich das Ohr
eines Sphinx mit so großem Verständnisse und Feinheit ausgearbeitet,
daß sich an Griechischen erhobenen Arheiten in Marmor kein so vollkommen
geendigtes Ohr findet. Eben diesen Fleiß sieht man an einem wirklich
alten Aegyptischen geschnittenen Steine des 1) Stoßischen Musei, welcher
in der Ausarbeitung den besten Griechischen geschnittenen Steinen nichts
nachgiebt. Es stellet dieser Stein, welches ein außerordentlich schöner
Onyx ist, eine sitzende Isis vor; es ist derselbe hohl, nach Art der Arbeit
auf den Obelisken, geschnitten, und da unter der oberen sehr dünnen Lage
von bräunlicher und eigener Farbe des Steins, ein weißes Blädgen lieget,
so sind bis dahin Gesicht, Arme und Hände, nebst dem Stuhle, tiefer ge-
arbeitet, um dieses weiß zu haben.

Die Augen höhleten die Aegyptischen Künstler zuweilen aus, um
einen Augapfel von besonderer Materie hineinzusetzen, wie man an einem
angeführten Kopfe von grünlichem Basalte in der Villa Albani, und an
einem anderen abgebrochenen Kopfe in der Villa Altieri sieht. An einem
anderen Kopfe nebst der Brust in dieser letzten Villa sind die Augen aus
einem Steine so genau eingepasset, daß sie hineingegossen scheinen.

Was zum zweyten die Materie betrifft, in welcher die AegyptischenB.
Von der Ma-
terie, in welche
die Aegypti-
schen Künstler
gearbeitet.

Werke gearbeitet sind, so finden sich Figuren in Holz, in Erzt, und in
Stein. Holzerne Figuren, nach Art der Mumien gestaltet, von Cedern,
sind drey in dem Museo des Collegii St. Ignatii zu Rom, von welchen die
eine übermalet ist. Der Granit, welches 2) der Aethiopische Marmor

des
1) Deser. des Pier. grav. du Cab. de Stosch, p. 13.
2) Pococke l. c. p. 45.

Von der Kunſt unter den Aegyptern ꝛc.
ſind wie Bilder, die in der Naͤhe muͤſſen betrachtet werden, ausgefuͤhret;
welches an dem Barberiniſchen, und ſonderlich an dem Obelisko der Son-
nen, welche beyde liegen, zu ſehen iſt. An dieſem iſt ſonderlich das Ohr
eines Sphinx mit ſo großem Verſtaͤndniſſe und Feinheit ausgearbeitet,
daß ſich an Griechiſchen erhobenen Arheiten in Marmor kein ſo vollkommen
geendigtes Ohr findet. Eben dieſen Fleiß ſieht man an einem wirklich
alten Aegyptiſchen geſchnittenen Steine des 1) Stoßiſchen Muſei, welcher
in der Ausarbeitung den beſten Griechiſchen geſchnittenen Steinen nichts
nachgiebt. Es ſtellet dieſer Stein, welches ein außerordentlich ſchoͤner
Onyx iſt, eine ſitzende Iſis vor; es iſt derſelbe hohl, nach Art der Arbeit
auf den Obelisken, geſchnitten, und da unter der oberen ſehr duͤnnen Lage
von braͤunlicher und eigener Farbe des Steins, ein weißes Blaͤdgen lieget,
ſo ſind bis dahin Geſicht, Arme und Haͤnde, nebſt dem Stuhle, tiefer ge-
arbeitet, um dieſes weiß zu haben.

Die Augen hoͤhleten die Aegyptiſchen Kuͤnſtler zuweilen aus, um
einen Augapfel von beſonderer Materie hineinzuſetzen, wie man an einem
angefuͤhrten Kopfe von gruͤnlichem Baſalte in der Villa Albani, und an
einem anderen abgebrochenen Kopfe in der Villa Altieri ſieht. An einem
anderen Kopfe nebſt der Bruſt in dieſer letzten Villa ſind die Augen aus
einem Steine ſo genau eingepaſſet, daß ſie hineingegoſſen ſcheinen.

Was zum zweyten die Materie betrifft, in welcher die AegyptiſchenB.
Von der Ma-
terie, in welche
die Aegypti-
ſchen Kuͤnſtler
gearbeitet.

Werke gearbeitet ſind, ſo finden ſich Figuren in Holz, in Erzt, und in
Stein. Holzerne Figuren, nach Art der Mumien geſtaltet, von Cedern,
ſind drey in dem Muſeo des Collegii St. Ignatii zu Rom, von welchen die
eine uͤbermalet iſt. Der Granit, welches 2) der Aethiopiſche Marmor

des
1) Deſer. des Pier. grav. du Cab. de Stoſch, p. 13.
2) Pococke l. c. p. 45.
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[63/0113] Von der Kunſt unter den Aegyptern ꝛc. ſind wie Bilder, die in der Naͤhe muͤſſen betrachtet werden, ausgefuͤhret; welches an dem Barberiniſchen, und ſonderlich an dem Obelisko der Son- nen, welche beyde liegen, zu ſehen iſt. An dieſem iſt ſonderlich das Ohr eines Sphinx mit ſo großem Verſtaͤndniſſe und Feinheit ausgearbeitet, daß ſich an Griechiſchen erhobenen Arheiten in Marmor kein ſo vollkommen geendigtes Ohr findet. Eben dieſen Fleiß ſieht man an einem wirklich alten Aegyptiſchen geſchnittenen Steine des 1) Stoßiſchen Muſei, welcher in der Ausarbeitung den beſten Griechiſchen geſchnittenen Steinen nichts nachgiebt. Es ſtellet dieſer Stein, welches ein außerordentlich ſchoͤner Onyx iſt, eine ſitzende Iſis vor; es iſt derſelbe hohl, nach Art der Arbeit auf den Obelisken, geſchnitten, und da unter der oberen ſehr duͤnnen Lage von braͤunlicher und eigener Farbe des Steins, ein weißes Blaͤdgen lieget, ſo ſind bis dahin Geſicht, Arme und Haͤnde, nebſt dem Stuhle, tiefer ge- arbeitet, um dieſes weiß zu haben. Die Augen hoͤhleten die Aegyptiſchen Kuͤnſtler zuweilen aus, um einen Augapfel von beſonderer Materie hineinzuſetzen, wie man an einem angefuͤhrten Kopfe von gruͤnlichem Baſalte in der Villa Albani, und an einem anderen abgebrochenen Kopfe in der Villa Altieri ſieht. An einem anderen Kopfe nebſt der Bruſt in dieſer letzten Villa ſind die Augen aus einem Steine ſo genau eingepaſſet, daß ſie hineingegoſſen ſcheinen. Was zum zweyten die Materie betrifft, in welcher die Aegyptiſchen Werke gearbeitet ſind, ſo finden ſich Figuren in Holz, in Erzt, und in Stein. Holzerne Figuren, nach Art der Mumien geſtaltet, von Cedern, ſind drey in dem Muſeo des Collegii St. Ignatii zu Rom, von welchen die eine uͤbermalet iſt. Der Granit, welches 2) der Aethiopiſche Marmor des B. Von der Ma- terie, in welche die Aegypti- ſchen Kuͤnſtler gearbeitet. 1) Deſer. des Pier. grav. du Cab. de Stoſch, p. 13. 2) Pococke l. c. p. 45.

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/113>, abgerufen am 21.11.2024.