Wildermuth, Ottilie: Streit in der Liebe und Liebe im Streit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 175–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Die Nachbarskinder. Mitten im Dorf stand des Schultheißen Haus, an den rothen Jalousieläden und dem zweistöckigen Bau zu unterscheiden von den Bauernhäusern, auch wenn der Herr Schultheiß nicht gerade sein Pfeifchen unter dem Fenster dampfte. Er war nicht eben, was man einen Herren Schultheiß nennt, er stammte vom Dorf und war in seiner Jugend hinter dem Dungwagen einhergeschritten, so gut wie Einer, aber er liebte jetzt mit den Herrn der Oberamtsstadt auf vertrautem Fuß zu stehen, sein selbstgezogener Wein und die Strauben und Küchlein der Frau Schultheißin standen in gutem Geruch. Neben des Schultheißen Haus stand ein sehr anspruchsloses Bauernhaus, einstöckig, mit getheilter Thüre, dessen stattliche Scheune, in der der Dreschertrakt noch bis Lichtmeß tönte, allein beurkundete, daß es einem "rechten", das heißt, vermöglichen Mann gehörte. Hinter dem Hause lag ein Gärtchen mit Salat und Krautsetzlingen bepflanzt, auch mit etlichen Sonnenblumen Die Nachbarskinder. Mitten im Dorf stand des Schultheißen Haus, an den rothen Jalousieläden und dem zweistöckigen Bau zu unterscheiden von den Bauernhäusern, auch wenn der Herr Schultheiß nicht gerade sein Pfeifchen unter dem Fenster dampfte. Er war nicht eben, was man einen Herren Schultheiß nennt, er stammte vom Dorf und war in seiner Jugend hinter dem Dungwagen einhergeschritten, so gut wie Einer, aber er liebte jetzt mit den Herrn der Oberamtsstadt auf vertrautem Fuß zu stehen, sein selbstgezogener Wein und die Strauben und Küchlein der Frau Schultheißin standen in gutem Geruch. Neben des Schultheißen Haus stand ein sehr anspruchsloses Bauernhaus, einstöckig, mit getheilter Thüre, dessen stattliche Scheune, in der der Dreschertrakt noch bis Lichtmeß tönte, allein beurkundete, daß es einem „rechten“, das heißt, vermöglichen Mann gehörte. Hinter dem Hause lag ein Gärtchen mit Salat und Krautsetzlingen bepflanzt, auch mit etlichen Sonnenblumen <TEI> <text> <pb facs="#f0010"/> <body> <div type="chapter" n="1"> <head>Die Nachbarskinder.</head><lb/> <p>Mitten im Dorf stand des Schultheißen Haus, an den rothen Jalousieläden und dem zweistöckigen Bau zu unterscheiden von den Bauernhäusern, auch wenn der Herr Schultheiß nicht gerade sein Pfeifchen unter dem Fenster dampfte. Er war nicht eben, was man einen Herren Schultheiß nennt, er stammte vom Dorf und war in seiner Jugend hinter dem Dungwagen einhergeschritten, so gut wie Einer, aber er liebte jetzt mit den Herrn der Oberamtsstadt auf vertrautem Fuß zu stehen, sein selbstgezogener Wein und die Strauben und Küchlein der Frau Schultheißin standen in gutem Geruch.</p><lb/> <p>Neben des Schultheißen Haus stand ein sehr anspruchsloses Bauernhaus, einstöckig, mit getheilter Thüre, dessen stattliche Scheune, in der der Dreschertrakt noch bis Lichtmeß tönte, allein beurkundete, daß es einem „rechten“, das heißt, vermöglichen Mann gehörte. Hinter dem Hause lag ein Gärtchen mit Salat und Krautsetzlingen bepflanzt, auch mit etlichen Sonnenblumen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0010]
Die Nachbarskinder.
Mitten im Dorf stand des Schultheißen Haus, an den rothen Jalousieläden und dem zweistöckigen Bau zu unterscheiden von den Bauernhäusern, auch wenn der Herr Schultheiß nicht gerade sein Pfeifchen unter dem Fenster dampfte. Er war nicht eben, was man einen Herren Schultheiß nennt, er stammte vom Dorf und war in seiner Jugend hinter dem Dungwagen einhergeschritten, so gut wie Einer, aber er liebte jetzt mit den Herrn der Oberamtsstadt auf vertrautem Fuß zu stehen, sein selbstgezogener Wein und die Strauben und Küchlein der Frau Schultheißin standen in gutem Geruch.
Neben des Schultheißen Haus stand ein sehr anspruchsloses Bauernhaus, einstöckig, mit getheilter Thüre, dessen stattliche Scheune, in der der Dreschertrakt noch bis Lichtmeß tönte, allein beurkundete, daß es einem „rechten“, das heißt, vermöglichen Mann gehörte. Hinter dem Hause lag ein Gärtchen mit Salat und Krautsetzlingen bepflanzt, auch mit etlichen Sonnenblumen
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Zitationshilfe: | Wildermuth, Ottilie: Streit in der Liebe und Liebe im Streit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 175–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wildermuth_streit_1910/10>, abgerufen am 16.02.2025. |