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Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Bessern; ich glaube nicht, das es einen besseren Menschen giebt. Und Marie soll vor allen Dingen glücklich sein. Was ist Ihnen? Warum werden Sie so blaß? ries sie plötzlich und näherte sich erschrocken der jungen Frau.

Doch Leonie hatte sich schon gefaßt. O nur eine flüchtige Anwandlung! sagte sie ruhig. Mein Mann hat doch Recht gehabt, und die Reise hat mich mehr angegriffen, als ich geglaubt. Und mit dem anmuthigsten Lächeln sich erhebend, umarmte sie Marie und wünschte ihr einfach und herzlich alles nur erdenkliche Glück. Ich muß nun gehen, sagte sie dann, mein Mann hat mir nur auf einige Minuten Urlaub gegeben, und jetzt habe ich Sie ja gesehen.

Ein lächelnder Abschied, das Versprechen, sich bald zu besuchen, wurden scherzend ausgetauscht; Leonie beugte sich noch einmal aus dem Schlage, sanft rollte der Wagen zum Thore hinaus, und sie sank bleich und mit entstelltem Gesicht in den Hintergrund desselben zurück.

Also doch zu spät! sagte sie mit geballten Händen und vor Schmerz und Zorn zusammengebissenen Zahnen. O, ich Närrin! Meinem Manne nachzugeben, als er darauf bestand, länger auf dem Lande zu bleiben! Zu glauben, Wochen, Monate schadeten nichts, wo ein einziger Tag vielleicht von solcher Wichtigkeit war! Ein Wort von mir hatte Alles anders gemacht, und nun ist es zu spät! -- Und doch -- warum zu spät? -- Hier versank sie in Gedanken, und der Schlangenbiss der Eifersucht in ihrem Herzen ließ allmählich nach. Kannte sie denn nicht mehr ihre eigene Macht? Freilich war er verlobt -- aber war Marie Diejenige, die eine blinde Leidenschaft einzulösen verstand? (und Leonie's Glaubensbekenntnis in der Liebe erkannte eben nichts Anderes an als blinde Leidenschaft.) Mariens Bild zog jetzt an ihrem Geiste vorüber, die keines Hilfsmittels bedurfte, um schön zu sein. Ja, sie war

Bessern; ich glaube nicht, das es einen besseren Menschen giebt. Und Marie soll vor allen Dingen glücklich sein. Was ist Ihnen? Warum werden Sie so blaß? ries sie plötzlich und näherte sich erschrocken der jungen Frau.

Doch Leonie hatte sich schon gefaßt. O nur eine flüchtige Anwandlung! sagte sie ruhig. Mein Mann hat doch Recht gehabt, und die Reise hat mich mehr angegriffen, als ich geglaubt. Und mit dem anmuthigsten Lächeln sich erhebend, umarmte sie Marie und wünschte ihr einfach und herzlich alles nur erdenkliche Glück. Ich muß nun gehen, sagte sie dann, mein Mann hat mir nur auf einige Minuten Urlaub gegeben, und jetzt habe ich Sie ja gesehen.

Ein lächelnder Abschied, das Versprechen, sich bald zu besuchen, wurden scherzend ausgetauscht; Leonie beugte sich noch einmal aus dem Schlage, sanft rollte der Wagen zum Thore hinaus, und sie sank bleich und mit entstelltem Gesicht in den Hintergrund desselben zurück.

Also doch zu spät! sagte sie mit geballten Händen und vor Schmerz und Zorn zusammengebissenen Zahnen. O, ich Närrin! Meinem Manne nachzugeben, als er darauf bestand, länger auf dem Lande zu bleiben! Zu glauben, Wochen, Monate schadeten nichts, wo ein einziger Tag vielleicht von solcher Wichtigkeit war! Ein Wort von mir hatte Alles anders gemacht, und nun ist es zu spät! — Und doch — warum zu spät? — Hier versank sie in Gedanken, und der Schlangenbiss der Eifersucht in ihrem Herzen ließ allmählich nach. Kannte sie denn nicht mehr ihre eigene Macht? Freilich war er verlobt — aber war Marie Diejenige, die eine blinde Leidenschaft einzulösen verstand? (und Leonie's Glaubensbekenntnis in der Liebe erkannte eben nichts Anderes an als blinde Leidenschaft.) Mariens Bild zog jetzt an ihrem Geiste vorüber, die keines Hilfsmittels bedurfte, um schön zu sein. Ja, sie war

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[0063] Bessern; ich glaube nicht, das es einen besseren Menschen giebt. Und Marie soll vor allen Dingen glücklich sein. Was ist Ihnen? Warum werden Sie so blaß? ries sie plötzlich und näherte sich erschrocken der jungen Frau. Doch Leonie hatte sich schon gefaßt. O nur eine flüchtige Anwandlung! sagte sie ruhig. Mein Mann hat doch Recht gehabt, und die Reise hat mich mehr angegriffen, als ich geglaubt. Und mit dem anmuthigsten Lächeln sich erhebend, umarmte sie Marie und wünschte ihr einfach und herzlich alles nur erdenkliche Glück. Ich muß nun gehen, sagte sie dann, mein Mann hat mir nur auf einige Minuten Urlaub gegeben, und jetzt habe ich Sie ja gesehen. Ein lächelnder Abschied, das Versprechen, sich bald zu besuchen, wurden scherzend ausgetauscht; Leonie beugte sich noch einmal aus dem Schlage, sanft rollte der Wagen zum Thore hinaus, und sie sank bleich und mit entstelltem Gesicht in den Hintergrund desselben zurück. Also doch zu spät! sagte sie mit geballten Händen und vor Schmerz und Zorn zusammengebissenen Zahnen. O, ich Närrin! Meinem Manne nachzugeben, als er darauf bestand, länger auf dem Lande zu bleiben! Zu glauben, Wochen, Monate schadeten nichts, wo ein einziger Tag vielleicht von solcher Wichtigkeit war! Ein Wort von mir hatte Alles anders gemacht, und nun ist es zu spät! — Und doch — warum zu spät? — Hier versank sie in Gedanken, und der Schlangenbiss der Eifersucht in ihrem Herzen ließ allmählich nach. Kannte sie denn nicht mehr ihre eigene Macht? Freilich war er verlobt — aber war Marie Diejenige, die eine blinde Leidenschaft einzulösen verstand? (und Leonie's Glaubensbekenntnis in der Liebe erkannte eben nichts Anderes an als blinde Leidenschaft.) Mariens Bild zog jetzt an ihrem Geiste vorüber, die keines Hilfsmittels bedurfte, um schön zu sein. Ja, sie war

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Zitationshilfe: Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/63>, abgerufen am 27.11.2024.