Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.los in die Augen in einem starren, finsteren Trotze, in dem ihre zarte Gestalt weit über natürliche Größe emporzuwachsen schien. -- Ich bleibe! sagte sie leise, aber fest. Ein heiseres Lachen klang durch das Zimmer; es war die Kranke, die triumphirend zu dem Grafen hinübersah. Seine Augen blitzten, und eine dunkle Rathe bedeckte seine Stirne. Doch noch einmal bezwang er sich, er trat dem Lehnstuhle näher, in welchem die Kranke lag, und legte seine Hand auf Leonies Haupt. Ich werde sie beschützen, selbst gegen dich, sagte er. Was du ihr sagen willst, passt nicht für ein so junges Ohr. Er sah nur den Blick der Kranken, es war ihre einzige Antwort, aber dieser Blick war eben so lauernd, entschlossen und kalt, als er ihn nur je in der vollen Kraft des Lebens an ihr gesehen. Einen Augenblick dachte er daran, das Mädchen mit Gewalt fortbringen zu lassen, aber eben so schnell gab er den Gedanken wieder auf. Seine Gestalt hob sich hoher, sein zürnender Blick begegnete fest dem ihrigen. Gut, so werde ich reden, fuhr er mit langsamer Betonung fort, und dann wähle zwischen mir und dir. Da ging eine merkwürdige Veränderung mit der Kranken vor; ihr Auge schien vor dem des gehassten Mannes zurückzuweichen, das stechende Feuer, das ihn daraus angeglüht, erlosch nach und nach, sie schlug die bleichen Hände zitternd vor das Gesicht. Geh, hauchte sie fast tonlos, geh, Leonie, es ist besser so! und sie zog sich immer tiefer in den Lehnstuhl zurück, als schauere sie vor einem entsetzlichen Gebilde ihrer Phantasie. Zögernd blickte das junge Mädchen zu ihr auf. Da trat der Graf hinzu, hob sie fast mit Heftigkeit von der Erde, zog sie zurück und hielt sie an seiner Seite fest. Die Augen der Sterbenden folgten ihm mit einem furchtbar angstvollen Blicke. Jetzt wendete er sich wieder zu ihr. Du hast keinen Priester sehen wollen, daß er die los in die Augen in einem starren, finsteren Trotze, in dem ihre zarte Gestalt weit über natürliche Größe emporzuwachsen schien. — Ich bleibe! sagte sie leise, aber fest. Ein heiseres Lachen klang durch das Zimmer; es war die Kranke, die triumphirend zu dem Grafen hinübersah. Seine Augen blitzten, und eine dunkle Rathe bedeckte seine Stirne. Doch noch einmal bezwang er sich, er trat dem Lehnstuhle näher, in welchem die Kranke lag, und legte seine Hand auf Leonies Haupt. Ich werde sie beschützen, selbst gegen dich, sagte er. Was du ihr sagen willst, passt nicht für ein so junges Ohr. Er sah nur den Blick der Kranken, es war ihre einzige Antwort, aber dieser Blick war eben so lauernd, entschlossen und kalt, als er ihn nur je in der vollen Kraft des Lebens an ihr gesehen. Einen Augenblick dachte er daran, das Mädchen mit Gewalt fortbringen zu lassen, aber eben so schnell gab er den Gedanken wieder auf. Seine Gestalt hob sich hoher, sein zürnender Blick begegnete fest dem ihrigen. Gut, so werde ich reden, fuhr er mit langsamer Betonung fort, und dann wähle zwischen mir und dir. Da ging eine merkwürdige Veränderung mit der Kranken vor; ihr Auge schien vor dem des gehassten Mannes zurückzuweichen, das stechende Feuer, das ihn daraus angeglüht, erlosch nach und nach, sie schlug die bleichen Hände zitternd vor das Gesicht. Geh, hauchte sie fast tonlos, geh, Leonie, es ist besser so! und sie zog sich immer tiefer in den Lehnstuhl zurück, als schauere sie vor einem entsetzlichen Gebilde ihrer Phantasie. Zögernd blickte das junge Mädchen zu ihr auf. Da trat der Graf hinzu, hob sie fast mit Heftigkeit von der Erde, zog sie zurück und hielt sie an seiner Seite fest. Die Augen der Sterbenden folgten ihm mit einem furchtbar angstvollen Blicke. Jetzt wendete er sich wieder zu ihr. Du hast keinen Priester sehen wollen, daß er die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0038"/> los in die Augen in einem starren, finsteren Trotze, in dem ihre zarte Gestalt weit über natürliche Größe emporzuwachsen schien. — Ich bleibe! sagte sie leise, aber fest. Ein heiseres Lachen klang durch das Zimmer; es war die Kranke, die triumphirend zu dem Grafen hinübersah.</p><lb/> <p>Seine Augen blitzten, und eine dunkle Rathe bedeckte seine Stirne. Doch noch einmal bezwang er sich, er trat dem Lehnstuhle näher, in welchem die Kranke lag, und legte seine Hand auf Leonies Haupt.</p><lb/> <p>Ich werde sie beschützen, selbst gegen dich, sagte er. Was du ihr sagen willst, passt nicht für ein so junges Ohr. 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Seine Augen blitzten, und eine dunkle Rathe bedeckte seine Stirne. Doch noch einmal bezwang er sich, er trat dem Lehnstuhle näher, in welchem die Kranke lag, und legte seine Hand auf Leonies Haupt.
Ich werde sie beschützen, selbst gegen dich, sagte er. Was du ihr sagen willst, passt nicht für ein so junges Ohr. Er sah nur den Blick der Kranken, es war ihre einzige Antwort, aber dieser Blick war eben so lauernd, entschlossen und kalt, als er ihn nur je in der vollen Kraft des Lebens an ihr gesehen. Einen Augenblick dachte er daran, das Mädchen mit Gewalt fortbringen zu lassen, aber eben so schnell gab er den Gedanken wieder auf. Seine Gestalt hob sich hoher, sein zürnender Blick begegnete fest dem ihrigen.
Gut, so werde ich reden, fuhr er mit langsamer Betonung fort, und dann wähle zwischen mir und dir. Da ging eine merkwürdige Veränderung mit der Kranken vor; ihr Auge schien vor dem des gehassten Mannes zurückzuweichen, das stechende Feuer, das ihn daraus angeglüht, erlosch nach und nach, sie schlug die bleichen Hände zitternd vor das Gesicht. Geh, hauchte sie fast tonlos, geh, Leonie, es ist besser so! und sie zog sich immer tiefer in den Lehnstuhl zurück, als schauere sie vor einem entsetzlichen Gebilde ihrer Phantasie.
Zögernd blickte das junge Mädchen zu ihr auf. Da trat der Graf hinzu, hob sie fast mit Heftigkeit von der Erde, zog sie zurück und hielt sie an seiner Seite fest. Die Augen der Sterbenden folgten ihm mit einem furchtbar angstvollen Blicke. Jetzt wendete er sich wieder zu ihr.
Du hast keinen Priester sehen wollen, daß er die
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Zitationshilfe: | Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/38>, abgerufen am 16.02.2025. |