Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Engel! Meine Mutter mag es mir verzeihen, wenn ich eine Sünde begehe; aber ich verzichte gern auf den Himmel, der ihr Wohnsitz ist, wenn ich nur dich ganz und allein besitzen kann! Sie schwieg. Seine Seele stieg in einem stummen Gebete des Dankes zu demselben Himmel auf, dem er so eben entsagt, denn die höchste Freude hat überall nur Eine Sprache. O, dachte Leonie, die Liebe ist süß! Louis, mein Louis, ja, ich liebe dich! Sterben wäre besser, als dir zu entsagen -- aber warum alles Andere opfern? -- Können wir nicht auch ohne das glücklich sein? Die Hausglocke ertönte. Leonie fuhr horchend aus Louis Armen auf. Es ist ein Besuch, sagte sie, gleich wird man hier sein. -- Und sie setzte sich an das Klavier. Laß dich verleugnen, erwiderte er, ungehalten über die Störung. Das kann ich nicht, was würden meine Leute sagen? versetzte sie, im Grunde froh, das gefährliche Gespräch beendet zu sehen. Wie wäre es, Herr Marquis, wenn Sie Ihre Stirn zu einiger Freundlichkeit zwingen wollten, die Leute laufen mir sonst davon? sagte sie scherzend zu Louis, der in mürrischer Verstimmung mitten im Zimmer stand. Der rasche Wechsel ihrer Laune hatte ihn außerordentlich peinlich berührt. Ich werde gehen, erwiderte er. Sie wandte sich schmollend um. Als er auf der Schwelle war, blickten Beide nach einander um. Meine Leonie, verzeihe mir! rief er ihr zu. Mein Louis! war Alles, was sie sagte, aber ihre ganze Liebe klang voll in dem Tone. Sie warf ihm einen Kuß nach, als er unter der Thüre verschwand. O, sagte sie, Otto hat Recht, ich darf ihn nicht Engel! Meine Mutter mag es mir verzeihen, wenn ich eine Sünde begehe; aber ich verzichte gern auf den Himmel, der ihr Wohnsitz ist, wenn ich nur dich ganz und allein besitzen kann! Sie schwieg. Seine Seele stieg in einem stummen Gebete des Dankes zu demselben Himmel auf, dem er so eben entsagt, denn die höchste Freude hat überall nur Eine Sprache. O, dachte Leonie, die Liebe ist süß! Louis, mein Louis, ja, ich liebe dich! Sterben wäre besser, als dir zu entsagen — aber warum alles Andere opfern? — Können wir nicht auch ohne das glücklich sein? Die Hausglocke ertönte. Leonie fuhr horchend aus Louis Armen auf. Es ist ein Besuch, sagte sie, gleich wird man hier sein. — Und sie setzte sich an das Klavier. Laß dich verleugnen, erwiderte er, ungehalten über die Störung. Das kann ich nicht, was würden meine Leute sagen? versetzte sie, im Grunde froh, das gefährliche Gespräch beendet zu sehen. Wie wäre es, Herr Marquis, wenn Sie Ihre Stirn zu einiger Freundlichkeit zwingen wollten, die Leute laufen mir sonst davon? sagte sie scherzend zu Louis, der in mürrischer Verstimmung mitten im Zimmer stand. Der rasche Wechsel ihrer Laune hatte ihn außerordentlich peinlich berührt. Ich werde gehen, erwiderte er. Sie wandte sich schmollend um. Als er auf der Schwelle war, blickten Beide nach einander um. Meine Leonie, verzeihe mir! rief er ihr zu. Mein Louis! war Alles, was sie sagte, aber ihre ganze Liebe klang voll in dem Tone. Sie warf ihm einen Kuß nach, als er unter der Thüre verschwand. O, sagte sie, Otto hat Recht, ich darf ihn nicht <TEI> <text> <body> <div n="3"> <pb facs="#f0149"/> <p>Engel! Meine Mutter mag es mir verzeihen, wenn ich eine Sünde begehe; aber ich verzichte gern auf den Himmel, der ihr Wohnsitz ist, wenn ich nur dich ganz und allein besitzen kann!</p><lb/> <p>Sie schwieg. 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Engel! Meine Mutter mag es mir verzeihen, wenn ich eine Sünde begehe; aber ich verzichte gern auf den Himmel, der ihr Wohnsitz ist, wenn ich nur dich ganz und allein besitzen kann!
Sie schwieg. Seine Seele stieg in einem stummen Gebete des Dankes zu demselben Himmel auf, dem er so eben entsagt, denn die höchste Freude hat überall nur Eine Sprache.
O, dachte Leonie, die Liebe ist süß! Louis, mein Louis, ja, ich liebe dich! Sterben wäre besser, als dir zu entsagen — aber warum alles Andere opfern? — Können wir nicht auch ohne das glücklich sein?
Die Hausglocke ertönte. Leonie fuhr horchend aus Louis Armen auf.
Es ist ein Besuch, sagte sie, gleich wird man hier sein. — Und sie setzte sich an das Klavier.
Laß dich verleugnen, erwiderte er, ungehalten über die Störung.
Das kann ich nicht, was würden meine Leute sagen? versetzte sie, im Grunde froh, das gefährliche Gespräch beendet zu sehen.
Wie wäre es, Herr Marquis, wenn Sie Ihre Stirn zu einiger Freundlichkeit zwingen wollten, die Leute laufen mir sonst davon? sagte sie scherzend zu Louis, der in mürrischer Verstimmung mitten im Zimmer stand.
Der rasche Wechsel ihrer Laune hatte ihn außerordentlich peinlich berührt. Ich werde gehen, erwiderte er. Sie wandte sich schmollend um. Als er auf der Schwelle war, blickten Beide nach einander um. Meine Leonie, verzeihe mir! rief er ihr zu.
Mein Louis! war Alles, was sie sagte, aber ihre ganze Liebe klang voll in dem Tone. Sie warf ihm einen Kuß nach, als er unter der Thüre verschwand.
O, sagte sie, Otto hat Recht, ich darf ihn nicht
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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-16T13:30:48Z)
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Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
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