Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

garten also begab er sich, und hier endlich, am Arme ihres Mannes, den zarten Leib weich und warm in kostbare Pelze gehüllt, gewährte er Leonie unter einem nickenden Federhut, der ihm schon von Weitem zuzuwinken schien. Sie waren alle beisammen und hatten einige Bekannte getroffen, mit denen sie plaudernd die Promenade fortsetzten, so das, wenigstens für den Augenblick, an ein besonderes Gespräch gar nicht zu denken war. Aber Leonie's Augen sagten genug, und der warme Freudenstrahl, der ihm entflog, traf den jungen Mann mitten in das Herz.

Was sagen Sie zu meinem Anzuge? sagte sie, als er an ihrer Seite weiter ging.

In der That, ein wenig schwer für diese Jahreszeit.

Denken Sie, ich habe zufällig ein wenig gehustet, und mein Mann hat eine solche Angst, seine kleine, schlimme Frau zu verlieren, daß er mich mit einer vollkommenen Wintergarderobe behängt hat. Solche Dinge muß man mit sich geschehen lassen, wenn man verheirathet ist.

Wenn ich nicht sorgfältiger wäre als du, du wärest mir längst zu einem kleinen Eiszapfen eingefroren, sagte ihr Mann.

Und das ist allerdings ein Glück. Als Mädchen wäre ich nach meinem Geschmack erfroren, als Frau steht mir das hohe Privilegium zu, einmal nach deinem Geschmack zu ersticken.

Er lachte -- Louis verdroß, wie immer, ihre unbefangene Vertraulichkeit mit ihrem Manne.

Dort sehe ich Jemand, mit dem ich durchaus sprechen muß, rief plötzlich der Graf. Herr Marquis, darf ich Ihnen meine Frau auf einen Augenblick anvertrauen? Und er entfernte sich rasch.

Wir werden dich erwarten, rief Leonie ihm nach. Sie gingen etwas langsamer, und die übrige Gesellschaft kam ihnen unmerklich voraus. Aber sie wollte es nicht zu einem besonderen Gespräch kommen lassen, sie fürchtete

garten also begab er sich, und hier endlich, am Arme ihres Mannes, den zarten Leib weich und warm in kostbare Pelze gehüllt, gewährte er Leonie unter einem nickenden Federhut, der ihm schon von Weitem zuzuwinken schien. Sie waren alle beisammen und hatten einige Bekannte getroffen, mit denen sie plaudernd die Promenade fortsetzten, so das, wenigstens für den Augenblick, an ein besonderes Gespräch gar nicht zu denken war. Aber Leonie's Augen sagten genug, und der warme Freudenstrahl, der ihm entflog, traf den jungen Mann mitten in das Herz.

Was sagen Sie zu meinem Anzuge? sagte sie, als er an ihrer Seite weiter ging.

In der That, ein wenig schwer für diese Jahreszeit.

Denken Sie, ich habe zufällig ein wenig gehustet, und mein Mann hat eine solche Angst, seine kleine, schlimme Frau zu verlieren, daß er mich mit einer vollkommenen Wintergarderobe behängt hat. Solche Dinge muß man mit sich geschehen lassen, wenn man verheirathet ist.

Wenn ich nicht sorgfältiger wäre als du, du wärest mir längst zu einem kleinen Eiszapfen eingefroren, sagte ihr Mann.

Und das ist allerdings ein Glück. Als Mädchen wäre ich nach meinem Geschmack erfroren, als Frau steht mir das hohe Privilegium zu, einmal nach deinem Geschmack zu ersticken.

Er lachte — Louis verdroß, wie immer, ihre unbefangene Vertraulichkeit mit ihrem Manne.

Dort sehe ich Jemand, mit dem ich durchaus sprechen muß, rief plötzlich der Graf. Herr Marquis, darf ich Ihnen meine Frau auf einen Augenblick anvertrauen? Und er entfernte sich rasch.

Wir werden dich erwarten, rief Leonie ihm nach. Sie gingen etwas langsamer, und die übrige Gesellschaft kam ihnen unmerklich voraus. Aber sie wollte es nicht zu einem besonderen Gespräch kommen lassen, sie fürchtete

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="3">
        <p><pb facs="#f0136"/>
garten also begab er sich, und hier endlich, am Arme ihres Mannes, den zarten Leib weich      und warm in kostbare Pelze gehüllt, gewährte er Leonie unter einem nickenden Federhut, der ihm      schon von Weitem zuzuwinken schien. Sie waren alle beisammen und hatten einige Bekannte      getroffen, mit denen sie plaudernd die Promenade fortsetzten, so das, wenigstens für den      Augenblick, an ein besonderes Gespräch gar nicht zu denken war. Aber Leonie's Augen sagten      genug, und der warme Freudenstrahl, der ihm entflog, traf den jungen Mann mitten in das      Herz.</p><lb/>
        <p>Was sagen Sie zu meinem Anzuge? sagte sie, als er an ihrer Seite weiter ging.</p><lb/>
        <p>In der That, ein wenig schwer für diese Jahreszeit.</p><lb/>
        <p>Denken Sie, ich habe zufällig ein wenig gehustet, und mein Mann hat eine solche Angst, seine      kleine, schlimme Frau zu verlieren, daß er mich mit einer vollkommenen Wintergarderobe behängt      hat. Solche Dinge muß man mit sich geschehen lassen, wenn man verheirathet ist.</p><lb/>
        <p>Wenn ich nicht sorgfältiger wäre als du, du wärest mir längst zu einem kleinen Eiszapfen      eingefroren, sagte ihr Mann.</p><lb/>
        <p>Und das ist allerdings ein Glück. Als Mädchen wäre ich nach meinem Geschmack erfroren, als      Frau steht mir das hohe Privilegium zu, einmal nach deinem Geschmack zu ersticken.</p><lb/>
        <p>Er lachte &#x2014; Louis verdroß, wie immer, ihre unbefangene Vertraulichkeit mit ihrem Manne.</p><lb/>
        <p>Dort sehe ich Jemand, mit dem ich durchaus sprechen muß, rief plötzlich der Graf. Herr      Marquis, darf ich Ihnen meine Frau auf einen Augenblick anvertrauen? Und er entfernte sich      rasch.</p><lb/>
        <p>Wir werden dich erwarten, rief Leonie ihm nach. Sie gingen etwas langsamer, und die übrige      Gesellschaft kam ihnen unmerklich voraus. Aber sie wollte es nicht zu einem besonderen Gespräch      kommen lassen, sie fürchtete<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0136] garten also begab er sich, und hier endlich, am Arme ihres Mannes, den zarten Leib weich und warm in kostbare Pelze gehüllt, gewährte er Leonie unter einem nickenden Federhut, der ihm schon von Weitem zuzuwinken schien. Sie waren alle beisammen und hatten einige Bekannte getroffen, mit denen sie plaudernd die Promenade fortsetzten, so das, wenigstens für den Augenblick, an ein besonderes Gespräch gar nicht zu denken war. Aber Leonie's Augen sagten genug, und der warme Freudenstrahl, der ihm entflog, traf den jungen Mann mitten in das Herz. Was sagen Sie zu meinem Anzuge? sagte sie, als er an ihrer Seite weiter ging. In der That, ein wenig schwer für diese Jahreszeit. Denken Sie, ich habe zufällig ein wenig gehustet, und mein Mann hat eine solche Angst, seine kleine, schlimme Frau zu verlieren, daß er mich mit einer vollkommenen Wintergarderobe behängt hat. Solche Dinge muß man mit sich geschehen lassen, wenn man verheirathet ist. Wenn ich nicht sorgfältiger wäre als du, du wärest mir längst zu einem kleinen Eiszapfen eingefroren, sagte ihr Mann. Und das ist allerdings ein Glück. Als Mädchen wäre ich nach meinem Geschmack erfroren, als Frau steht mir das hohe Privilegium zu, einmal nach deinem Geschmack zu ersticken. Er lachte — Louis verdroß, wie immer, ihre unbefangene Vertraulichkeit mit ihrem Manne. Dort sehe ich Jemand, mit dem ich durchaus sprechen muß, rief plötzlich der Graf. Herr Marquis, darf ich Ihnen meine Frau auf einen Augenblick anvertrauen? Und er entfernte sich rasch. Wir werden dich erwarten, rief Leonie ihm nach. Sie gingen etwas langsamer, und die übrige Gesellschaft kam ihnen unmerklich voraus. Aber sie wollte es nicht zu einem besonderen Gespräch kommen lassen, sie fürchtete

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:30:48Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:30:48Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/136
Zitationshilfe: Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/136>, abgerufen am 23.11.2024.