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Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Aber Marie?

Marie ist viel zu vernünftig, um einem Traum nachzuhängen, der sich mit unserer Einwilligung nie erfüllen kann.

Sie glauben also, das, wenn ein Anderer es versuchte --?

O, unterbrach die entzückte Baronin, was das betrifft, so haben sie noch nicht daran gedacht. Marie wird freilich nicht unverheirathet bleiben, weil zufällig der erste Mann, den wir ihr bestimmt, nicht für sie gepaßt, -- denn im Grunde waren wir es mehr, das heißt, mein Mann, der ihn gewählt, als sie, das arme Kind, die nun die Folgen trägt. Sie wissen, setzte sie vertraulich hinzu und rückte der Gräfin näher, mein Mann hat seine Mutter, die Marquise de Chanteloup, in Paris gekannt -- es ist nun sehr lange her -- ich war damals Braut, und nach seiner Rückkehr sollte unsere Hochzeit sein. Die Marquise war sehr schön, glaube ich, und sehr unglücklich, und es entstand da so eine kleine Schwärmerei. Wenn eine Frau glücklich sein will, so forscht sie nicht zu viel nach solchen Vergangenheiten und begnügt sich mit der Gegenwart. Aber wie gesagt, es war eine romantische Idee meines Mannes, der Marquis müsse wie seine Mutter sein, und da hatte er denn nahezu unser armes Kind recht unglücklich gemacht. Jetzt freilich wird sie es überwinden, meine Marie ist zu gut und verständig, es nicht zu thun, sie weiß, was sie uns schuldig ist. Und sehen Sie, liebe Gräfin -- hier rückte sie noch näher, -- ich glaube, die wahre Liebe wird für sie erst anfangen, wenn sie einmal verheirathet ist. Nun aber, natürlich, er war doch ihr Bräutigam, und so gehört Zeit dazu, bis sie diese erste Täuschung überwunden hat. Ihr Herz muß ausruhen von der Erschütterung, bevor er wieder Vertrauen fassen kann, und selbst die glänzendsten Aussichten, -- hier nahm sie Leonie's Hand, -- ja die ehrenvollsten, denen wir uns am liebsten zuwenden möchten,

Aber Marie?

Marie ist viel zu vernünftig, um einem Traum nachzuhängen, der sich mit unserer Einwilligung nie erfüllen kann.

Sie glauben also, das, wenn ein Anderer es versuchte —?

O, unterbrach die entzückte Baronin, was das betrifft, so haben sie noch nicht daran gedacht. Marie wird freilich nicht unverheirathet bleiben, weil zufällig der erste Mann, den wir ihr bestimmt, nicht für sie gepaßt, — denn im Grunde waren wir es mehr, das heißt, mein Mann, der ihn gewählt, als sie, das arme Kind, die nun die Folgen trägt. Sie wissen, setzte sie vertraulich hinzu und rückte der Gräfin näher, mein Mann hat seine Mutter, die Marquise de Chanteloup, in Paris gekannt — es ist nun sehr lange her — ich war damals Braut, und nach seiner Rückkehr sollte unsere Hochzeit sein. Die Marquise war sehr schön, glaube ich, und sehr unglücklich, und es entstand da so eine kleine Schwärmerei. Wenn eine Frau glücklich sein will, so forscht sie nicht zu viel nach solchen Vergangenheiten und begnügt sich mit der Gegenwart. Aber wie gesagt, es war eine romantische Idee meines Mannes, der Marquis müsse wie seine Mutter sein, und da hatte er denn nahezu unser armes Kind recht unglücklich gemacht. Jetzt freilich wird sie es überwinden, meine Marie ist zu gut und verständig, es nicht zu thun, sie weiß, was sie uns schuldig ist. Und sehen Sie, liebe Gräfin — hier rückte sie noch näher, — ich glaube, die wahre Liebe wird für sie erst anfangen, wenn sie einmal verheirathet ist. Nun aber, natürlich, er war doch ihr Bräutigam, und so gehört Zeit dazu, bis sie diese erste Täuschung überwunden hat. Ihr Herz muß ausruhen von der Erschütterung, bevor er wieder Vertrauen fassen kann, und selbst die glänzendsten Aussichten, — hier nahm sie Leonie's Hand, — ja die ehrenvollsten, denen wir uns am liebsten zuwenden möchten,

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[0128] Aber Marie? Marie ist viel zu vernünftig, um einem Traum nachzuhängen, der sich mit unserer Einwilligung nie erfüllen kann. Sie glauben also, das, wenn ein Anderer es versuchte —? O, unterbrach die entzückte Baronin, was das betrifft, so haben sie noch nicht daran gedacht. Marie wird freilich nicht unverheirathet bleiben, weil zufällig der erste Mann, den wir ihr bestimmt, nicht für sie gepaßt, — denn im Grunde waren wir es mehr, das heißt, mein Mann, der ihn gewählt, als sie, das arme Kind, die nun die Folgen trägt. Sie wissen, setzte sie vertraulich hinzu und rückte der Gräfin näher, mein Mann hat seine Mutter, die Marquise de Chanteloup, in Paris gekannt — es ist nun sehr lange her — ich war damals Braut, und nach seiner Rückkehr sollte unsere Hochzeit sein. Die Marquise war sehr schön, glaube ich, und sehr unglücklich, und es entstand da so eine kleine Schwärmerei. Wenn eine Frau glücklich sein will, so forscht sie nicht zu viel nach solchen Vergangenheiten und begnügt sich mit der Gegenwart. Aber wie gesagt, es war eine romantische Idee meines Mannes, der Marquis müsse wie seine Mutter sein, und da hatte er denn nahezu unser armes Kind recht unglücklich gemacht. Jetzt freilich wird sie es überwinden, meine Marie ist zu gut und verständig, es nicht zu thun, sie weiß, was sie uns schuldig ist. Und sehen Sie, liebe Gräfin — hier rückte sie noch näher, — ich glaube, die wahre Liebe wird für sie erst anfangen, wenn sie einmal verheirathet ist. Nun aber, natürlich, er war doch ihr Bräutigam, und so gehört Zeit dazu, bis sie diese erste Täuschung überwunden hat. Ihr Herz muß ausruhen von der Erschütterung, bevor er wieder Vertrauen fassen kann, und selbst die glänzendsten Aussichten, — hier nahm sie Leonie's Hand, — ja die ehrenvollsten, denen wir uns am liebsten zuwenden möchten,

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:30:48Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:30:48Z)

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Zitationshilfe: Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/128>, abgerufen am 27.11.2024.