Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.möchte nicht, daß Sie sich Täuschungen hingäben. Marie ist in Allem dem Willen ihrer Eltern unterthan. Sie ist glücklich -- wenn sie auch die höchsten Freuden des Lebens nie kennen wird, sein bitterster Schmerz bleibt ihr ebenso fremd. -- sie ist glücklich, setzte sie nach einer Pause hinzu, und dann leise wie ein entfliehender Hauch, ich wollte, ich wäre wie sie. Sie wandte das Gesicht hinweg, und Louis glaubte eine Thräne an den langen, dunklen Wimpern zittern zu sehen. Er war so betroffen, so beklommen, so entzückt, und doch voll so unnennbarer Angst, daß er keine Worte für seine Gefühle fand. Sie, rief er endlich. Sie, die trotzt Allen Angebetete, die Bewunderte, die Glückliche, Sie reden so? Sie warf ihm einen Blick zu voll wehmüthiger Ironie, ein schwaches Lächeln öffnete den reizenden Mund: Es ist nicht Alles Gold was glänzt, sagte sie leise, und sich flüchtig verneigend entfernte sie sich. Louis dachte an keine Falschheit mehr. Wie gefällt dir der französische Marquis? frug der Graf seinen Sohn auf der Heimfahrt von der Soiree. Mein Gott! sagte Otto, er ist ja fast wie ein Mädchen. Der Graf antwortete nicht, er hatte viel zu denken, und Otto hing ebenfalls seinen eigenen Gedanken nach. Trotz Leonie's Bemühen, bildete sich kein besonders freundschaftliches Verhältnis zwischen den jungen Leuten aus. Bei Otto mochte eine kleine Eifersucht mit im Spiele sein, bei Louis war es die unüberwindliche Abneigung, eine Freundschaft zu suchen, die für ihn doch nur ein Mittel zum Verrathe war. Selbst dem alten Grafen wich er aus, der eine ungewöhnliche Theilnahme für den jungen, allein stehenden Mann bewies. Der unangenehme Eindruck, den sein erster Anblick offenbar auf ihn gemacht, schien vollkommen verwischt. Er vermittelte mit großem Eifer seine Beförderung; als aber diese eintraf, wies Louis sie aus den obengenannten möchte nicht, daß Sie sich Täuschungen hingäben. Marie ist in Allem dem Willen ihrer Eltern unterthan. Sie ist glücklich — wenn sie auch die höchsten Freuden des Lebens nie kennen wird, sein bitterster Schmerz bleibt ihr ebenso fremd. — sie ist glücklich, setzte sie nach einer Pause hinzu, und dann leise wie ein entfliehender Hauch, ich wollte, ich wäre wie sie. Sie wandte das Gesicht hinweg, und Louis glaubte eine Thräne an den langen, dunklen Wimpern zittern zu sehen. Er war so betroffen, so beklommen, so entzückt, und doch voll so unnennbarer Angst, daß er keine Worte für seine Gefühle fand. Sie, rief er endlich. Sie, die trotzt Allen Angebetete, die Bewunderte, die Glückliche, Sie reden so? Sie warf ihm einen Blick zu voll wehmüthiger Ironie, ein schwaches Lächeln öffnete den reizenden Mund: Es ist nicht Alles Gold was glänzt, sagte sie leise, und sich flüchtig verneigend entfernte sie sich. Louis dachte an keine Falschheit mehr. Wie gefällt dir der französische Marquis? frug der Graf seinen Sohn auf der Heimfahrt von der Soirée. Mein Gott! sagte Otto, er ist ja fast wie ein Mädchen. Der Graf antwortete nicht, er hatte viel zu denken, und Otto hing ebenfalls seinen eigenen Gedanken nach. Trotz Leonie's Bemühen, bildete sich kein besonders freundschaftliches Verhältnis zwischen den jungen Leuten aus. Bei Otto mochte eine kleine Eifersucht mit im Spiele sein, bei Louis war es die unüberwindliche Abneigung, eine Freundschaft zu suchen, die für ihn doch nur ein Mittel zum Verrathe war. Selbst dem alten Grafen wich er aus, der eine ungewöhnliche Theilnahme für den jungen, allein stehenden Mann bewies. 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Selbst dem alten Grafen wich er aus, der eine ungewöhnliche Theilnahme für den jungen, allein stehenden Mann bewies. Der unangenehme Eindruck, den sein erster Anblick offenbar auf ihn gemacht, schien vollkommen verwischt. Er vermittelte mit großem Eifer seine Beförderung; als aber diese eintraf, wies Louis sie aus den obengenannten<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0124]
möchte nicht, daß Sie sich Täuschungen hingäben. Marie ist in Allem dem Willen ihrer Eltern unterthan. Sie ist glücklich — wenn sie auch die höchsten Freuden des Lebens nie kennen wird, sein bitterster Schmerz bleibt ihr ebenso fremd. — sie ist glücklich, setzte sie nach einer Pause hinzu, und dann leise wie ein entfliehender Hauch, ich wollte, ich wäre wie sie. Sie wandte das Gesicht hinweg, und Louis glaubte eine Thräne an den langen, dunklen Wimpern zittern zu sehen. Er war so betroffen, so beklommen, so entzückt, und doch voll so unnennbarer Angst, daß er keine Worte für seine Gefühle fand.
Sie, rief er endlich. Sie, die trotzt Allen Angebetete, die Bewunderte, die Glückliche, Sie reden so?
Sie warf ihm einen Blick zu voll wehmüthiger Ironie, ein schwaches Lächeln öffnete den reizenden Mund: Es ist nicht Alles Gold was glänzt, sagte sie leise, und sich flüchtig verneigend entfernte sie sich. Louis dachte an keine Falschheit mehr.
Wie gefällt dir der französische Marquis? frug der Graf seinen Sohn auf der Heimfahrt von der Soirée.
Mein Gott! sagte Otto, er ist ja fast wie ein Mädchen.
Der Graf antwortete nicht, er hatte viel zu denken, und Otto hing ebenfalls seinen eigenen Gedanken nach.
Trotz Leonie's Bemühen, bildete sich kein besonders freundschaftliches Verhältnis zwischen den jungen Leuten aus. Bei Otto mochte eine kleine Eifersucht mit im Spiele sein, bei Louis war es die unüberwindliche Abneigung, eine Freundschaft zu suchen, die für ihn doch nur ein Mittel zum Verrathe war. Selbst dem alten Grafen wich er aus, der eine ungewöhnliche Theilnahme für den jungen, allein stehenden Mann bewies. Der unangenehme Eindruck, den sein erster Anblick offenbar auf ihn gemacht, schien vollkommen verwischt. Er vermittelte mit großem Eifer seine Beförderung; als aber diese eintraf, wies Louis sie aus den obengenannten
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Zitationshilfe: | Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/124>, abgerufen am 18.07.2024. |