Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.betäubt, wie er, doch nur für einen Augenblick. Ihr Mann und sein Freund traten jetzt auch heran. Meine Scheere liegt, glaube ich, vor Ihren Füßen, sagte sie schnell, wie in einem Anfluge von Ungeduld, und mechanisch bückte er sich danach. Sie nahm ihren Mann bei der Hand und führte ihn auf die andere Seite des Blumentisches, der Fremde folgte, und das Gespräch wurde nun allgemein. Wir haben einen Brief von meinem Vater, sagte die Gräfin. Sie kennen meinen Vater nicht? fügte sie, zu Louis gewendet, hinzu. Er verneinte stumm. Nun, Sie werden ihn kennen lernen. Fragen Sie meinen Mann. Der schwärmt für ihn. Ich darf nichts sagen, da ich die Tochter bin. Mein Schwiegervater ist ein Mann, wie es deren wenige giebt, betheuerte der Graf. Und mit meinem Bruder müssen Sie sich befreunden, unterbrach ihn Leonie. Er ist viel zu ernst für sein Alter und geräth darin ganz meinem Vater nach. Sie müssen mir ihn aufheitern helfen, Herr Marquis. Louis verneigte sich. Als er das Haus verließ, nahm er einen ganzen Himmel von Hoffnungen mit sich fort. Du machst ihn ja ganz zum Hausgenossen, sagte der Graf zu seiner Frau, als später die Rede auf den Besuch zurückkam. Er hat Niemand, versetzte sie, und dann bin ich froh, für Otto zu sorgen, der nie für sich selbst sorgen kann. Der Marquis scheint mir eben auch nicht die personifizierte Heiterkeit zu sein, bemerkte der Graf, nicht ohne einen Anflug von Spott. Desto besser passen sie vielleicht zusammen, scherzte Leonie. A propos -- es ist ja schon lange, das Niemand vom Baron Lohenstein hier war, nicht wahr? betäubt, wie er, doch nur für einen Augenblick. Ihr Mann und sein Freund traten jetzt auch heran. Meine Scheere liegt, glaube ich, vor Ihren Füßen, sagte sie schnell, wie in einem Anfluge von Ungeduld, und mechanisch bückte er sich danach. Sie nahm ihren Mann bei der Hand und führte ihn auf die andere Seite des Blumentisches, der Fremde folgte, und das Gespräch wurde nun allgemein. Wir haben einen Brief von meinem Vater, sagte die Gräfin. Sie kennen meinen Vater nicht? fügte sie, zu Louis gewendet, hinzu. Er verneinte stumm. Nun, Sie werden ihn kennen lernen. Fragen Sie meinen Mann. Der schwärmt für ihn. Ich darf nichts sagen, da ich die Tochter bin. Mein Schwiegervater ist ein Mann, wie es deren wenige giebt, betheuerte der Graf. Und mit meinem Bruder müssen Sie sich befreunden, unterbrach ihn Leonie. Er ist viel zu ernst für sein Alter und geräth darin ganz meinem Vater nach. Sie müssen mir ihn aufheitern helfen, Herr Marquis. Louis verneigte sich. Als er das Haus verließ, nahm er einen ganzen Himmel von Hoffnungen mit sich fort. Du machst ihn ja ganz zum Hausgenossen, sagte der Graf zu seiner Frau, als später die Rede auf den Besuch zurückkam. Er hat Niemand, versetzte sie, und dann bin ich froh, für Otto zu sorgen, der nie für sich selbst sorgen kann. Der Marquis scheint mir eben auch nicht die personifizierte Heiterkeit zu sein, bemerkte der Graf, nicht ohne einen Anflug von Spott. Desto besser passen sie vielleicht zusammen, scherzte Leonie. A propos — es ist ja schon lange, das Niemand vom Baron Lohenstein hier war, nicht wahr? <TEI> <text> <body> <div n="3"> <p><pb facs="#f0109"/> betäubt, wie er, doch nur für einen Augenblick. Ihr Mann und sein Freund traten jetzt auch heran.</p><lb/> <p>Meine Scheere liegt, glaube ich, vor Ihren Füßen, sagte sie schnell, wie in einem Anfluge von Ungeduld, und mechanisch bückte er sich danach. 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betäubt, wie er, doch nur für einen Augenblick. Ihr Mann und sein Freund traten jetzt auch heran.
Meine Scheere liegt, glaube ich, vor Ihren Füßen, sagte sie schnell, wie in einem Anfluge von Ungeduld, und mechanisch bückte er sich danach. Sie nahm ihren Mann bei der Hand und führte ihn auf die andere Seite des Blumentisches, der Fremde folgte, und das Gespräch wurde nun allgemein.
Wir haben einen Brief von meinem Vater, sagte die Gräfin. Sie kennen meinen Vater nicht? fügte sie, zu Louis gewendet, hinzu.
Er verneinte stumm.
Nun, Sie werden ihn kennen lernen. Fragen Sie meinen Mann. Der schwärmt für ihn. Ich darf nichts sagen, da ich die Tochter bin.
Mein Schwiegervater ist ein Mann, wie es deren wenige giebt, betheuerte der Graf.
Und mit meinem Bruder müssen Sie sich befreunden, unterbrach ihn Leonie. Er ist viel zu ernst für sein Alter und geräth darin ganz meinem Vater nach. Sie müssen mir ihn aufheitern helfen, Herr Marquis.
Louis verneigte sich. Als er das Haus verließ, nahm er einen ganzen Himmel von Hoffnungen mit sich fort.
Du machst ihn ja ganz zum Hausgenossen, sagte der Graf zu seiner Frau, als später die Rede auf den Besuch zurückkam.
Er hat Niemand, versetzte sie, und dann bin ich froh, für Otto zu sorgen, der nie für sich selbst sorgen kann.
Der Marquis scheint mir eben auch nicht die personifizierte Heiterkeit zu sein, bemerkte der Graf, nicht ohne einen Anflug von Spott.
Desto besser passen sie vielleicht zusammen, scherzte Leonie.
A propos — es ist ja schon lange, das Niemand vom Baron Lohenstein hier war, nicht wahr?
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Zitationshilfe: | Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/109>, abgerufen am 17.07.2024. |