Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Baron hat großen Einfluß. An eine Carriere für den armen Burschen ist nicht mehr zu denken.

Ja wohl, -- du müßtest dich denn seiner annehmen, sagte die kleine Gräfin mit einem schalkhaften Blick. Sie sprang auf, fiel ihrem Manne um den Hals und zog ihn mit sich zu einer neuen Jardiniere, die er ihr denselben Morgen erst geschickt, und deren tausend besondere Schönheiten sie ihn tändelnd wieder und wieder zu bewundern zwang.

Zwei Tage darauf begegnete sie dem Marquis auf der Promenade, wo sehr viele seiner früheren Bekannten es vergessen zu haben schienen, daß der junge Mann vor Kurzem noch zu ihren liebsten Gästen gehört. Er sah bleich und niedergeschlagen ans. Offenbar waren seine Gedanken fern von dem Orte, vielleicht mit der alten Zeit und der alten Heimath beschäftigt. Leonie sah ihn zuerst, der Graf hatte seine Augen anderswo. Als er an ihnen vorüberging, blieb sie stehen. Er sah auf und erröthete, -- sie lachte. Wie geht es? Warum kommen Sie nicht? fragte sie.

Der Graf verneigte sich, schwieg aber. Leonie's Freundlichkeit war ihm in soweit nicht ganz angenehm, als er den Baron, den er sehr schätzte, und der ein besonderer Freund seines Schwiegervaters war, nicht vor den Kopf stoßen wollte.

Doch Louis bemerkte von diesem kleinen Nebenspiele nichts. Er hatte mehr Augen für Leonie, mehr Ohren für ihre süße, leise Stimme. Ihr Blick drang durch alle Poren bis in sein Herz. Verlegen stotterte er eine Antwort, von der er selbst nichts verstand. Ihr holdes Lächeln löste seine ganze Seele in glückliche Vergessenheit auf.

Sie müssen kommen, und bald, sagte sie, sich anmuthig verneigend, und schritt am Arme ihres Mannes ruhig weiter, während eine gefährliche Freude ihr Herz zu höherem Schlage trieb.

Du hättest das nicht thun sollen, sagte jetzt der

Der Baron hat großen Einfluß. An eine Carrière für den armen Burschen ist nicht mehr zu denken.

Ja wohl, — du müßtest dich denn seiner annehmen, sagte die kleine Gräfin mit einem schalkhaften Blick. Sie sprang auf, fiel ihrem Manne um den Hals und zog ihn mit sich zu einer neuen Jardinière, die er ihr denselben Morgen erst geschickt, und deren tausend besondere Schönheiten sie ihn tändelnd wieder und wieder zu bewundern zwang.

Zwei Tage darauf begegnete sie dem Marquis auf der Promenade, wo sehr viele seiner früheren Bekannten es vergessen zu haben schienen, daß der junge Mann vor Kurzem noch zu ihren liebsten Gästen gehört. Er sah bleich und niedergeschlagen ans. Offenbar waren seine Gedanken fern von dem Orte, vielleicht mit der alten Zeit und der alten Heimath beschäftigt. Leonie sah ihn zuerst, der Graf hatte seine Augen anderswo. Als er an ihnen vorüberging, blieb sie stehen. Er sah auf und erröthete, — sie lachte. Wie geht es? Warum kommen Sie nicht? fragte sie.

Der Graf verneigte sich, schwieg aber. Leonie's Freundlichkeit war ihm in soweit nicht ganz angenehm, als er den Baron, den er sehr schätzte, und der ein besonderer Freund seines Schwiegervaters war, nicht vor den Kopf stoßen wollte.

Doch Louis bemerkte von diesem kleinen Nebenspiele nichts. Er hatte mehr Augen für Leonie, mehr Ohren für ihre süße, leise Stimme. Ihr Blick drang durch alle Poren bis in sein Herz. Verlegen stotterte er eine Antwort, von der er selbst nichts verstand. Ihr holdes Lächeln löste seine ganze Seele in glückliche Vergessenheit auf.

Sie müssen kommen, und bald, sagte sie, sich anmuthig verneigend, und schritt am Arme ihres Mannes ruhig weiter, während eine gefährliche Freude ihr Herz zu höherem Schlage trieb.

Du hättest das nicht thun sollen, sagte jetzt der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="3">
        <pb facs="#f0104"/>
        <p>Der Baron hat großen Einfluß. An eine Carrière für den armen Burschen ist nicht mehr zu      denken.</p><lb/>
        <p>Ja wohl, &#x2014; du müßtest dich denn seiner annehmen, sagte die kleine Gräfin mit einem      schalkhaften Blick. Sie sprang auf, fiel ihrem Manne um den Hals und zog ihn mit sich zu einer      neuen Jardinière, die er ihr denselben Morgen erst geschickt, und deren tausend besondere      Schönheiten sie ihn tändelnd wieder und wieder zu bewundern zwang.</p><lb/>
        <p>Zwei Tage darauf begegnete sie dem Marquis auf der Promenade, wo sehr viele seiner früheren      Bekannten es vergessen zu haben schienen, daß der junge Mann vor Kurzem noch zu ihren liebsten      Gästen gehört. Er sah bleich und niedergeschlagen ans. Offenbar waren seine Gedanken fern von      dem Orte, vielleicht mit der alten Zeit und der alten Heimath beschäftigt. Leonie sah ihn      zuerst, der Graf hatte seine Augen anderswo. Als er an ihnen vorüberging, blieb sie stehen. Er      sah auf und erröthete, &#x2014; sie lachte. Wie geht es? Warum kommen Sie nicht? fragte sie.</p><lb/>
        <p>Der Graf verneigte sich, schwieg aber. Leonie's Freundlichkeit war ihm in soweit nicht ganz      angenehm, als er den Baron, den er sehr schätzte, und der ein besonderer Freund seines      Schwiegervaters war, nicht vor den Kopf stoßen wollte.</p><lb/>
        <p>Doch Louis bemerkte von diesem kleinen Nebenspiele nichts. Er hatte mehr Augen für Leonie,      mehr Ohren für ihre süße, leise Stimme. Ihr Blick drang durch alle Poren bis in sein Herz.      Verlegen stotterte er eine Antwort, von der er selbst nichts verstand. Ihr holdes Lächeln löste      seine ganze Seele in glückliche Vergessenheit auf.</p><lb/>
        <p>Sie müssen kommen, und bald, sagte sie, sich anmuthig verneigend, und schritt am Arme ihres      Mannes ruhig weiter, während eine gefährliche Freude ihr Herz zu höherem Schlage trieb.</p><lb/>
        <p>Du hättest das nicht thun sollen, sagte jetzt der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0104] Der Baron hat großen Einfluß. An eine Carrière für den armen Burschen ist nicht mehr zu denken. Ja wohl, — du müßtest dich denn seiner annehmen, sagte die kleine Gräfin mit einem schalkhaften Blick. Sie sprang auf, fiel ihrem Manne um den Hals und zog ihn mit sich zu einer neuen Jardinière, die er ihr denselben Morgen erst geschickt, und deren tausend besondere Schönheiten sie ihn tändelnd wieder und wieder zu bewundern zwang. Zwei Tage darauf begegnete sie dem Marquis auf der Promenade, wo sehr viele seiner früheren Bekannten es vergessen zu haben schienen, daß der junge Mann vor Kurzem noch zu ihren liebsten Gästen gehört. Er sah bleich und niedergeschlagen ans. Offenbar waren seine Gedanken fern von dem Orte, vielleicht mit der alten Zeit und der alten Heimath beschäftigt. Leonie sah ihn zuerst, der Graf hatte seine Augen anderswo. Als er an ihnen vorüberging, blieb sie stehen. Er sah auf und erröthete, — sie lachte. Wie geht es? Warum kommen Sie nicht? fragte sie. Der Graf verneigte sich, schwieg aber. Leonie's Freundlichkeit war ihm in soweit nicht ganz angenehm, als er den Baron, den er sehr schätzte, und der ein besonderer Freund seines Schwiegervaters war, nicht vor den Kopf stoßen wollte. Doch Louis bemerkte von diesem kleinen Nebenspiele nichts. Er hatte mehr Augen für Leonie, mehr Ohren für ihre süße, leise Stimme. Ihr Blick drang durch alle Poren bis in sein Herz. Verlegen stotterte er eine Antwort, von der er selbst nichts verstand. Ihr holdes Lächeln löste seine ganze Seele in glückliche Vergessenheit auf. Sie müssen kommen, und bald, sagte sie, sich anmuthig verneigend, und schritt am Arme ihres Mannes ruhig weiter, während eine gefährliche Freude ihr Herz zu höherem Schlage trieb. Du hättest das nicht thun sollen, sagte jetzt der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:30:48Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:30:48Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/104
Zitationshilfe: Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/104>, abgerufen am 23.11.2024.