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Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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V.

Es war wohl Mitternacht geworden, als Julius endlich, trotz aller Aufregung und Freudigkeit zum Sterben müde, in seine Koje schlich. Ueber sich hörte er Musik; Johann Ohlerich saß noch auf dem Verdeck, hatte die Handharmonika des Schiffers Albrecht genommen und spielte allerlei Weisen darauf, so gut er's gelernt hatte. Es waren weichherzige Melodieen, sie klangen sehr heimwehmüthig und verliebt in die Nacht hinaus. Darüber schlief Julius ein, und schlief bald so fest, als wollte er nie wieder erwachen.

Gegen Morgen fing er endlich zu träumen an; ein Traum immer glücklicher als der andere, Alles ging ihm gut aus. Er sah sich mit zwei großen schweinsledernen Büchern unter dem Arm, die er in den Warnemünder Strom warf und mit herzlichem Vergnügen untersinken sah. Dann donnerten auf einmal alle Kanonen, und die norddeutsche Flotte -- denn der Strom hatte sich unvermerkt in den Kieler Hafen verwandelt -- zog in Schlachtordnung auf. Er befand sich unter den Offizieren, gleich ihnen den dreieckigen Hut auf dem Kopf, im dunkelblauen Frack mit den großen, zweireihigen Ankerknöpfen; der breite Goldstreifen blitzte an seiner Hose hinunter. Es verwunderte und freute ihn, daß doch noch ein Seemann aus ihm geworden sei. Gleich darauf sah er, wie alle Schiffe im Hafen ihre Flaggen strichen und unter Kanonendonner und Musik die Admiralsflagge am großen Topp in die Höhe ging. Er hörte die Leute in seiner Nähe sagen, das geschehe, weil der Admiral Julius das Kommando übernommen habe. Indem ihm das noch schmeichelte, ward der Traum undeutlich und verlor sich in eine Schlacht, wie man sie noch nie gesehen hatte. Der Sieg war errungen, der Admiral Julius kam zurück und fuhr mit der ganzen Flotte, er selbst auf "Wilhelm I." voran, den Strom hinauf und an Johann Ohlerich's kleinem Hause vorbei. Liesbeth stand auf dem Bollwerk, grüßte ihn mit einem Kopfnicken und legte

V.

Es war wohl Mitternacht geworden, als Julius endlich, trotz aller Aufregung und Freudigkeit zum Sterben müde, in seine Koje schlich. Ueber sich hörte er Musik; Johann Ohlerich saß noch auf dem Verdeck, hatte die Handharmonika des Schiffers Albrecht genommen und spielte allerlei Weisen darauf, so gut er's gelernt hatte. Es waren weichherzige Melodieen, sie klangen sehr heimwehmüthig und verliebt in die Nacht hinaus. Darüber schlief Julius ein, und schlief bald so fest, als wollte er nie wieder erwachen.

Gegen Morgen fing er endlich zu träumen an; ein Traum immer glücklicher als der andere, Alles ging ihm gut aus. Er sah sich mit zwei großen schweinsledernen Büchern unter dem Arm, die er in den Warnemünder Strom warf und mit herzlichem Vergnügen untersinken sah. Dann donnerten auf einmal alle Kanonen, und die norddeutsche Flotte — denn der Strom hatte sich unvermerkt in den Kieler Hafen verwandelt — zog in Schlachtordnung auf. Er befand sich unter den Offizieren, gleich ihnen den dreieckigen Hut auf dem Kopf, im dunkelblauen Frack mit den großen, zweireihigen Ankerknöpfen; der breite Goldstreifen blitzte an seiner Hose hinunter. Es verwunderte und freute ihn, daß doch noch ein Seemann aus ihm geworden sei. Gleich darauf sah er, wie alle Schiffe im Hafen ihre Flaggen strichen und unter Kanonendonner und Musik die Admiralsflagge am großen Topp in die Höhe ging. Er hörte die Leute in seiner Nähe sagen, das geschehe, weil der Admiral Julius das Kommando übernommen habe. Indem ihm das noch schmeichelte, ward der Traum undeutlich und verlor sich in eine Schlacht, wie man sie noch nie gesehen hatte. Der Sieg war errungen, der Admiral Julius kam zurück und fuhr mit der ganzen Flotte, er selbst auf „Wilhelm I.“ voran, den Strom hinauf und an Johann Ohlerich's kleinem Hause vorbei. Liesbeth stand auf dem Bollwerk, grüßte ihn mit einem Kopfnicken und legte

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[0058] V. Es war wohl Mitternacht geworden, als Julius endlich, trotz aller Aufregung und Freudigkeit zum Sterben müde, in seine Koje schlich. Ueber sich hörte er Musik; Johann Ohlerich saß noch auf dem Verdeck, hatte die Handharmonika des Schiffers Albrecht genommen und spielte allerlei Weisen darauf, so gut er's gelernt hatte. Es waren weichherzige Melodieen, sie klangen sehr heimwehmüthig und verliebt in die Nacht hinaus. Darüber schlief Julius ein, und schlief bald so fest, als wollte er nie wieder erwachen. Gegen Morgen fing er endlich zu träumen an; ein Traum immer glücklicher als der andere, Alles ging ihm gut aus. Er sah sich mit zwei großen schweinsledernen Büchern unter dem Arm, die er in den Warnemünder Strom warf und mit herzlichem Vergnügen untersinken sah. Dann donnerten auf einmal alle Kanonen, und die norddeutsche Flotte — denn der Strom hatte sich unvermerkt in den Kieler Hafen verwandelt — zog in Schlachtordnung auf. Er befand sich unter den Offizieren, gleich ihnen den dreieckigen Hut auf dem Kopf, im dunkelblauen Frack mit den großen, zweireihigen Ankerknöpfen; der breite Goldstreifen blitzte an seiner Hose hinunter. Es verwunderte und freute ihn, daß doch noch ein Seemann aus ihm geworden sei. Gleich darauf sah er, wie alle Schiffe im Hafen ihre Flaggen strichen und unter Kanonendonner und Musik die Admiralsflagge am großen Topp in die Höhe ging. Er hörte die Leute in seiner Nähe sagen, das geschehe, weil der Admiral Julius das Kommando übernommen habe. Indem ihm das noch schmeichelte, ward der Traum undeutlich und verlor sich in eine Schlacht, wie man sie noch nie gesehen hatte. Der Sieg war errungen, der Admiral Julius kam zurück und fuhr mit der ganzen Flotte, er selbst auf „Wilhelm I.“ voran, den Strom hinauf und an Johann Ohlerich's kleinem Hause vorbei. Liesbeth stand auf dem Bollwerk, grüßte ihn mit einem Kopfnicken und legte

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:21:33Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:21:33Z)

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Zitationshilfe: Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilbrandt_ohlerich_1910/58>, abgerufen am 05.12.2024.