Einwanderung in den Peloponnes. Herakles ein Dorer.
früher weithin mächtigen, und Sparta. die Pelopon nasos aber ist eine Doris nasos, wie Sophokles sie nennt.
Der hellenische untergrund hat die Dorer nicht weniger beeinflusst als Thessaler und Boeoter, und es war das ihrer cultur selbst zum segen. weil die Spartiaten sich gegen das Hellenentum immer mehr ablehnend verhielten, sind sie zu einer kriegerkaste, schliesslich zur szlachta hinab- gesunken, während das lebenspendende meer die korinthischen nach- kommen des 'Ritters' zu rhedern und ruderern machte, und in der Argolis das hellenische und dorische sich fast bis zur unscheidbarkeit amalgamirte. aber die Dorer hatten eine wirkliche eigenart, die sich mit nichten ganz verlor, vielmehr dadurch, dass sie die bedeutendste politische und militä- rische macht in Griechenland wurden, selbst für die allgemein hellenischen sitten und anschauungen massgebenden einfluss gewann. die weise, wie man in ernst und spiel das waffenhandwerk übt, die begriffe von mannes- ehre und eingebornem adel, die zurückdrängung des weibes und ihr notwendiges correlat, die knabenliebe, die verachtung des handwerks und die adlichen passionen für jagd und pferde: das alles ist dorisches ge- wächs. die lebensformen, die in Griechenland allgemein herrschen, als vornehm gelten und demgemäss verherrlicht werden, bis Athens demo- kratie sie bricht, sind das erzeugnis dieser dorischen cultur. der gegen- satz, welchen Vergil in den schönen versen schildert, die auf tu regere imperio populos Romane memento ausgehn, gilt vielleicht in höherem grade zwischen Dorern und Hellenen als zwischen Römern und Griechen. es gemahnt freilich sehr vieles im dorischen wesen an Latium, ganz besonders die gliederung der bürgerschaft in drei tribus und das vorwalten der magistratur und des rates der alten gegenüber der gemeinde, und wenn es jemals irgend etwas gegeben hat, was den namen graecoitalische periode verdient, so kann dieses schlechterdings nur eine dorisch-italische ge- wesen sein.
Die wurzel des ganzen dorischen wesens ist der glaube an die gött-Herakles ein Dorer. lichkeit des rechten dorischen mannes. theios aner nennen die Spartiaten einen der ihren, wenn er das leistet, was sie von dem manne fordern. dieser glaube durchdringt das ganze leben. frauen und kinder, hörige und knechte haben gar keine andere existenzberechtigung als in be- ziehung zu dem manne, für den sie da sind. die ganze sittlichkeit ist darauf begründet, dass er seine existenz erfüllt und geniesst. der ganze zuschnitt des lebens ist darauf berechnet. als dies ideal einmal auf-
von Athen her zu grunde liegt. auch für die altattische geschichte findet sich so vor Solon ein pou sto.
Einwanderung in den Peloponnes. Herakles ein Dorer.
früher weithin mächtigen, und Sparta. die Πελόπων νᾶσος aber ist eine Δωρὶς νᾶσος, wie Sophokles sie nennt.
Der hellenische untergrund hat die Dorer nicht weniger beeinfluſst als Thessaler und Boeoter, und es war das ihrer cultur selbst zum segen. weil die Spartiaten sich gegen das Hellenentum immer mehr ablehnend verhielten, sind sie zu einer kriegerkaste, schlieſslich zur szlachta hinab- gesunken, während das lebenspendende meer die korinthischen nach- kommen des ‘Ritters’ zu rhedern und ruderern machte, und in der Argolis das hellenische und dorische sich fast bis zur unscheidbarkeit amalgamirte. aber die Dorer hatten eine wirkliche eigenart, die sich mit nichten ganz verlor, vielmehr dadurch, daſs sie die bedeutendste politische und militä- rische macht in Griechenland wurden, selbst für die allgemein hellenischen sitten und anschauungen maſsgebenden einfluſs gewann. die weise, wie man in ernst und spiel das waffenhandwerk übt, die begriffe von mannes- ehre und eingebornem adel, die zurückdrängung des weibes und ihr notwendiges correlat, die knabenliebe, die verachtung des handwerks und die adlichen passionen für jagd und pferde: das alles ist dorisches ge- wächs. die lebensformen, die in Griechenland allgemein herrschen, als vornehm gelten und demgemäſs verherrlicht werden, bis Athens demo- kratie sie bricht, sind das erzeugnis dieser dorischen cultur. der gegen- satz, welchen Vergil in den schönen versen schildert, die auf tu regere imperio populos Romane memento ausgehn, gilt vielleicht in höherem grade zwischen Dorern und Hellenen als zwischen Römern und Griechen. es gemahnt freilich sehr vieles im dorischen wesen an Latium, ganz besonders die gliederung der bürgerschaft in drei tribus und das vorwalten der magistratur und des rates der alten gegenüber der gemeinde, und wenn es jemals irgend etwas gegeben hat, was den namen graecoitalische periode verdient, so kann dieses schlechterdings nur eine dorisch-italische ge- wesen sein.
Die wurzel des ganzen dorischen wesens ist der glaube an die gött-Herakles ein Dorer. lichkeit des rechten dorischen mannes. ϑεῖος ἀνήρ nennen die Spartiaten einen der ihren, wenn er das leistet, was sie von dem manne fordern. dieser glaube durchdringt das ganze leben. frauen und kinder, hörige und knechte haben gar keine andere existenzberechtigung als in be- ziehung zu dem manne, für den sie da sind. die ganze sittlichkeit ist darauf begründet, daſs er seine existenz erfüllt und genieſst. der ganze zuschnitt des lebens ist darauf berechnet. als dies ideal einmal auf-
von Athen her zu grunde liegt. auch für die altattische geschichte findet sich so vor Solon ein ποῦ στῶ.
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Einwanderung in den Peloponnes. Herakles ein Dorer.
früher weithin mächtigen, und Sparta. die Πελόπων νᾶσος aber ist eine
Δωρὶς νᾶσος, wie Sophokles sie nennt.
Der hellenische untergrund hat die Dorer nicht weniger beeinfluſst
als Thessaler und Boeoter, und es war das ihrer cultur selbst zum segen.
weil die Spartiaten sich gegen das Hellenentum immer mehr ablehnend
verhielten, sind sie zu einer kriegerkaste, schlieſslich zur szlachta hinab-
gesunken, während das lebenspendende meer die korinthischen nach-
kommen des ‘Ritters’ zu rhedern und ruderern machte, und in der Argolis
das hellenische und dorische sich fast bis zur unscheidbarkeit amalgamirte.
aber die Dorer hatten eine wirkliche eigenart, die sich mit nichten ganz
verlor, vielmehr dadurch, daſs sie die bedeutendste politische und militä-
rische macht in Griechenland wurden, selbst für die allgemein hellenischen
sitten und anschauungen maſsgebenden einfluſs gewann. die weise, wie
man in ernst und spiel das waffenhandwerk übt, die begriffe von mannes-
ehre und eingebornem adel, die zurückdrängung des weibes und ihr
notwendiges correlat, die knabenliebe, die verachtung des handwerks und
die adlichen passionen für jagd und pferde: das alles ist dorisches ge-
wächs. die lebensformen, die in Griechenland allgemein herrschen, als
vornehm gelten und demgemäſs verherrlicht werden, bis Athens demo-
kratie sie bricht, sind das erzeugnis dieser dorischen cultur. der gegen-
satz, welchen Vergil in den schönen versen schildert, die auf tu regere
imperio populos Romane memento ausgehn, gilt vielleicht in höherem grade
zwischen Dorern und Hellenen als zwischen Römern und Griechen. es
gemahnt freilich sehr vieles im dorischen wesen an Latium, ganz besonders
die gliederung der bürgerschaft in drei tribus und das vorwalten der
magistratur und des rates der alten gegenüber der gemeinde, und wenn es
jemals irgend etwas gegeben hat, was den namen graecoitalische periode
verdient, so kann dieses schlechterdings nur eine dorisch-italische ge-
wesen sein.
Die wurzel des ganzen dorischen wesens ist der glaube an die gött-
lichkeit des rechten dorischen mannes. ϑεῖος ἀνήρ nennen die Spartiaten
einen der ihren, wenn er das leistet, was sie von dem manne fordern.
dieser glaube durchdringt das ganze leben. frauen und kinder, hörige
und knechte haben gar keine andere existenzberechtigung als in be-
ziehung zu dem manne, für den sie da sind. die ganze sittlichkeit ist
darauf begründet, daſs er seine existenz erfüllt und genieſst. der ganze
zuschnitt des lebens ist darauf berechnet. als dies ideal einmal auf-
14)
Herakles
ein Dorer.
14) von Athen her zu grunde liegt. auch für die altattische geschichte findet sich so
vor Solon ein ποῦ στῶ.
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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_tragoedie_1889/289>, abgerufen am 26.07.2024.
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