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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889.

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Aristophanesscholien.
der zeit zwischen Heliodor und Symmachos einerseits und dem 10. jahr-
hundert andererseits eine anzahl kleiner schreibfehler begangen sind, die
sich zum teil durch die vergleichung der handschriften erledigen, zum
anderen von der modernen kritik, wesentlich den grossen Engländern,
gehoben sind. damit gelangen wir zu demselben texte, welchen Sym-
machos gab: alle schwereren schäden, insbesondere lücken und falsche
verse müssen für älter gelten, und da nun die grammatik so früh, ein-
dringend und unausgesetzt den Aristophanes studirt hat, so muss man
im allgemeinen die entstehung der schweren schädigung zwischen dem
dichter und dem grammatiker ansetzen.

Aristophanes ist vorzüglich erhalten, aber man spürt doch unter-
schiede. die fünf letzten stücke sind ärger zugerichtet, und jedes schlimmer
als das vorhergehende. in den Thesmophoriazusen können wir zudem
sicher sein, da sie nur in R stehen, eine grosse anzahl fehler teils selbst
beseitigen zu müssen, teils gar nicht zu bemerken. dann sind in den
drei letzten dramen die scholien so dürftig 120), auch die citate aus ihnen
viel seltener, so dass diese controlle oft versagt, aber auch die Vögel,
die auch in V stehen, haben schwer gelitten. das ist also auf die zeit
seit Symmachos zum teil wenigstens zu schieben, zumal die ersten vier
stücke lediglich durch sorgfältige recensio fast rein herzustellen sind, d. h.

chorischen verse sind mit ekthesis und eisthesis geschrieben, reste von scholien vor-
handen. 1078 wird zont apagage, was Bergk aufgenommen hat, bestätigt, 1080
fehlt pasi, das schon Byzantiner getilgt haben. 1069 stand wenigstens etwas hinter
daketa, wo Dissen panth eingesetzt hat. sonst stimmen selbst fehler, und eine
so verkehrte orthographie wie aeton 1110 steht hier wie in R. auch Peisthetairos
ist da.
120) Die vernachlässigung der späteren hat aber nicht nur üble folgen. wenn sie
selbst nichts neues mehr zusetzen, so erhält sich die alte gelehrsamkeit wenigstens
in den geretteten bruchstücken rein. so ist der commentar der Vögel ganz be-
sonders reich an anführungen der älteren grammatiker. und der der Thesmophoria-
zusen, im ganzen dünn, hat besonders viele prachtstücke: darunter 1059 über ein
drama des Philopator und den commentar seines ministers und lieblings Agathokles
dazu; das kann nur ein zeitlich ganz nahe stehender berichtet haben, also wol Aristo-
phanes oder Eratosthenes. der scholiast redet sehr persönlich, 31, 162, 840, 917.
weil 393 in gleicher weise in atticistischem übermut gegen Symmachos geredet
wird, dessen scholion dabei steht, könnte man meinen, in all diesem einen späteren
zu hören. aber das geht nicht wol, da gerade die bezeichneten scholien den älteren
gelehrten gelten und dieselbe weite der gelehrsamkeit zeigen wie der ganze com-
mentar. ausserdem ist 162 wegen der verweisung auf die Vögel und Wespen sicher
von Symmachos. die scholien der Lysistrate enthalten nur noch ein par umfäng-
lichere stücke und zwar nicht in R; die der Ekklesiazusen sind ganz dünn und
zeigen so recht, dass dies das letzte stück ist.

Aristophanesscholien.
der zeit zwischen Heliodor und Symmachos einerseits und dem 10. jahr-
hundert andererseits eine anzahl kleiner schreibfehler begangen sind, die
sich zum teil durch die vergleichung der handschriften erledigen, zum
anderen von der modernen kritik, wesentlich den groſsen Engländern,
gehoben sind. damit gelangen wir zu demselben texte, welchen Sym-
machos gab: alle schwereren schäden, insbesondere lücken und falsche
verse müssen für älter gelten, und da nun die grammatik so früh, ein-
dringend und unausgesetzt den Aristophanes studirt hat, so muſs man
im allgemeinen die entstehung der schweren schädigung zwischen dem
dichter und dem grammatiker ansetzen.

Aristophanes ist vorzüglich erhalten, aber man spürt doch unter-
schiede. die fünf letzten stücke sind ärger zugerichtet, und jedes schlimmer
als das vorhergehende. in den Thesmophoriazusen können wir zudem
sicher sein, da sie nur in R stehen, eine groſse anzahl fehler teils selbst
beseitigen zu müssen, teils gar nicht zu bemerken. dann sind in den
drei letzten dramen die scholien so dürftig 120), auch die citate aus ihnen
viel seltener, so daſs diese controlle oft versagt, aber auch die Vögel,
die auch in V stehen, haben schwer gelitten. das ist also auf die zeit
seit Symmachos zum teil wenigstens zu schieben, zumal die ersten vier
stücke lediglich durch sorgfältige recensio fast rein herzustellen sind, d. h.

chorischen verse sind mit ἔκϑεσις und εἴσϑεσις geschrieben, reste von scholien vor-
handen. 1078 wird ζῶντ̕ ἀπαγάγῃ, was Bergk aufgenommen hat, bestätigt, 1080
fehlt πᾶσι, das schon Byzantiner getilgt haben. 1069 stand wenigstens etwas hinter
δάκετα, wo Dissen πάνϑ̕ eingesetzt hat. sonst stimmen selbst fehler, und eine
so verkehrte orthographie wie ἀετόν 1110 steht hier wie in R. auch Πεισϑέταιρος
ist da.
120) Die vernachlässigung der späteren hat aber nicht nur üble folgen. wenn sie
selbst nichts neues mehr zusetzen, so erhält sich die alte gelehrsamkeit wenigstens
in den geretteten bruchstücken rein. so ist der commentar der Vögel ganz be-
sonders reich an anführungen der älteren grammatiker. und der der Thesmophoria-
zusen, im ganzen dünn, hat besonders viele prachtstücke: darunter 1059 über ein
drama des Philopator und den commentar seines ministers und lieblings Agathokles
dazu; das kann nur ein zeitlich ganz nahe stehender berichtet haben, also wol Aristo-
phanes oder Eratosthenes. der scholiast redet sehr persönlich, 31, 162, 840, 917.
weil 393 in gleicher weise in atticistischem übermut gegen Symmachos geredet
wird, dessen scholion dabei steht, könnte man meinen, in all diesem einen späteren
zu hören. aber das geht nicht wol, da gerade die bezeichneten scholien den älteren
gelehrten gelten und dieselbe weite der gelehrsamkeit zeigen wie der ganze com-
mentar. auſserdem ist 162 wegen der verweisung auf die Vögel und Wespen sicher
von Symmachos. die scholien der Lysistrate enthalten nur noch ein par umfäng-
lichere stücke und zwar nicht in R; die der Ekklesiazusen sind ganz dünn und
zeigen so recht, daſs dies das letzte stück ist.
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[183/0203] Aristophanesscholien. der zeit zwischen Heliodor und Symmachos einerseits und dem 10. jahr- hundert andererseits eine anzahl kleiner schreibfehler begangen sind, die sich zum teil durch die vergleichung der handschriften erledigen, zum anderen von der modernen kritik, wesentlich den groſsen Engländern, gehoben sind. damit gelangen wir zu demselben texte, welchen Sym- machos gab: alle schwereren schäden, insbesondere lücken und falsche verse müssen für älter gelten, und da nun die grammatik so früh, ein- dringend und unausgesetzt den Aristophanes studirt hat, so muſs man im allgemeinen die entstehung der schweren schädigung zwischen dem dichter und dem grammatiker ansetzen. Aristophanes ist vorzüglich erhalten, aber man spürt doch unter- schiede. die fünf letzten stücke sind ärger zugerichtet, und jedes schlimmer als das vorhergehende. in den Thesmophoriazusen können wir zudem sicher sein, da sie nur in R stehen, eine groſse anzahl fehler teils selbst beseitigen zu müssen, teils gar nicht zu bemerken. dann sind in den drei letzten dramen die scholien so dürftig 120), auch die citate aus ihnen viel seltener, so daſs diese controlle oft versagt, aber auch die Vögel, die auch in V stehen, haben schwer gelitten. das ist also auf die zeit seit Symmachos zum teil wenigstens zu schieben, zumal die ersten vier stücke lediglich durch sorgfältige recensio fast rein herzustellen sind, d. h. 119) 120) Die vernachlässigung der späteren hat aber nicht nur üble folgen. wenn sie selbst nichts neues mehr zusetzen, so erhält sich die alte gelehrsamkeit wenigstens in den geretteten bruchstücken rein. so ist der commentar der Vögel ganz be- sonders reich an anführungen der älteren grammatiker. und der der Thesmophoria- zusen, im ganzen dünn, hat besonders viele prachtstücke: darunter 1059 über ein drama des Philopator und den commentar seines ministers und lieblings Agathokles dazu; das kann nur ein zeitlich ganz nahe stehender berichtet haben, also wol Aristo- phanes oder Eratosthenes. der scholiast redet sehr persönlich, 31, 162, 840, 917. weil 393 in gleicher weise in atticistischem übermut gegen Symmachos geredet wird, dessen scholion dabei steht, könnte man meinen, in all diesem einen späteren zu hören. aber das geht nicht wol, da gerade die bezeichneten scholien den älteren gelehrten gelten und dieselbe weite der gelehrsamkeit zeigen wie der ganze com- mentar. auſserdem ist 162 wegen der verweisung auf die Vögel und Wespen sicher von Symmachos. die scholien der Lysistrate enthalten nur noch ein par umfäng- lichere stücke und zwar nicht in R; die der Ekklesiazusen sind ganz dünn und zeigen so recht, daſs dies das letzte stück ist. 119) chorischen verse sind mit ἔκϑεσις und εἴσϑεσις geschrieben, reste von scholien vor- handen. 1078 wird ζῶντ̕ ἀπαγάγῃ, was Bergk aufgenommen hat, bestätigt, 1080 fehlt πᾶσι, das schon Byzantiner getilgt haben. 1069 stand wenigstens etwas hinter δάκετα, wo Dissen πάνϑ̕ eingesetzt hat. sonst stimmen selbst fehler, und eine so verkehrte orthographie wie ἀετόν 1110 steht hier wie in R. auch Πεισϑέταιρος ist da.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_tragoedie_1889/203>, abgerufen am 22.11.2024.