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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

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II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.
miene machte, sich ausserhalb der stadt in Munichia ein schloss zu bauen.
immerhin erwehrte er sich ohne mühe einer peloponnesischen expedition,
die ihn zu stürzen kam, und wenn er nicht selbst die sache verloren
gegeben hätte und sich lieber auf seine sichere herrschaft Sigeion zu-
rückziehen mochte, würde er wol auch der zweiten invasion lange haben
widerstehn können.

Kleisthenes.Es war die energie und rücksichtslosigkeit des Kleisthenes gewesen,
die die autorität Delphis und die waffen Spartas gegen Hippias aufge-
boten hatte. den gott hatte er durch eine geschickte finanzoperation
auf seine seite gebracht. dass er Sparta den eintritt in dessen bund
versprochen hatte und gewähren musste, wenn der Peloponnes ihm helfen
und ihn halten sollte, ist selbstverständlich. es scheint aber durchaus
nicht, dass die Athener mit Kleisthenes stark sympathisirten. die wirren
nach dem abzuge des Hippias, der friedlich von statten gieng, endeten
nach jahresfrist damit, dass ein mann der reactionären adelspartei zum
archon gewählt ward6), der ein regiment ganz in Spartas sinne einzu-
richten sich anschickte, die Alkmeoniden wieder vertrieb, und eine grosse
masse von familien, die unter den tyrannen zum bürgerrechte gelangt
waren, in den metökenstand zurückstiess. Kleomenes von Sparta kam
seinem freunde Isagoras zu hülfe: Sparta schien gewonnen spiel zu
haben. jetzt erst erhob sich das volk, denn jetzt erst handelte es sich
um mehr als den hader der geschlechter. alles gute was Solon und
Peisistratos gebracht hatten stand auf dem spiele. da rief der rat der
400 die bauern und die handwerker auf, die schmierigen Peloponnesier
aus der burg der Jungfrau hinauszuwerfen7) und nun tat Kleisthenes

6) Isagoras hatte unter Hippias in Athen gelebt, und schon weil er gegen
Kleisthenes war, mussten die anhänger der Peisistratiden zu ihm stehn. es ist also
begreiflich, dass er von Aristoteles ein freund der tyrannen genannt wird (20 1).
aber eine besondere überlieferung wird das nicht sein: die parteigegensätze, die
Herodot gab, führten von selbst auf diesen schluss. sein geschlecht ist unbekannt;
da sein familiencult der Zeus Karios war, der boeotisch ist, möchte man an dia-
krische heimat denken; am liebsten möchte ich ihn den tyrannenmördern verwandt
glauben. sein vater hiess Teisandros, ein vornehmer aber viel verbreiteter name;
einen aus Aphidna nennt Platon Gorg. 487c. von den parteigängern der tyrannen
kennen wir den Rhamnusier Antiphon, des redners grossvater, auch einen Diakrier
(Antiph. fgm. 1).
7) Wundervoll gibt Aristophanes die stimmung wieder, Lysistr. 275, unbeschadet
seiner eignen tendenz, die auf versöhnung mit Sparta hinarbeitet. man denke sich
die hemdlosen zottelbärte Spartas zwischen den geschniegelten Ioniern: die farbe
hat nicht der dichter ein jahrhundert später erst aufgetragen.

II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.
miene machte, sich auſserhalb der stadt in Munichia ein schloſs zu bauen.
immerhin erwehrte er sich ohne mühe einer peloponnesischen expedition,
die ihn zu stürzen kam, und wenn er nicht selbst die sache verloren
gegeben hätte und sich lieber auf seine sichere herrschaft Sigeion zu-
rückziehen mochte, würde er wol auch der zweiten invasion lange haben
widerstehn können.

Kleisthenes.Es war die energie und rücksichtslosigkeit des Kleisthenes gewesen,
die die autorität Delphis und die waffen Spartas gegen Hippias aufge-
boten hatte. den gott hatte er durch eine geschickte finanzoperation
auf seine seite gebracht. daſs er Sparta den eintritt in dessen bund
versprochen hatte und gewähren muſste, wenn der Peloponnes ihm helfen
und ihn halten sollte, ist selbstverständlich. es scheint aber durchaus
nicht, daſs die Athener mit Kleisthenes stark sympathisirten. die wirren
nach dem abzuge des Hippias, der friedlich von statten gieng, endeten
nach jahresfrist damit, daſs ein mann der reactionären adelspartei zum
archon gewählt ward6), der ein regiment ganz in Spartas sinne einzu-
richten sich anschickte, die Alkmeoniden wieder vertrieb, und eine groſse
masse von familien, die unter den tyrannen zum bürgerrechte gelangt
waren, in den metökenstand zurückstieſs. Kleomenes von Sparta kam
seinem freunde Isagoras zu hülfe: Sparta schien gewonnen spiel zu
haben. jetzt erst erhob sich das volk, denn jetzt erst handelte es sich
um mehr als den hader der geschlechter. alles gute was Solon und
Peisistratos gebracht hatten stand auf dem spiele. da rief der rat der
400 die bauern und die handwerker auf, die schmierigen Peloponnesier
aus der burg der Jungfrau hinauszuwerfen7) und nun tat Kleisthenes

6) Isagoras hatte unter Hippias in Athen gelebt, und schon weil er gegen
Kleisthenes war, muſsten die anhänger der Peisistratiden zu ihm stehn. es ist also
begreiflich, daſs er von Aristoteles ein freund der tyrannen genannt wird (20 1).
aber eine besondere überlieferung wird das nicht sein: die parteigegensätze, die
Herodot gab, führten von selbst auf diesen schluſs. sein geschlecht ist unbekannt;
da sein familiencult der Ζεὺς Κάϱιος war, der boeotisch ist, möchte man an dia-
krische heimat denken; am liebsten möchte ich ihn den tyrannenmördern verwandt
glauben. sein vater hieſs Τείσανδϱος, ein vornehmer aber viel verbreiteter name;
einen aus Aphidna nennt Platon Gorg. 487c. von den parteigängern der tyrannen
kennen wir den Rhamnusier Antiphon, des redners groſsvater, auch einen Diakrier
(Antiph. fgm. 1).
7) Wundervoll gibt Aristophanes die stimmung wieder, Lysistr. 275, unbeschadet
seiner eignen tendenz, die auf versöhnung mit Sparta hinarbeitet. man denke sich
die hemdlosen zottelbärte Spartas zwischen den geschniegelten Ioniern: die farbe
hat nicht der dichter ein jahrhundert später erst aufgetragen.
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[76/0086] II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes. miene machte, sich auſserhalb der stadt in Munichia ein schloſs zu bauen. immerhin erwehrte er sich ohne mühe einer peloponnesischen expedition, die ihn zu stürzen kam, und wenn er nicht selbst die sache verloren gegeben hätte und sich lieber auf seine sichere herrschaft Sigeion zu- rückziehen mochte, würde er wol auch der zweiten invasion lange haben widerstehn können. Es war die energie und rücksichtslosigkeit des Kleisthenes gewesen, die die autorität Delphis und die waffen Spartas gegen Hippias aufge- boten hatte. den gott hatte er durch eine geschickte finanzoperation auf seine seite gebracht. daſs er Sparta den eintritt in dessen bund versprochen hatte und gewähren muſste, wenn der Peloponnes ihm helfen und ihn halten sollte, ist selbstverständlich. es scheint aber durchaus nicht, daſs die Athener mit Kleisthenes stark sympathisirten. die wirren nach dem abzuge des Hippias, der friedlich von statten gieng, endeten nach jahresfrist damit, daſs ein mann der reactionären adelspartei zum archon gewählt ward 6), der ein regiment ganz in Spartas sinne einzu- richten sich anschickte, die Alkmeoniden wieder vertrieb, und eine groſse masse von familien, die unter den tyrannen zum bürgerrechte gelangt waren, in den metökenstand zurückstieſs. Kleomenes von Sparta kam seinem freunde Isagoras zu hülfe: Sparta schien gewonnen spiel zu haben. jetzt erst erhob sich das volk, denn jetzt erst handelte es sich um mehr als den hader der geschlechter. alles gute was Solon und Peisistratos gebracht hatten stand auf dem spiele. da rief der rat der 400 die bauern und die handwerker auf, die schmierigen Peloponnesier aus der burg der Jungfrau hinauszuwerfen 7) und nun tat Kleisthenes Kleisthenes. 6) Isagoras hatte unter Hippias in Athen gelebt, und schon weil er gegen Kleisthenes war, muſsten die anhänger der Peisistratiden zu ihm stehn. es ist also begreiflich, daſs er von Aristoteles ein freund der tyrannen genannt wird (20 1). aber eine besondere überlieferung wird das nicht sein: die parteigegensätze, die Herodot gab, führten von selbst auf diesen schluſs. sein geschlecht ist unbekannt; da sein familiencult der Ζεὺς Κάϱιος war, der boeotisch ist, möchte man an dia- krische heimat denken; am liebsten möchte ich ihn den tyrannenmördern verwandt glauben. sein vater hieſs Τείσανδϱος, ein vornehmer aber viel verbreiteter name; einen aus Aphidna nennt Platon Gorg. 487c. von den parteigängern der tyrannen kennen wir den Rhamnusier Antiphon, des redners groſsvater, auch einen Diakrier (Antiph. fgm. 1). 7) Wundervoll gibt Aristophanes die stimmung wieder, Lysistr. 275, unbeschadet seiner eignen tendenz, die auf versöhnung mit Sparta hinarbeitet. man denke sich die hemdlosen zottelbärte Spartas zwischen den geschniegelten Ioniern: die farbe hat nicht der dichter ein jahrhundert später erst aufgetragen.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/86>, abgerufen am 25.11.2024.