Athenaeus hat in sein fünfzehntes buch eine sammlung attischer trinklieder eingelegt, die nicht nur durch die einzelnen gedichte, un- schätzbare reste der wirklichen volkspoesie des alten Athen, sondern auch als buch von bedeutung ist. das buch muss ich analysiren, um deut- lich zu machen, dass die beiden von Aristoteles angeführten liedchen bei Athenaeus einlagen aus Aristoteles sind. das mag ich nicht tun, ohne über die gedichte selbst etwas zu sagen. wir können sie wirklich etwas besser verstehn als der alte Ilgen; ich bitte sie aber im Athenaeus nachzulesen, nicht bei Bergk.
Das buch ist so geordnet, dass zuerst die gedichte in dem gewöhn- lichen skolientone stehn, einer zwar aeolischen, aber nicht mehr wirk- lich ächt aeolischen strophe. die stollen werden durch je einen phalae- ceischen elfsylbler gebildet, in dem jedoch bereits ein dreisylbiger, anapaestischer anlaut statt des aeolischen zweisylbigen, hier nie mehr doppelkurzen, vorkommt (ugiai / nein), und, allerdings unter dem drucke von unbequemen eigennamen, eine verdoppelung der zweisylbigen senkung (Armodios kai Aristogeiton). beides ist in der sylben- zählenden metrik von Lesbos undenkbar. der abgesang ist in den meisten fällen durch synaphie gebunden. von den vier gliedern die ihn bilden ist das zweite einmal durch hiat abgesetzt, oder vielmehr durch unerlaubten hiat, da er ein proklitikon abtrennt (agathous te kai / eupatridas 24), ebenso auch nur einmal das dritte (klesanta palin / andra 6), so dass man die vollen dativformen in der elision herzustellen berechtigt ist (emais / euphrosi 4, thusiais andra 12; ebenso natürlich im verse stephanephorois en 3, bromiais oude 5,
1) Das schöne buch von Reitzenstein, Epigramm und Skolion, habe ich nicht mehr benutzen können.
5. DIE ATTISCHE SKOLIENSAMMLUNG.1)
Athenaeus hat in sein fünfzehntes buch eine sammlung attischer trinklieder eingelegt, die nicht nur durch die einzelnen gedichte, un- schätzbare reste der wirklichen volkspoesie des alten Athen, sondern auch als buch von bedeutung ist. das buch muſs ich analysiren, um deut- lich zu machen, daſs die beiden von Aristoteles angeführten liedchen bei Athenaeus einlagen aus Aristoteles sind. das mag ich nicht tun, ohne über die gedichte selbst etwas zu sagen. wir können sie wirklich etwas besser verstehn als der alte Ilgen; ich bitte sie aber im Athenaeus nachzulesen, nicht bei Bergk.
Das buch ist so geordnet, daſs zuerst die gedichte in dem gewöhn- lichen skolientone stehn, einer zwar aeolischen, aber nicht mehr wirk- lich ächt aeolischen strophe. die stollen werden durch je einen phalae- ceischen elfsylbler gebildet, in dem jedoch bereits ein dreisylbiger, anapaestischer anlaut statt des aeolischen zweisylbigen, hier nie mehr doppelkurzen, vorkommt (ὑγιαί / νειν), und, allerdings unter dem drucke von unbequemen eigennamen, eine verdoppelung der zweisylbigen senkung (Ἁϱμόδιος καὶ Ἀϱιστογείτων). beides ist in der sylben- zählenden metrik von Lesbos undenkbar. der abgesang ist in den meisten fällen durch synaphie gebunden. von den vier gliedern die ihn bilden ist das zweite einmal durch hiat abgesetzt, oder vielmehr durch unerlaubten hiat, da er ein proklitikon abtrennt (ἀγαϑούς τε καὶ / εὐπατϱίδας 24), ebenso auch nur einmal das dritte (κλῄσαντα πάλιν / ἄνδϱα 6), so daſs man die vollen dativformen in der elision herzustellen berechtigt ist (ἐμαῖσ̕ / εὔφϱοσι 4, ϑυσίαισ̕ ἄνδϱα 12; ebenso natürlich im verse στεφανηφόϱοισ̕ ἐν 3, βϱομίαισ̕ οὐδέ 5,
1) Das schöne buch von Reitzenstein, Epigramm und Skolion, habe ich nicht mehr benutzen können.
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5.
DIE ATTISCHE SKOLIENSAMMLUNG. 1)
Athenaeus hat in sein fünfzehntes buch eine sammlung attischer
trinklieder eingelegt, die nicht nur durch die einzelnen gedichte, un-
schätzbare reste der wirklichen volkspoesie des alten Athen, sondern auch
als buch von bedeutung ist. das buch muſs ich analysiren, um deut-
lich zu machen, daſs die beiden von Aristoteles angeführten liedchen bei
Athenaeus einlagen aus Aristoteles sind. das mag ich nicht tun, ohne
über die gedichte selbst etwas zu sagen. wir können sie wirklich etwas
besser verstehn als der alte Ilgen; ich bitte sie aber im Athenaeus
nachzulesen, nicht bei Bergk.
Das buch ist so geordnet, daſs zuerst die gedichte in dem gewöhn-
lichen skolientone stehn, einer zwar aeolischen, aber nicht mehr wirk-
lich ächt aeolischen strophe. die stollen werden durch je einen phalae-
ceischen elfsylbler gebildet, in dem jedoch bereits ein dreisylbiger,
anapaestischer anlaut statt des aeolischen zweisylbigen, hier nie mehr
doppelkurzen, vorkommt (ὑγιαί / νειν), und, allerdings unter dem drucke
von unbequemen eigennamen, eine verdoppelung der zweisylbigen
senkung (Ἁϱμόδιος καὶ Ἀϱιστογείτων). beides ist in der sylben-
zählenden metrik von Lesbos undenkbar. der abgesang ist in den
meisten fällen durch synaphie gebunden. von den vier gliedern die
ihn bilden ist das zweite einmal durch hiat abgesetzt, oder vielmehr
durch unerlaubten hiat, da er ein proklitikon abtrennt (ἀγαϑούς τε
καὶ / εὐπατϱίδας 24), ebenso auch nur einmal das dritte (κλῄσαντα
πάλιν / ἄνδϱα 6), so daſs man die vollen dativformen in der elision
herzustellen berechtigt ist (ἐμαῖσ̕ / εὔφϱοσι 4, ϑυσίαισ̕ ἄνδϱα 12;
ebenso natürlich im verse στεφανηφόϱοισ̕ ἐν 3, βϱομίαισ̕ οὐδέ 5,
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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. [316]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/326>, abgerufen am 24.11.2024.
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