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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

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II. 11. Timemata parekhomenoi.
gesetzt war, und im übrigen vorläufig die solonischen und drakontischen
gesetze galten. da der rat auf der praesentation durch die gemeinden beruht,
war es nicht besonders schwierig, 500 ratsherren auszulosen; die demoten
wussten ja in ihrer gemeinde bescheid. auch die archonten, deren man
sofort bedurfte, liessen sich leicht bestellen, da man für sie immer eine vor-
schlagsliste der phylen zu grunde legte, und selbst der appell an die gemein-
den 487 vorgekommen war. dann ward, nach Andokides, ein weiterer aus-
schuss von 500 gesetzgebern von den gemeinden gewählt, und diese beiden
körperschaften haben die factisch jetzt, 399, geltenden gesetze gegeben, d. h.
natürlich dem volke vorgelegt, das selbst allein competent war, ihre vor-
schläge zu gesetzen zu machen. Andokides hütet sich wol, jenes volk,
das die gesetze gegeben hat, von dem jetzt herrschenden zu unterscheiden,
allein er selbst unterscheidet sehr wol zwischen den gesetzen Drakons
und Solons, die während des provisoriums galten, und den jetzigen, die
von den nomotheten gegeben waren. sehr viel unzweideutiger redet
das gesetz des Teisamenos, durch welches jene nomotheten in function
getreten sind. es beginnt politeuesthai Athenaious kata ta patria,
nomois de khresthai tois Solonos kai metrois kai stathmois. darin
ist die geltung der väterlichen verfassung und der solonischen gesetze
ausgesprochen, also das provisorium dauert fort, bis die neuen gesetze
in der weise constituirt sind, die eben durch Teisamenos verordnet wird.
welcher geist in dem volke lebte, das dieses gesetz angenommen hat,
lehrt der schlussparagraph, der dem Areopag die nomophylakie für die
zukunft zuweist, woran doch nicht einmal die 400 gedacht hatten, und
was denn auch von den gesetzgebern alsbald beseitigt worden ist. der rat
und die gesetzgeber standen vor der aufgabe, eine wirkliche verfassung
praktisch zu entwerfen und bei dem volke, wie immer es auch begrenzt
war, durchzubringen. da halfen die schönsten theorien nicht; die ver-
fassung von 593 war 403 wahrhaftig unmöglich, und wenn ein so anti-
demokratischer kopf wie der verfasser des entwurfes von 411 so weit
von Solon abgekommen war, trotzdem er ins blaue decretiren konnte,
wie viel mehr musste sich den 1000 vertretern der gemeinden die demo-
kratie, die ihnen allen allein vertraut war, sich aufnötigen. sie haben
die patrios politeia als die auf die gleichberechtigung aller Athe-
ner gegründete demokratie definirt und darauf hin ihren antrag ge-
stellt. dagegen war im plenum, über dessen zusammensetzung wir erst
etwas zu erfahren streben, die stimmung keineswegs überwunden, die im
anschlusse an die tendenzen des Theramenes und die wünsche Spartas
für absolut richtig und politisch geboten hielt, die proletarier auszu-

II. 11. Τιμήματα παϱεχόμενοι.
gesetzt war, und im übrigen vorläufig die solonischen und drakontischen
gesetze galten. da der rat auf der praesentation durch die gemeinden beruht,
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schlagsliste der phylen zu grunde legte, und selbst der appell an die gemein-
den 487 vorgekommen war. dann ward, nach Andokides, ein weiterer aus-
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natürlich dem volke vorgelegt, das selbst allein competent war, ihre vor-
schläge zu gesetzen zu machen. Andokides hütet sich wol, jenes volk,
das die gesetze gegeben hat, von dem jetzt herrschenden zu unterscheiden,
allein er selbst unterscheidet sehr wol zwischen den gesetzen Drakons
und Solons, die während des provisoriums galten, und den jetzigen, die
von den nomotheten gegeben waren. sehr viel unzweideutiger redet
das gesetz des Teisamenos, durch welches jene nomotheten in function
getreten sind. es beginnt πολιτεύεσϑαι Ἀϑηναίους κατὰ τὰ πάτϱια,
νόμοις δὲ χϱῆσϑαι τοῖς Σόλωνος καὶ μέτϱοις καὶ σταϑμοῖς. darin
ist die geltung der väterlichen verfassung und der solonischen gesetze
ausgesprochen, also das provisorium dauert fort, bis die neuen gesetze
in der weise constituirt sind, die eben durch Teisamenos verordnet wird.
welcher geist in dem volke lebte, das dieses gesetz angenommen hat,
lehrt der schluſsparagraph, der dem Areopag die nomophylakie für die
zukunft zuweist, woran doch nicht einmal die 400 gedacht hatten, und
was denn auch von den gesetzgebern alsbald beseitigt worden ist. der rat
und die gesetzgeber standen vor der aufgabe, eine wirkliche verfassung
praktisch zu entwerfen und bei dem volke, wie immer es auch begrenzt
war, durchzubringen. da halfen die schönsten theorien nicht; die ver-
fassung von 593 war 403 wahrhaftig unmöglich, und wenn ein so anti-
demokratischer kopf wie der verfasser des entwurfes von 411 so weit
von Solon abgekommen war, trotzdem er ins blaue decretiren konnte,
wie viel mehr muſste sich den 1000 vertretern der gemeinden die demo-
kratie, die ihnen allen allein vertraut war, sich aufnötigen. sie haben
die πάτϱιος πολιτεία als die auf die gleichberechtigung aller Athe-
ner gegründete demokratie definirt und darauf hin ihren antrag ge-
stellt. dagegen war im plenum, über dessen zusammensetzung wir erst
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[224/0234] II. 11. Τιμήματα παϱεχόμενοι. gesetzt war, und im übrigen vorläufig die solonischen und drakontischen gesetze galten. da der rat auf der praesentation durch die gemeinden beruht, war es nicht besonders schwierig, 500 ratsherren auszulosen; die demoten wuſsten ja in ihrer gemeinde bescheid. auch die archonten, deren man sofort bedurfte, lieſsen sich leicht bestellen, da man für sie immer eine vor- schlagsliste der phylen zu grunde legte, und selbst der appell an die gemein- den 487 vorgekommen war. dann ward, nach Andokides, ein weiterer aus- schuſs von 500 gesetzgebern von den gemeinden gewählt, und diese beiden körperschaften haben die factisch jetzt, 399, geltenden gesetze gegeben, d. h. natürlich dem volke vorgelegt, das selbst allein competent war, ihre vor- schläge zu gesetzen zu machen. Andokides hütet sich wol, jenes volk, das die gesetze gegeben hat, von dem jetzt herrschenden zu unterscheiden, allein er selbst unterscheidet sehr wol zwischen den gesetzen Drakons und Solons, die während des provisoriums galten, und den jetzigen, die von den nomotheten gegeben waren. sehr viel unzweideutiger redet das gesetz des Teisamenos, durch welches jene nomotheten in function getreten sind. es beginnt πολιτεύεσϑαι Ἀϑηναίους κατὰ τὰ πάτϱια, νόμοις δὲ χϱῆσϑαι τοῖς Σόλωνος καὶ μέτϱοις καὶ σταϑμοῖς. darin ist die geltung der väterlichen verfassung und der solonischen gesetze ausgesprochen, also das provisorium dauert fort, bis die neuen gesetze in der weise constituirt sind, die eben durch Teisamenos verordnet wird. welcher geist in dem volke lebte, das dieses gesetz angenommen hat, lehrt der schluſsparagraph, der dem Areopag die nomophylakie für die zukunft zuweist, woran doch nicht einmal die 400 gedacht hatten, und was denn auch von den gesetzgebern alsbald beseitigt worden ist. der rat und die gesetzgeber standen vor der aufgabe, eine wirkliche verfassung praktisch zu entwerfen und bei dem volke, wie immer es auch begrenzt war, durchzubringen. da halfen die schönsten theorien nicht; die ver- fassung von 593 war 403 wahrhaftig unmöglich, und wenn ein so anti- demokratischer kopf wie der verfasser des entwurfes von 411 so weit von Solon abgekommen war, trotzdem er ins blaue decretiren konnte, wie viel mehr muſste sich den 1000 vertretern der gemeinden die demo- kratie, die ihnen allen allein vertraut war, sich aufnötigen. sie haben die πάτϱιος πολιτεία als die auf die gleichberechtigung aller Athe- ner gegründete demokratie definirt und darauf hin ihren antrag ge- stellt. dagegen war im plenum, über dessen zusammensetzung wir erst etwas zu erfahren streben, die stimmung keineswegs überwunden, die im anschlusse an die tendenzen des Theramenes und die wünsche Spartas für absolut richtig und politisch geboten hielt, die proletarier auszu-

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/234>, abgerufen am 24.11.2024.