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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

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II. 11. Timemata parekhomenoi.
ist nicht ersichtlich, in welcher form die verhandlung eingeleitet ward.
ob durch die constituirung eines logistenprocesses oder durch die ein-
reichung der privaten anklagen vor den ratseuthynen. da ein rat sofort
constituirt ward, ist das letztere wahrscheinlich; der vorsitz ist dann
den thesmotheten zugefallen, die auch gleich mit dem archon Eukleides
eingesetzt sein müssen. Lysias konnte eigentlich nur über seine eigene
sache beschwerde führen, aber da es sich für Eratosthenes um die ganze
amtsführung handelte, so verschob sich das fast notwendigerweise. da-
gegen ist es bare sykophantie, wenn der redner fortwährend die rechen-
schaft des einen, der eben persönlich beurteilt sein wollte, mit der der
Dreissig überhaupt zusammenwirft. mit grossem geschicke sagt er gleich
im eingange (2) "ich muss ja zugestehn, dass ich durch die mir persön-
lich angetane unbill veranlasst bin, hier zu reden"5) gleich als ob es in
der ordnung wäre, dass er über das allgemeine in erster linie spräche,
und sein persönlicher handel höchstens einen schatten auf seine ob-
jectivität würfe: in wahrheit gieng ihn die amtsführung des Erato-
sthenes im übrigen gar nichts an; ihren staat mochten die Athener
allein gut oder schlecht verwalten. sie waren liberal und gerecht, wenn
sie ihm verstatteten seine private beschwerde über ihren beamten vor-
zubringen.

Wenn es sich denn um die rechenschaft handelt, so müssen die richter
aus den timemata parekhomenoi genommen sein, also aus beiden par-
teien. Lysias sagt 84 von Eratosthenes, dass er nuni oukh eteron
onton ton dikaston all auton ton kakos peponthoton ekei apo-
logesomenos pros autous tous marturas tes toutou ponerias. darin
liegt nur, dass leute aus der stadt beteiligt sind, wenn es auch besser
passt bei gemischten richtern. aber der schluss entscheidet, denn da
wendet er sich zunächst an die städter, und sagt ihnen, jetzt als besiegte
hätten sie mit den siegern das gleiche recht (92) und wären bürger
mit den tapferen demokraten, hätten die souveränetät, die entscheidung
über krieg und frieden, und nähmen an den politischen beratungen (94)
teil, alles im gegensatze zu der zeit der Dreissig, wo es keine ekklesie

so gut wie gleich steht, soll man eben wissen und schätzen. die sykophanten in
diesem stande, für die Lysias unser hauptexempel ist, waren so zahlreich, dass die
geschäftsordnung der volksversammlung ihre probole ganz in gleicher ausdehnung
wie die der bürger vorsah (43, 5).
5) Diese stelle schliesst allerdings besonders entschieden den gedanken aus,
dass die rede wegen mordes gehalten wäre, denn dann zwang ihn allein die pflicht
des bluträchers aufzutreten.

II. 11. Τιμήματα παϱεχόμενοι.
ist nicht ersichtlich, in welcher form die verhandlung eingeleitet ward.
ob durch die constituirung eines logistenprocesses oder durch die ein-
reichung der privaten anklagen vor den ratseuthynen. da ein rat sofort
constituirt ward, ist das letztere wahrscheinlich; der vorsitz ist dann
den thesmotheten zugefallen, die auch gleich mit dem archon Eukleides
eingesetzt sein müssen. Lysias konnte eigentlich nur über seine eigene
sache beschwerde führen, aber da es sich für Eratosthenes um die ganze
amtsführung handelte, so verschob sich das fast notwendigerweise. da-
gegen ist es bare sykophantie, wenn der redner fortwährend die rechen-
schaft des einen, der eben persönlich beurteilt sein wollte, mit der der
Dreiſsig überhaupt zusammenwirft. mit groſsem geschicke sagt er gleich
im eingange (2) “ich muſs ja zugestehn, daſs ich durch die mir persön-
lich angetane unbill veranlaſst bin, hier zu reden”5) gleich als ob es in
der ordnung wäre, daſs er über das allgemeine in erster linie spräche,
und sein persönlicher handel höchstens einen schatten auf seine ob-
jectivität würfe: in wahrheit gieng ihn die amtsführung des Erato-
sthenes im übrigen gar nichts an; ihren staat mochten die Athener
allein gut oder schlecht verwalten. sie waren liberal und gerecht, wenn
sie ihm verstatteten seine private beschwerde über ihren beamten vor-
zubringen.

Wenn es sich denn um die rechenschaft handelt, so müssen die richter
aus den τιμήματα παϱεχόμενοι genommen sein, also aus beiden par-
teien. Lysias sagt 84 von Eratosthenes, daſs er νυνὶ οὐχ ἑτέϱων
ὄντων τῶν δικαστῶν ἀλλ̕ αὐτῶν τῶν κακῶς πεπονϑότων ἥκει ἀπο-
λογησόμενος πϱὸς αὐτοὺς τοὺς μάϱτυϱας τῆς τούτου πονηϱίας. darin
liegt nur, daſs leute aus der stadt beteiligt sind, wenn es auch besser
paſst bei gemischten richtern. aber der schluſs entscheidet, denn da
wendet er sich zunächst an die städter, und sagt ihnen, jetzt als besiegte
hätten sie mit den siegern das gleiche recht (92) und wären bürger
mit den tapferen demokraten, hätten die souveränetät, die entscheidung
über krieg und frieden, und nähmen an den politischen beratungen (94)
teil, alles im gegensatze zu der zeit der Dreiſsig, wo es keine ekklesie

so gut wie gleich steht, soll man eben wissen und schätzen. die sykophanten in
diesem stande, für die Lysias unser hauptexempel ist, waren so zahlreich, daſs die
geschäftsordnung der volksversammlung ihre πϱοβολή ganz in gleicher ausdehnung
wie die der bürger vorsah (43, 5).
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[220/0230] II. 11. Τιμήματα παϱεχόμενοι. ist nicht ersichtlich, in welcher form die verhandlung eingeleitet ward. ob durch die constituirung eines logistenprocesses oder durch die ein- reichung der privaten anklagen vor den ratseuthynen. da ein rat sofort constituirt ward, ist das letztere wahrscheinlich; der vorsitz ist dann den thesmotheten zugefallen, die auch gleich mit dem archon Eukleides eingesetzt sein müssen. Lysias konnte eigentlich nur über seine eigene sache beschwerde führen, aber da es sich für Eratosthenes um die ganze amtsführung handelte, so verschob sich das fast notwendigerweise. da- gegen ist es bare sykophantie, wenn der redner fortwährend die rechen- schaft des einen, der eben persönlich beurteilt sein wollte, mit der der Dreiſsig überhaupt zusammenwirft. mit groſsem geschicke sagt er gleich im eingange (2) “ich muſs ja zugestehn, daſs ich durch die mir persön- lich angetane unbill veranlaſst bin, hier zu reden” 5) gleich als ob es in der ordnung wäre, daſs er über das allgemeine in erster linie spräche, und sein persönlicher handel höchstens einen schatten auf seine ob- jectivität würfe: in wahrheit gieng ihn die amtsführung des Erato- sthenes im übrigen gar nichts an; ihren staat mochten die Athener allein gut oder schlecht verwalten. sie waren liberal und gerecht, wenn sie ihm verstatteten seine private beschwerde über ihren beamten vor- zubringen. Wenn es sich denn um die rechenschaft handelt, so müssen die richter aus den τιμήματα παϱεχόμενοι genommen sein, also aus beiden par- teien. Lysias sagt 84 von Eratosthenes, daſs er νυνὶ οὐχ ἑτέϱων ὄντων τῶν δικαστῶν ἀλλ̕ αὐτῶν τῶν κακῶς πεπονϑότων ἥκει ἀπο- λογησόμενος πϱὸς αὐτοὺς τοὺς μάϱτυϱας τῆς τούτου πονηϱίας. darin liegt nur, daſs leute aus der stadt beteiligt sind, wenn es auch besser paſst bei gemischten richtern. aber der schluſs entscheidet, denn da wendet er sich zunächst an die städter, und sagt ihnen, jetzt als besiegte hätten sie mit den siegern das gleiche recht (92) und wären bürger mit den tapferen demokraten, hätten die souveränetät, die entscheidung über krieg und frieden, und nähmen an den politischen beratungen (94) teil, alles im gegensatze zu der zeit der Dreiſsig, wo es keine ekklesie 4) 5) Diese stelle schlieſst allerdings besonders entschieden den gedanken aus, daſs die rede wegen mordes gehalten wäre, denn dann zwang ihn allein die pflicht des bluträchers aufzutreten. 4) so gut wie gleich steht, soll man eben wissen und schätzen. die sykophanten in diesem stande, für die Lysias unser hauptexempel ist, waren so zahlreich, daſs die geschäftsordnung der volksversammlung ihre πϱοβολή ganz in gleicher ausdehnung wie die der bürger vorsah (43, 5).

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/230>, abgerufen am 24.11.2024.