Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.Das recht am namen. Allein der reizvolle und viel zu wenig behandelte gegenstand locktDas recht vidualnamen zu erhalten, sondern Lesbia sagte passer und Corinna psittacus. die italienischen hunde pflegen noch heute auf cane zu hören. bei uns ist jeder schwan ein Hans und jeder kleine vogel ein Matz: darin liegt jetzt keinerlei individuali- sirung mehr. von ortsnamen sind ganz individuell die der flüsse: das sind aber meist auch götter und ahnherren, minder schon die der berge, noch weniger die der städte, die sehr vielfach derivata sind. sie bedürfen einer neuen untersuchung. dass es keine strassennamen uralter zeit gab, habe ich Herakl. II 199 ausgeführt. 22) Messenios aner steht unter dem confiscirte besitze des Hermokopiden Axiochos CIA I 274. ebenda Kudimakhon donlon Adeimantou; jener hatte zu hause gewiss einen namen gehabt, der nun nicht mehr galt. Kydimachos war ein vor- nehmer menschenname, deshalb fügt der protokollirende schreiber doulon hinzu. ein grund das wort anders zu deuten liegt nicht vor. 23) Das folgt mit sicherheit aus II 1708, 2056, 2166, 2216, 2547, 2648. ich behaupte natürlich nicht, dass keine ausnahmen vorkämen, da das recht notwendig ehedem weiter gieng. aber ich kenne keine. 24) Die vergleichung der demosthenischen rede 39 mit der eines unbekannten 40 ist sehr lehrreich. Demosthenes führt eine schlechte sache und verliert sie, aber die rede ist sehr geschickt. der andere sachwalter hat eine, wie es scheint, gute sache; den erfolg vermag ich nicht zu erkennen. die sache war wol die. der po- litiker Mantias von Thorikos hatte eine ehefrau Plangon, die er liebte, von der er kinder hatte, die er aber doch verstiess, als ihr vermögen verloren gieng. nun nahm er sich eine reiche wittwe und zeugte mit der einen andern sohn. aber als diese starb, kehrte er zu der ersten liebe zurück, wollte nur von den kindern der Plangon nichts wissen. doch diese war geschickt genug, den alten in den letzten tagen zur gerechtigkeit zu bestimmen. und der nunmehr geprellte angeblich einzig echtbürtige sohn dang sich vergebens den besten redner für seine hässliche sache und ist mit einem schlechtern redner für eine anscheinend begründete geldforderung kaum besser gefahren. 12*
Das recht am namen. Allein der reizvolle und viel zu wenig behandelte gegenstand locktDas recht vidualnamen zu erhalten, sondern Lesbia sagte passer und Corinna psittacus. die italienischen hunde pflegen noch heute auf cane zu hören. bei uns ist jeder schwan ein Hans und jeder kleine vogel ein Matz: darin liegt jetzt keinerlei individuali- sirung mehr. von ortsnamen sind ganz individuell die der flüsse: das sind aber meist auch götter und ahnherren, minder schon die der berge, noch weniger die der städte, die sehr vielfach derivata sind. sie bedürfen einer neuen untersuchung. daſs es keine straſsennamen uralter zeit gab, habe ich Herakl. II 199 ausgeführt. 22) Μεσσένιος ἀνέϱ steht unter dem confiscirte besitze des Hermokopiden Axiochos CIA I 274. ebenda Κυδίμαχον δο̃λον Ἀδειμάντου; jener hatte zu hause gewiſs einen namen gehabt, der nun nicht mehr galt. Kydimachos war ein vor- nehmer menschenname, deshalb fügt der protokollirende schreiber δοῦλον hinzu. ein grund das wort anders zu deuten liegt nicht vor. 23) Das folgt mit sicherheit aus II 1708, 2056, 2166, 2216, 2547, 2648. ich behaupte natürlich nicht, daſs keine ausnahmen vorkämen, da das recht notwendig ehedem weiter gieng. aber ich kenne keine. 24) Die vergleichung der demosthenischen rede 39 mit der eines unbekannten 40 ist sehr lehrreich. Demosthenes führt eine schlechte sache und verliert sie, aber die rede ist sehr geschickt. der andere sachwalter hat eine, wie es scheint, gute sache; den erfolg vermag ich nicht zu erkennen. die sache war wol die. der po- litiker Mantias von Thorikos hatte eine ehefrau Plangon, die er liebte, von der er kinder hatte, die er aber doch verstieſs, als ihr vermögen verloren gieng. nun nahm er sich eine reiche wittwe und zeugte mit der einen andern sohn. aber als diese starb, kehrte er zu der ersten liebe zurück, wollte nur von den kindern der Plangon nichts wissen. doch diese war geschickt genug, den alten in den letzten tagen zur gerechtigkeit zu bestimmen. und der nunmehr geprellte angeblich einzig echtbürtige sohn dang sich vergebens den besten redner für seine häſsliche sache und ist mit einem schlechtern redner für eine anscheinend begründete geldforderung kaum besser gefahren. 12*
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Das recht am namen.
Allein der reizvolle und viel zu wenig behandelte gegenstand lockt
mich vom wege ab. die onomatologie selbst darf ich hier nicht ver-
folgen; nur das ist rechtlich von bedeutung, daſs der sclave von des
herrn gnade und durch des herrn willkür den namen hat, auf den recht-
lich nichts ankommt; ein in sclaverei geratener Hellene kann ihn ebenso
gut führen wie verlieren, je nach dem belieben des herrn. 22) die frau
steht rechtlich ebenfalls unter dem κύϱιος, und ihr bürgerrecht beruht
ausschlieſslich auf dem des mannes, in dessen hand sie ist. in Athen
ist jedoch der genetiv ohne zusatz von γυνή bereits dem vatersnamen
vorbehalten. 23) die hetaeren führen wahlnamen, auch wenn sie freie sind,
und keineswegs bloſs als tituli: es scheint nicht, daſs der frauenname
im schutze des gesetzes steht, während der mann um seinen namen klagen
kann, wie der rechtshandel des Μαντίϑεος Μαντίου Θοϱίκιος wider
Μαντίϑεος Μαντίου Θοϱίκιος beweist, in dem der erste vergeblich
dem zweiten die führung des namens bestreitet. 24) aber der eigenname
21)
Das recht
am namen.
22) Μεσσένιος ἀνέϱ steht unter dem confiscirte besitze des Hermokopiden
Axiochos CIA I 274. ebenda Κυδίμαχον δο̃λον Ἀδειμάντου; jener hatte zu hause
gewiſs einen namen gehabt, der nun nicht mehr galt. Kydimachos war ein vor-
nehmer menschenname, deshalb fügt der protokollirende schreiber δοῦλον hinzu.
ein grund das wort anders zu deuten liegt nicht vor.
23) Das folgt mit sicherheit aus II 1708, 2056, 2166, 2216, 2547, 2648. ich
behaupte natürlich nicht, daſs keine ausnahmen vorkämen, da das recht notwendig
ehedem weiter gieng. aber ich kenne keine.
24) Die vergleichung der demosthenischen rede 39 mit der eines unbekannten
40 ist sehr lehrreich. Demosthenes führt eine schlechte sache und verliert sie, aber
die rede ist sehr geschickt. der andere sachwalter hat eine, wie es scheint, gute
sache; den erfolg vermag ich nicht zu erkennen. die sache war wol die. der po-
litiker Mantias von Thorikos hatte eine ehefrau Plangon, die er liebte, von der er
kinder hatte, die er aber doch verstieſs, als ihr vermögen verloren gieng. nun
nahm er sich eine reiche wittwe und zeugte mit der einen andern sohn. aber als
diese starb, kehrte er zu der ersten liebe zurück, wollte nur von den kindern der
Plangon nichts wissen. doch diese war geschickt genug, den alten in den letzten
tagen zur gerechtigkeit zu bestimmen. und der nunmehr geprellte angeblich einzig
echtbürtige sohn dang sich vergebens den besten redner für seine häſsliche sache
und ist mit einem schlechtern redner für eine anscheinend begründete geldforderung
kaum besser gefahren.
21) vidualnamen zu erhalten, sondern Lesbia sagte passer und Corinna psittacus. die
italienischen hunde pflegen noch heute auf cane zu hören. bei uns ist jeder schwan
ein Hans und jeder kleine vogel ein Matz: darin liegt jetzt keinerlei individuali-
sirung mehr. von ortsnamen sind ganz individuell die der flüsse: das sind aber
meist auch götter und ahnherren, minder schon die der berge, noch weniger die der
städte, die sehr vielfach derivata sind. sie bedürfen einer neuen untersuchung. daſs
es keine straſsennamen uralter zeit gab, habe ich Herakl. II 199 ausgeführt.
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