Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

Bild:
<< vorherige Seite

Die mythischen könige.
standpunkte, sei es des seefahrers draussen, sei es des hinterliegen-
den continentes bezeichnet werden kann, so ist der ursprung dieses
namens ausserhalb Athens zu suchen, wie denn auch Aktaios-
Aktaion in Attika keine locale oder gentilicische verbindung hat.2)
dagegen ist Aktaion sohn des Aristaios in der kadmeischen genealogie,
Aristaios ist der vertreter von Keos, wo er seinen cult hat: dass
sein sohn der 'mann der Akte' ist, ein vorwitziger mensch, der die
Artemis oder die Semele freien will und zu grunde geht, ist vom
standpunkte der nachbarn Athens ganz begreiflich.3)

Es bleiben also nur die vier den dichtern des fünften jahrhunderts
geläufigen könige Kekrops, Erechtheus, Pandion, Aigeus. aber auch von
ihnen geht Pandion ab, der nur als vater für die sage in betracht
kommt, von den Pandia abgeleitet ist und die sammlung aller Athener,
die einen Zeus erkeios haben, zum gemeinfeste des Zeus bedeutet. wie
dieses ist sein repräsentant immerhin recht alt.4) die beurteilung des
Aigeus ist von uns modernen einseitig und falsch lediglich darauf ge-
baut worden, dass er den Poseidon als vater des Theseus ersetzt, und
dass in seinem namen wie in dem von Aigai die wogen stecken können.
aber er hat den Poseidon als vater des Theseus nicht verdrängt, wie denn
überhaupt ein sterblicher vater neben dem göttlichen zu rechte besteht,
und Tyndareos oder Amphitryon sind wahrlich keine hypostasen des
Zeus. Aigeus ist der ahnherr des geschlechtes der Aigeidai, und dieses
existirt in Theben und Sparta sammt ihren pflanzstädten. als zugehöriger
zu diesem geschlechte ist Theseus Aigeides, wie Herakles Alkeides ist,
und zwar schon in der Ilias, also ehe Theseus Athener ist.5) als dieser

2) Vertreter Athens ist Aktaios in der genealogie des Aias bei Pherekydes
(Homer. Unters. 246). das ist zwar attisch, aber Salamis gegenüber liegt auch die
eigentliche akte.
3) Der Bakchiade Aktaion, den die liebhaber zerreissen wie die hunde den
sohn des Aristaios, illustrirt den übergang der sagenmotive in die novelle, wie z. b.
Ankaios der bruder Althaias zu einem könige von Samos wird, den wieder ein wild-
schwein erschlägt.
4) Denn er hat einem begleiter des Teukros in einer interpolation der Ilias
seinen namen gegeben, M 372, Homer. Unters. 245. mit einer Homerkritik, die das
nicht begreift, kann ich nicht disputiren.
5) A 265, denn die athetese des verses im Heraklesschilde 184 ist E. Meyer
(Herm. 27, 374) nicht geglückt, wie Robert dazu bemerkt hat: wo sollen wir hin,
wenn ein fast gleichzeitiges citat nicht mehr sichert? dass Theseus Aegide ist,
discreditirt den vers vollends nur unter der voraussetzung, dass die sterblichen väter
jünger als die himmlischen wären. der vers ist das älteste zeugnis für Theseus, und
hier erscheint er als Lapithe. das ist sehr beherzigenswert.

Die mythischen könige.
standpunkte, sei es des seefahrers drauſsen, sei es des hinterliegen-
den continentes bezeichnet werden kann, so ist der ursprung dieses
namens auſserhalb Athens zu suchen, wie denn auch Aktaios-
Aktaion in Attika keine locale oder gentilicische verbindung hat.2)
dagegen ist Aktaion sohn des Aristaios in der kadmeischen genealogie,
Aristaios ist der vertreter von Keos, wo er seinen cult hat: daſs
sein sohn der ‘mann der Akte’ ist, ein vorwitziger mensch, der die
Artemis oder die Semele freien will und zu grunde geht, ist vom
standpunkte der nachbarn Athens ganz begreiflich.3)

Es bleiben also nur die vier den dichtern des fünften jahrhunderts
geläufigen könige Kekrops, Erechtheus, Pandion, Aigeus. aber auch von
ihnen geht Pandion ab, der nur als vater für die sage in betracht
kommt, von den Πάνδια abgeleitet ist und die sammlung aller Athener,
die einen Ζεὺς ἑϱκεῖος haben, zum gemeinfeste des Zeus bedeutet. wie
dieses ist sein repräsentant immerhin recht alt.4) die beurteilung des
Aigeus ist von uns modernen einseitig und falsch lediglich darauf ge-
baut worden, daſs er den Poseidon als vater des Theseus ersetzt, und
daſs in seinem namen wie in dem von Αἰγαί die wogen stecken können.
aber er hat den Poseidon als vater des Theseus nicht verdrängt, wie denn
überhaupt ein sterblicher vater neben dem göttlichen zu rechte besteht,
und Tyndareos oder Amphitryon sind wahrlich keine hypostasen des
Zeus. Αἰγεύς ist der ahnherr des geschlechtes der Αἰγεῖδαι, und dieses
existirt in Theben und Sparta sammt ihren pflanzstädten. als zugehöriger
zu diesem geschlechte ist Theseus Αἰγεΐδης, wie Herakles Ἀλκεΐδης ist,
und zwar schon in der Ilias, also ehe Theseus Athener ist.5) als dieser

2) Vertreter Athens ist Aktaios in der genealogie des Aias bei Pherekydes
(Homer. Unters. 246). das ist zwar attisch, aber Salamis gegenüber liegt auch die
eigentliche ἀκτή.
3) Der Bakchiade Aktaion, den die liebhaber zerreiſsen wie die hunde den
sohn des Aristaios, illustrirt den übergang der sagenmotive in die novelle, wie z. b.
Ankaios der bruder Althaias zu einem könige von Samos wird, den wieder ein wild-
schwein erschlägt.
4) Denn er hat einem begleiter des Teukros in einer interpolation der Ilias
seinen namen gegeben, M 372, Homer. Unters. 245. mit einer Homerkritik, die das
nicht begreift, kann ich nicht disputiren.
5) A 265, denn die athetese des verses im Heraklesschilde 184 ist E. Meyer
(Herm. 27, 374) nicht geglückt, wie Robert dazu bemerkt hat: wo sollen wir hin,
wenn ein fast gleichzeitiges citat nicht mehr sichert? daſs Theseus Aegide ist,
discreditirt den vers vollends nur unter der voraussetzung, daſs die sterblichen väter
jünger als die himmlischen wären. der vers ist das älteste zeugnis für Theseus, und
hier erscheint er als Lapithe. das ist sehr beherzigenswert.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0137" n="127"/><fw place="top" type="header">Die mythischen könige.</fw><lb/>
standpunkte, sei es des seefahrers drau&#x017F;sen, sei es des hinterliegen-<lb/>
den continentes bezeichnet werden kann, so ist der ursprung dieses<lb/>
namens au&#x017F;serhalb Athens zu suchen, wie denn auch Aktaios-<lb/>
Aktaion in Attika keine locale oder gentilicische verbindung hat.<note place="foot" n="2)">Vertreter Athens ist Aktaios in der genealogie des Aias bei Pherekydes<lb/>
(Homer. Unters. 246). das ist zwar attisch, aber Salamis gegenüber liegt auch die<lb/>
eigentliche &#x1F00;&#x03BA;&#x03C4;&#x03AE;.</note><lb/>
dagegen ist Aktaion sohn des Aristaios in der kadmeischen genealogie,<lb/>
Aristaios ist der vertreter von Keos, wo er seinen cult hat: da&#x017F;s<lb/>
sein sohn der &#x2018;mann der Akte&#x2019; ist, ein vorwitziger mensch, der die<lb/>
Artemis oder die Semele freien will und zu grunde geht, ist vom<lb/>
standpunkte der nachbarn Athens ganz begreiflich.<note place="foot" n="3)">Der Bakchiade Aktaion, den die liebhaber zerrei&#x017F;sen wie die hunde den<lb/>
sohn des Aristaios, illustrirt den übergang der sagenmotive in die novelle, wie z. b.<lb/>
Ankaios der bruder Althaias zu einem könige von Samos wird, den wieder ein wild-<lb/>
schwein erschlägt.</note></p><lb/>
          <p>Es bleiben also nur die vier den dichtern des fünften jahrhunderts<lb/>
geläufigen könige Kekrops, Erechtheus, Pandion, Aigeus. aber auch von<lb/>
ihnen geht Pandion ab, der nur als vater für die sage in betracht<lb/>
kommt, von den &#x03A0;&#x03AC;&#x03BD;&#x03B4;&#x03B9;&#x03B1; abgeleitet ist und die sammlung aller Athener,<lb/>
die einen &#x0396;&#x03B5;&#x1F7A;&#x03C2; &#x1F11;&#x03F1;&#x03BA;&#x03B5;&#x1FD6;&#x03BF;&#x03C2; haben, zum gemeinfeste des Zeus bedeutet. wie<lb/>
dieses ist sein repräsentant immerhin recht alt.<note place="foot" n="4)">Denn er hat einem begleiter des Teukros in einer interpolation der Ilias<lb/>
seinen namen gegeben, <hi rendition="#i">M</hi> 372, Homer. Unters. 245. mit einer Homerkritik, die das<lb/>
nicht begreift, kann ich nicht disputiren.</note> die beurteilung des<lb/>
Aigeus ist von uns modernen einseitig und falsch lediglich darauf ge-<lb/>
baut worden, da&#x017F;s er den Poseidon als vater des Theseus ersetzt, und<lb/>
da&#x017F;s in seinem namen wie in dem von &#x0391;&#x1F30;&#x03B3;&#x03B1;&#x03AF; die wogen stecken können.<lb/>
aber er hat den Poseidon als vater des Theseus nicht verdrängt, wie denn<lb/>
überhaupt ein sterblicher vater neben dem göttlichen zu rechte besteht,<lb/>
und Tyndareos oder Amphitryon sind wahrlich keine hypostasen des<lb/>
Zeus. &#x0391;&#x1F30;&#x03B3;&#x03B5;&#x03CD;&#x03C2; ist der ahnherr des geschlechtes der &#x0391;&#x1F30;&#x03B3;&#x03B5;&#x1FD6;&#x03B4;&#x03B1;&#x03B9;, und dieses<lb/>
existirt in Theben und Sparta sammt ihren pflanzstädten. als zugehöriger<lb/>
zu diesem geschlechte ist Theseus &#x0391;&#x1F30;&#x03B3;&#x03B5;&#x1FD3;&#x03B4;&#x03B7;&#x03C2;, wie Herakles &#x1F08;&#x03BB;&#x03BA;&#x03B5;&#x1FD3;&#x03B4;&#x03B7;&#x03C2; ist,<lb/>
und zwar schon in der Ilias, also ehe Theseus Athener ist.<note place="foot" n="5)"><hi rendition="#i">A</hi> 265, denn die athetese des verses im Heraklesschilde 184 ist E. Meyer<lb/>
(Herm. 27, 374) nicht geglückt, wie Robert dazu bemerkt hat: wo sollen wir hin,<lb/>
wenn ein fast gleichzeitiges citat nicht mehr sichert? da&#x017F;s Theseus Aegide ist,<lb/>
discreditirt den vers vollends nur unter der voraussetzung, da&#x017F;s die sterblichen väter<lb/>
jünger als die himmlischen wären. der vers ist das älteste zeugnis für Theseus, und<lb/>
hier erscheint er als Lapithe. das ist sehr beherzigenswert.</note> als dieser<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0137] Die mythischen könige. standpunkte, sei es des seefahrers drauſsen, sei es des hinterliegen- den continentes bezeichnet werden kann, so ist der ursprung dieses namens auſserhalb Athens zu suchen, wie denn auch Aktaios- Aktaion in Attika keine locale oder gentilicische verbindung hat. 2) dagegen ist Aktaion sohn des Aristaios in der kadmeischen genealogie, Aristaios ist der vertreter von Keos, wo er seinen cult hat: daſs sein sohn der ‘mann der Akte’ ist, ein vorwitziger mensch, der die Artemis oder die Semele freien will und zu grunde geht, ist vom standpunkte der nachbarn Athens ganz begreiflich. 3) Es bleiben also nur die vier den dichtern des fünften jahrhunderts geläufigen könige Kekrops, Erechtheus, Pandion, Aigeus. aber auch von ihnen geht Pandion ab, der nur als vater für die sage in betracht kommt, von den Πάνδια abgeleitet ist und die sammlung aller Athener, die einen Ζεὺς ἑϱκεῖος haben, zum gemeinfeste des Zeus bedeutet. wie dieses ist sein repräsentant immerhin recht alt. 4) die beurteilung des Aigeus ist von uns modernen einseitig und falsch lediglich darauf ge- baut worden, daſs er den Poseidon als vater des Theseus ersetzt, und daſs in seinem namen wie in dem von Αἰγαί die wogen stecken können. aber er hat den Poseidon als vater des Theseus nicht verdrängt, wie denn überhaupt ein sterblicher vater neben dem göttlichen zu rechte besteht, und Tyndareos oder Amphitryon sind wahrlich keine hypostasen des Zeus. Αἰγεύς ist der ahnherr des geschlechtes der Αἰγεῖδαι, und dieses existirt in Theben und Sparta sammt ihren pflanzstädten. als zugehöriger zu diesem geschlechte ist Theseus Αἰγεΐδης, wie Herakles Ἀλκεΐδης ist, und zwar schon in der Ilias, also ehe Theseus Athener ist. 5) als dieser 2) Vertreter Athens ist Aktaios in der genealogie des Aias bei Pherekydes (Homer. Unters. 246). das ist zwar attisch, aber Salamis gegenüber liegt auch die eigentliche ἀκτή. 3) Der Bakchiade Aktaion, den die liebhaber zerreiſsen wie die hunde den sohn des Aristaios, illustrirt den übergang der sagenmotive in die novelle, wie z. b. Ankaios der bruder Althaias zu einem könige von Samos wird, den wieder ein wild- schwein erschlägt. 4) Denn er hat einem begleiter des Teukros in einer interpolation der Ilias seinen namen gegeben, M 372, Homer. Unters. 245. mit einer Homerkritik, die das nicht begreift, kann ich nicht disputiren. 5) A 265, denn die athetese des verses im Heraklesschilde 184 ist E. Meyer (Herm. 27, 374) nicht geglückt, wie Robert dazu bemerkt hat: wo sollen wir hin, wenn ein fast gleichzeitiges citat nicht mehr sichert? daſs Theseus Aegide ist, discreditirt den vers vollends nur unter der voraussetzung, daſs die sterblichen väter jünger als die himmlischen wären. der vers ist das älteste zeugnis für Theseus, und hier erscheint er als Lapithe. das ist sehr beherzigenswert.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/137
Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/137>, abgerufen am 24.11.2024.