Die quellenkunde der griechischen geschichte ist eine disciplin, die etwa vor einem menschenalter erfunden ist und am bequemsten in dem verbreiteten abrisse von A. Schaefer studirt wird. da stehn mehr oderQuellen- kunde weniger kümmerliche biographische und litterarische notizen über die griechischen historiker bis ans ende des zweiten jahrhunderts v. Chr., also Diodor und Plutarch fehlen, um dafür in der römischen quellenkunde zu figuriren. wenn sie für die eine quellen sind, wieso sind sie's für die andere nicht? das buch trägt überhaupt sehr viel von der schuld, dass die studenten meinen, man lernte die griechische geschichte wesentlich aus den historikern.
Gleichzeitig ist mit einem sehr starken aufwande von arbeit, zumeist allerdings anfängerarbeit, der versuch gemacht, die späteren berichte auf ihre quellen zurückzuführen. dabei ist einiges wertvolle ermittelt; es hat sich aber nachgerade herausgestellt, dass dieses quellensuchen ein recht schwieriges geschäft der litterarischen analysis ist. die historische analyse hat zwar für die zeit nach Polybios viele und gute ausbeute ge- liefert; vorher verschwindend wenig. als das wichtigste methodisch wie praktisch gleich bedeutsame ergebnis darf man verzeichnen, dass die be- deutung der antiken sammler und forscher immer klarer hervortritt. leute wie Timaios Istros Hermippos Apollodoros Alexandros von Milet sind ungleich kenntlicher geworden als Ephoros Theopompos Aristobulos. ihre reste aber finden sich vornehmlich bei grammatikern und philo- sophen, in scholien und lexicis, also in schriften, die unter den ge- schichtsquellen nicht zu paradiren pflegen.
Die quellenkunde spottet ihrer selbst schon durch ihren namen. was ist eine quelle? Schaefers abriss antwortet: ein geschichtliches buch aus der zeit vor Polybios. der quellensucher antwortet: die vorlagen meines autors, einerlei wer er ist. es gibt quellen des Suidas und
1*
1. DIE QUELLEN DER GRIECHISCHEN GESCHICHTE.
Die quellenkunde der griechischen geschichte ist eine disciplin, die etwa vor einem menschenalter erfunden ist und am bequemsten in dem verbreiteten abrisse von A. Schaefer studirt wird. da stehn mehr oderQuellen- kunde weniger kümmerliche biographische und litterarische notizen über die griechischen historiker bis ans ende des zweiten jahrhunderts v. Chr., also Diodor und Plutarch fehlen, um dafür in der römischen quellenkunde zu figuriren. wenn sie für die eine quellen sind, wieso sind sie’s für die andere nicht? das buch trägt überhaupt sehr viel von der schuld, daſs die studenten meinen, man lernte die griechische geschichte wesentlich aus den historikern.
Gleichzeitig ist mit einem sehr starken aufwande von arbeit, zumeist allerdings anfängerarbeit, der versuch gemacht, die späteren berichte auf ihre quellen zurückzuführen. dabei ist einiges wertvolle ermittelt; es hat sich aber nachgerade herausgestellt, daſs dieses quellensuchen ein recht schwieriges geschäft der litterarischen analysis ist. die historische analyse hat zwar für die zeit nach Polybios viele und gute ausbeute ge- liefert; vorher verschwindend wenig. als das wichtigste methodisch wie praktisch gleich bedeutsame ergebnis darf man verzeichnen, daſs die be- deutung der antiken sammler und forscher immer klarer hervortritt. leute wie Timaios Istros Hermippos Apollodoros Alexandros von Milet sind ungleich kenntlicher geworden als Ephoros Theopompos Aristobulos. ihre reste aber finden sich vornehmlich bei grammatikern und philo- sophen, in scholien und lexicis, also in schriften, die unter den ge- schichtsquellen nicht zu paradiren pflegen.
Die quellenkunde spottet ihrer selbst schon durch ihren namen. was ist eine quelle? Schaefers abriſs antwortet: ein geschichtliches buch aus der zeit vor Polybios. der quellensucher antwortet: die vorlagen meines autors, einerlei wer er ist. es gibt quellen des Suidas und
1*
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0013"n="[3]"/><divn="2"><head>1.<lb/><hirendition="#b">DIE QUELLEN DER GRIECHISCHEN GESCHICHTE.</hi></head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Die quellenkunde der griechischen geschichte ist eine disciplin, die<lb/>
etwa vor einem menschenalter erfunden ist und am bequemsten in dem<lb/>
verbreiteten abrisse von A. Schaefer studirt wird. da stehn mehr oder<noteplace="right">Quellen-<lb/>
kunde</note><lb/>
weniger kümmerliche biographische und litterarische notizen über die<lb/>
griechischen historiker bis ans ende des zweiten jahrhunderts v. Chr., also<lb/>
Diodor und Plutarch fehlen, um dafür in der römischen quellenkunde zu<lb/>
figuriren. wenn sie für die eine quellen sind, wieso sind sie’s für die<lb/>
andere nicht? das buch trägt überhaupt sehr viel von der schuld, daſs<lb/>
die studenten meinen, man lernte die griechische geschichte wesentlich<lb/>
aus den historikern.</p><lb/><p>Gleichzeitig ist mit einem sehr starken aufwande von arbeit, zumeist<lb/>
allerdings anfängerarbeit, der versuch gemacht, die späteren berichte auf<lb/>
ihre quellen zurückzuführen. dabei ist einiges wertvolle ermittelt; es<lb/>
hat sich aber nachgerade herausgestellt, daſs dieses quellensuchen ein<lb/>
recht schwieriges geschäft der litterarischen analysis ist. die historische<lb/>
analyse hat zwar für die zeit nach Polybios viele und gute ausbeute ge-<lb/>
liefert; vorher verschwindend wenig. als das wichtigste methodisch wie<lb/>
praktisch gleich bedeutsame ergebnis darf man verzeichnen, daſs die be-<lb/>
deutung der antiken sammler und forscher immer klarer hervortritt. leute<lb/>
wie Timaios Istros Hermippos Apollodoros Alexandros von Milet sind<lb/>
ungleich kenntlicher geworden als Ephoros Theopompos Aristobulos.<lb/>
ihre reste aber finden sich vornehmlich bei grammatikern und philo-<lb/>
sophen, in scholien und lexicis, also in schriften, die unter den ge-<lb/>
schichtsquellen nicht zu paradiren pflegen.</p><lb/><p>Die quellenkunde spottet ihrer selbst schon durch ihren namen.<lb/>
was ist eine quelle? Schaefers abriſs antwortet: ein geschichtliches buch<lb/>
aus der zeit vor Polybios. der quellensucher antwortet: die vorlagen<lb/>
meines autors, einerlei wer er ist. es gibt quellen des Suidas und<lb/><fwplace="bottom"type="sig">1*</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[3]/0013]
1.
DIE QUELLEN DER GRIECHISCHEN GESCHICHTE.
Die quellenkunde der griechischen geschichte ist eine disciplin, die
etwa vor einem menschenalter erfunden ist und am bequemsten in dem
verbreiteten abrisse von A. Schaefer studirt wird. da stehn mehr oder
weniger kümmerliche biographische und litterarische notizen über die
griechischen historiker bis ans ende des zweiten jahrhunderts v. Chr., also
Diodor und Plutarch fehlen, um dafür in der römischen quellenkunde zu
figuriren. wenn sie für die eine quellen sind, wieso sind sie’s für die
andere nicht? das buch trägt überhaupt sehr viel von der schuld, daſs
die studenten meinen, man lernte die griechische geschichte wesentlich
aus den historikern.
Quellen-
kunde
Gleichzeitig ist mit einem sehr starken aufwande von arbeit, zumeist
allerdings anfängerarbeit, der versuch gemacht, die späteren berichte auf
ihre quellen zurückzuführen. dabei ist einiges wertvolle ermittelt; es
hat sich aber nachgerade herausgestellt, daſs dieses quellensuchen ein
recht schwieriges geschäft der litterarischen analysis ist. die historische
analyse hat zwar für die zeit nach Polybios viele und gute ausbeute ge-
liefert; vorher verschwindend wenig. als das wichtigste methodisch wie
praktisch gleich bedeutsame ergebnis darf man verzeichnen, daſs die be-
deutung der antiken sammler und forscher immer klarer hervortritt. leute
wie Timaios Istros Hermippos Apollodoros Alexandros von Milet sind
ungleich kenntlicher geworden als Ephoros Theopompos Aristobulos.
ihre reste aber finden sich vornehmlich bei grammatikern und philo-
sophen, in scholien und lexicis, also in schriften, die unter den ge-
schichtsquellen nicht zu paradiren pflegen.
Die quellenkunde spottet ihrer selbst schon durch ihren namen.
was ist eine quelle? Schaefers abriſs antwortet: ein geschichtliches buch
aus der zeit vor Polybios. der quellensucher antwortet: die vorlagen
meines autors, einerlei wer er ist. es gibt quellen des Suidas und
1*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/13>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.