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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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I. 3. Solon.
nach der Politie hat Solon für die archonten und eine anzahl anderer
behörden, die vorher vom Areopag besetzt worden waren, die losung
aus einer durch die phylen praesentirten liste eingeführt. in der Politik
gibt er an, dass Solon dem volke die wahl der beamten gab oder
vielmehr liess. es ist nicht wol zu glauben, dass er seine ansicht
geändert hätte, also sind wir zu dem schlusse gezwungen, dass aireisthai
tas arkhas von einem kleroun ek prokriton auch verstanden werden
kann. und in der tat ist das möglich. vor allen dingen steht bei Aristo-
teles selbst 26, 2 ten ton ennea arkhonton airesin ouk ekinoun,
all -- ek ton zeugiton egnosan prokrinesthai tous klerothesome-
nous. die stelle genügt eigentlich allein. aber um der wichtigkeit der
sache willen möge hier mehr stehn. Isokrates rühmt im Areopagitikos
den wahlmodus der patrios politeia (22), wo sie lebten ouk ex apan-
ton tas arkhas klerountes, alla tous beltistous kai tous ikano-
tatous eph ekaston ton ergon prokrinontes, und das sogar für demo-
kratischer hielten als das los, en men gar te klerosei ten tukhen
brabeusein kai pollakis lepsesthai tas arkhas tous oligarkhias epi-
thumountas, en de to prokrinein tous epieikestatous ton demon
esesthai kurion elesthai. in dem staate der platonischen Gesetze ist
die losung aus erwählten candidaten für den rat vorgeschrieben, und es
wird ausdrücklich hinzugefügt e airesis outo gignomene meson an
ekhoi monarkhikes kai demokratikes politeias (756). 45) im jahre 411
sollte der provisorische rat der 400 ek prokriton bestehn, ous an
elontai oi phuletai (31, 1); die losung aus den prokritoi ist schlau
übergangen, ward aber von den 5000, die den antrag annahmen, ohne
zweifel verstanden: directe nominirung ist eben keine prokrisis. 46)

45) Die platonische stelle hat mit der isokrateischen eine starke ähnlichkeit,
namentlich weil sich beide male eine auseinandersetzung über wahre und falsche
gleichheit daran schliesst (zu dieser vgl. auch Plut. Sol. 14, 2). ich bitte den
leser, die stellen aufzuschlagen; sie sind in dieser zeit, wo die platonische frage
mit anspielungen gelöst wird, sehr belehrend. denn Isokrates kann die Gesetze im
Areopagitikos nicht benutzt haben, und Platon das sechste buch der Gesetze nicht
wol nach dem Areopagitikos verfasst haben, gesetzt, er hätte als greis bei dem
feindseligen rhetor lernen wollen oder können. die gedanken, die beide vortragen,
waren weder neu noch ihnen eigentümlich; gedacht sind sie von den führenden
politikern der patrios politeia am ende des fünften jahrhunderts, als Platon und
Isokrates jung und empfänglich waren, einander ganz gut kannten und dieselben
politischen anregungen empfiengen, die sie jeder in seiner weise als männer fort-
gebildet haben. selbst dass Platon die drakontische verfassung gekannt hat, lasse
ich für meinen beweis ganz fort, obwol ich es glaube.
46) Diese bestellung des rates ek prokriton gilt den leuten von 411 für kata

I. 3. Solon.
nach der Politie hat Solon für die archonten und eine anzahl anderer
behörden, die vorher vom Areopag besetzt worden waren, die losung
aus einer durch die phylen praesentirten liste eingeführt. in der Politik
gibt er an, daſs Solon dem volke die wahl der beamten gab oder
vielmehr lieſs. es ist nicht wol zu glauben, daſs er seine ansicht
geändert hätte, also sind wir zu dem schlusse gezwungen, daſs αἱϱεῖσϑαι
τὰς ἀϱχάς von einem κληϱοῦν ἐκ πϱοκϱίτων auch verstanden werden
kann. und in der tat ist das möglich. vor allen dingen steht bei Aristo-
teles selbst 26, 2 τὴν τῶν ἐννέα ἀϱχόντων αἵϱεσιν οὐκ ἐκίνουν,
ἀλλ̕ — ἐκ τῶν ζευγιτῶν ἔγνωσαν πϱοκϱίνεσϑαι τοὺς κληϱωϑησομέ-
νους. die stelle genügt eigentlich allein. aber um der wichtigkeit der
sache willen möge hier mehr stehn. Isokrates rühmt im Areopagitikos
den wahlmodus der πάτϱιος πολιτεία (22), wo sie lebten οὐκ ἐξ ἁπάν-
των τὰς ἀϱχὰς κληϱοῦντες, ἀλλὰ τοὺς βελτίστους καὶ τοὺς ἱκανω-
τάτους ἐφ̕ ἕκαστον τῶν ἔϱγων πϱοκϱίνοντες, und das sogar für demo-
kratischer hielten als das los, ἐν μὲν γὰϱ τῇ κληϱώσει τὴν τύχην
βϱαβεύσειν καὶ πολλάκις λήψεσϑαι τὰς ἀϱχὰς τοὺς ὀλιγαϱχίας ἐπι-
ϑυμοῦντας, ἐν δὲ τῷ πϱοκϱίνειν τοὺς ἐπιεικεστάτους τὸν δῆμον
ἔσεσϑαι κύϱιον ἑλέσϑαι. in dem staate der platonischen Gesetze ist
die losung aus erwählten candidaten für den rat vorgeschrieben, und es
wird ausdrücklich hinzugefügt ἡ αἵϱεσις οὕτω γιγνομένη μέσον ἂν
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sollte der provisorische rat der 400 ἐκ πϱοκϱίτων bestehn, οὓς ἂν
ἕλωνται οἱ φυλέται (31, 1); die losung aus den πϱόκϱιτοι ist schlau
übergangen, ward aber von den 5000, die den antrag annahmen, ohne
zweifel verstanden: directe nominirung ist eben keine πϱόκϱισις. 46)

45) Die platonische stelle hat mit der isokrateischen eine starke ähnlichkeit,
namentlich weil sich beide male eine auseinandersetzung über wahre und falsche
gleichheit daran schlieſst (zu dieser vgl. auch Plut. Sol. 14, 2). ich bitte den
leser, die stellen aufzuschlagen; sie sind in dieser zeit, wo die platonische frage
mit anspielungen gelöst wird, sehr belehrend. denn Isokrates kann die Gesetze im
Areopagitikos nicht benutzt haben, und Platon das sechste buch der Gesetze nicht
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feindseligen rhetor lernen wollen oder können. die gedanken, die beide vortragen,
waren weder neu noch ihnen eigentümlich; gedacht sind sie von den führenden
politikern der πάτϱιος πολιτεία am ende des fünften jahrhunderts, als Platon und
Isokrates jung und empfänglich waren, einander ganz gut kannten und dieselben
politischen anregungen empfiengen, die sie jeder in seiner weise als männer fort-
gebildet haben. selbst daſs Platon die drakontische verfassung gekannt hat, lasse
ich für meinen beweis ganz fort, obwol ich es glaube.
46) Diese bestellung des rates ἐκ πϱοκϱίτων gilt den leuten von 411 für κατὰ
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[72/0086] I. 3. Solon. nach der Politie hat Solon für die archonten und eine anzahl anderer behörden, die vorher vom Areopag besetzt worden waren, die losung aus einer durch die phylen praesentirten liste eingeführt. in der Politik gibt er an, daſs Solon dem volke die wahl der beamten gab oder vielmehr lieſs. es ist nicht wol zu glauben, daſs er seine ansicht geändert hätte, also sind wir zu dem schlusse gezwungen, daſs αἱϱεῖσϑαι τὰς ἀϱχάς von einem κληϱοῦν ἐκ πϱοκϱίτων auch verstanden werden kann. und in der tat ist das möglich. vor allen dingen steht bei Aristo- teles selbst 26, 2 τὴν τῶν ἐννέα ἀϱχόντων αἵϱεσιν οὐκ ἐκίνουν, ἀλλ̕ — ἐκ τῶν ζευγιτῶν ἔγνωσαν πϱοκϱίνεσϑαι τοὺς κληϱωϑησομέ- νους. die stelle genügt eigentlich allein. aber um der wichtigkeit der sache willen möge hier mehr stehn. Isokrates rühmt im Areopagitikos den wahlmodus der πάτϱιος πολιτεία (22), wo sie lebten οὐκ ἐξ ἁπάν- των τὰς ἀϱχὰς κληϱοῦντες, ἀλλὰ τοὺς βελτίστους καὶ τοὺς ἱκανω- τάτους ἐφ̕ ἕκαστον τῶν ἔϱγων πϱοκϱίνοντες, und das sogar für demo- kratischer hielten als das los, ἐν μὲν γὰϱ τῇ κληϱώσει τὴν τύχην βϱαβεύσειν καὶ πολλάκις λήψεσϑαι τὰς ἀϱχὰς τοὺς ὀλιγαϱχίας ἐπι- ϑυμοῦντας, ἐν δὲ τῷ πϱοκϱίνειν τοὺς ἐπιεικεστάτους τὸν δῆμον ἔσεσϑαι κύϱιον ἑλέσϑαι. in dem staate der platonischen Gesetze ist die losung aus erwählten candidaten für den rat vorgeschrieben, und es wird ausdrücklich hinzugefügt ἡ αἵϱεσις οὕτω γιγνομένη μέσον ἂν ἔχοι μοναϱχικῆς καὶ δημοκϱατικῆς πολιτείας (756). 45) im jahre 411 sollte der provisorische rat der 400 ἐκ πϱοκϱίτων bestehn, οὓς ἂν ἕλωνται οἱ φυλέται (31, 1); die losung aus den πϱόκϱιτοι ist schlau übergangen, ward aber von den 5000, die den antrag annahmen, ohne zweifel verstanden: directe nominirung ist eben keine πϱόκϱισις. 46) 45) Die platonische stelle hat mit der isokrateischen eine starke ähnlichkeit, namentlich weil sich beide male eine auseinandersetzung über wahre und falsche gleichheit daran schlieſst (zu dieser vgl. auch Plut. Sol. 14, 2). ich bitte den leser, die stellen aufzuschlagen; sie sind in dieser zeit, wo die platonische frage mit anspielungen gelöst wird, sehr belehrend. denn Isokrates kann die Gesetze im Areopagitikos nicht benutzt haben, und Platon das sechste buch der Gesetze nicht wol nach dem Areopagitikos verfaſst haben, gesetzt, er hätte als greis bei dem feindseligen rhetor lernen wollen oder können. die gedanken, die beide vortragen, waren weder neu noch ihnen eigentümlich; gedacht sind sie von den führenden politikern der πάτϱιος πολιτεία am ende des fünften jahrhunderts, als Platon und Isokrates jung und empfänglich waren, einander ganz gut kannten und dieselben politischen anregungen empfiengen, die sie jeder in seiner weise als männer fort- gebildet haben. selbst daſs Platon die drakontische verfassung gekannt hat, lasse ich für meinen beweis ganz fort, obwol ich es glaube. 46) Diese bestellung des rates ἐκ πϱοκϱίτων gilt den leuten von 411 für κατὰ

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/86>, abgerufen am 25.11.2024.