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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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I. 3. Solon.
die man aus der sprache der gesetze herausgesponnen hatte: mit anderen
worten, was Aristoteles aus sich gibt fehlt bei Plutarch; was er mit
Aristoteles gemeinsam hat, überkam also dieser bereits selbst formulirt.
er redigirt mit eignem überlegenen urteil, aber er redigirt fremde urteile.

Eine oligar-
chische
quelle.
Das verhältnis ist also in dem neunten capitel kein anderes als in
den vorigen, und auch die herkunft dieser urteile wird keine andere
sein. aber hier werden die leute bezeichnet, deren meinungen Aristoteles
wiedergibt. es sind demotikoi, die die verdienste Solons als demokrat
preisen, und blasphemein boulomenoi, deren insinuation schön zurück-
gewiesen wird: sie wittern absicht in der unvollkommenen sprache der ge-
setze, die allerdings viele processe hervorruft. wer diese letzteren waren,
wird deutlich durch die anecdote in cap. 6 von Solons falschen freunden,
die von der kommenden seisachtheia vorher unterrichtet noch rasch grund-
besitz erwarben, sicher, dass sie die hypothekenschulden nicht würden be-
zahlen müssen. auch diese geschichte steht bei Plutarch (15); aber da werden
statt des allgemeinen ausdrucks oi palaioploutoi, mit dem sich Aristo-
teles begnügt, oi peri Konona kai Kleinian kai Ipponikon genannt.
in den namen kommt der pferdefuss persönlicher verläumdung zum
vorschein. zur zeit des dekeleischen krieges waren die nachkommen dieser
falschen demokraten Konon, der seit 407 als entschiedener demokrat in
ehren steht, Alkibiades und sein schwiegervater Kallias. in der gene-
ration vorher ist das geschlecht Konons, in der generation nachher sind
die der Eupatriden und der Keryken ohne politische bedeutung. über
das geschlecht jener anaphlystischen familie ist wol nichts bekannt 32),
aber die Eupatriden und Keryken sind vom ächtesten adel, und es kann
nur böswilligkeit sein, die sie als palaioploutoi bezeichnet, ihren
reichtum aber auf einen betrug solonischer zeit zurückführt. aber wol
waren für die attischen oligarchen 404 und vielleicht schon früher
keine gefährlicheren gegner vorhanden als Alkibiades und Konon; auch

32) Für alten adel spricht der undurchsichtige kurzname Konon, den zuerst
der archon 462/1 trug, der grossvater des siegers von Knidos, wie man vermuten
darf. man denkt an den musiker Konnos, dessen name sicher grammatisch her-
gehört, an Koneides oder Konnidas, den paedagogen des Theseus, also einen Tro-
zenier, und Anaphlystos, wo Konon zu hause ist, ist selbst sohn des Trozen, endlich
an das genos ithagenon Koneidai, das wol nicht erst Töpffer (Att. Geneal. 310),
sondern schon die quelle des Hesych auf jenen Koneides zurückgeführt hat: denn
was bei jenem so überliefert ist Koneide genos ithagenon: Koneides paidagogos
Theseos kai maistor kann eine verderbte und in zwei zerrissene glosse sein.
übrigens ist das sprüchwort Konnou psephos = en Karus aise Arist. Wesp. 675 gänz-
lich unerklärt und schon von den Alexandrinern vergeblich zu deuten versucht.

I. 3. Solon.
die man aus der sprache der gesetze herausgesponnen hatte: mit anderen
worten, was Aristoteles aus sich gibt fehlt bei Plutarch; was er mit
Aristoteles gemeinsam hat, überkam also dieser bereits selbst formulirt.
er redigirt mit eignem überlegenen urteil, aber er redigirt fremde urteile.

Eine oligar-
chische
quelle.
Das verhältnis ist also in dem neunten capitel kein anderes als in
den vorigen, und auch die herkunft dieser urteile wird keine andere
sein. aber hier werden die leute bezeichnet, deren meinungen Aristoteles
wiedergibt. es sind δημοτικοί, die die verdienste Solons als demokrat
preisen, und βλασφημεῖν βουλόμενοι, deren insinuation schön zurück-
gewiesen wird: sie wittern absicht in der unvollkommenen sprache der ge-
setze, die allerdings viele processe hervorruft. wer diese letzteren waren,
wird deutlich durch die anecdote in cap. 6 von Solons falschen freunden,
die von der kommenden seisachtheia vorher unterrichtet noch rasch grund-
besitz erwarben, sicher, daſs sie die hypothekenschulden nicht würden be-
zahlen müssen. auch diese geschichte steht bei Plutarch (15); aber da werden
statt des allgemeinen ausdrucks οἱ παλαιόπλουτοι, mit dem sich Aristo-
teles begnügt, οἱ πεϱὶ Κόνωνα καὶ Κλεινίαν καὶ Ἱππόνικον genannt.
in den namen kommt der pferdefuſs persönlicher verläumdung zum
vorschein. zur zeit des dekeleischen krieges waren die nachkommen dieser
falschen demokraten Konon, der seit 407 als entschiedener demokrat in
ehren steht, Alkibiades und sein schwiegervater Kallias. in der gene-
ration vorher ist das geschlecht Konons, in der generation nachher sind
die der Eupatriden und der Keryken ohne politische bedeutung. über
das geschlecht jener anaphlystischen familie ist wol nichts bekannt 32),
aber die Eupatriden und Keryken sind vom ächtesten adel, und es kann
nur böswilligkeit sein, die sie als παλαιόπλουτοι bezeichnet, ihren
reichtum aber auf einen betrug solonischer zeit zurückführt. aber wol
waren für die attischen oligarchen 404 und vielleicht schon früher
keine gefährlicheren gegner vorhanden als Alkibiades und Konon; auch

32) Für alten adel spricht der undurchsichtige kurzname Κόνων, den zuerst
der archon 462/1 trug, der groſsvater des siegers von Knidos, wie man vermuten
darf. man denkt an den musiker Κόννος, dessen name sicher grammatisch her-
gehört, an Κονείδης oder Κοννίδας, den paedagogen des Theseus, also einen Tro-
zenier, und Anaphlystos, wo Konon zu hause ist, ist selbst sohn des Trozen, endlich
an das γένος ἰϑαγενῶν Κονεῖδαι, das wol nicht erst Töpffer (Att. Geneal. 310),
sondern schon die quelle des Hesych auf jenen Κονείδης zurückgeführt hat: denn
was bei jenem so überliefert ist Κονείδη γένος ἰϑαγενῶν: Κονείδης παιδαγωγὸς
Θησέως καὶ μαΐστωϱ kann eine verderbte und in zwei zerrissene glosse sein.
übrigens ist das sprüchwort Κόννου ψῆφος = ἐν Καϱύς αἴσῃ Arist. Wesp. 675 gänz-
lich unerklärt und schon von den Alexandrinern vergeblich zu deuten versucht.
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[62/0076] I. 3. Solon. die man aus der sprache der gesetze herausgesponnen hatte: mit anderen worten, was Aristoteles aus sich gibt fehlt bei Plutarch; was er mit Aristoteles gemeinsam hat, überkam also dieser bereits selbst formulirt. er redigirt mit eignem überlegenen urteil, aber er redigirt fremde urteile. Das verhältnis ist also in dem neunten capitel kein anderes als in den vorigen, und auch die herkunft dieser urteile wird keine andere sein. aber hier werden die leute bezeichnet, deren meinungen Aristoteles wiedergibt. es sind δημοτικοί, die die verdienste Solons als demokrat preisen, und βλασφημεῖν βουλόμενοι, deren insinuation schön zurück- gewiesen wird: sie wittern absicht in der unvollkommenen sprache der ge- setze, die allerdings viele processe hervorruft. wer diese letzteren waren, wird deutlich durch die anecdote in cap. 6 von Solons falschen freunden, die von der kommenden seisachtheia vorher unterrichtet noch rasch grund- besitz erwarben, sicher, daſs sie die hypothekenschulden nicht würden be- zahlen müssen. auch diese geschichte steht bei Plutarch (15); aber da werden statt des allgemeinen ausdrucks οἱ παλαιόπλουτοι, mit dem sich Aristo- teles begnügt, οἱ πεϱὶ Κόνωνα καὶ Κλεινίαν καὶ Ἱππόνικον genannt. in den namen kommt der pferdefuſs persönlicher verläumdung zum vorschein. zur zeit des dekeleischen krieges waren die nachkommen dieser falschen demokraten Konon, der seit 407 als entschiedener demokrat in ehren steht, Alkibiades und sein schwiegervater Kallias. in der gene- ration vorher ist das geschlecht Konons, in der generation nachher sind die der Eupatriden und der Keryken ohne politische bedeutung. über das geschlecht jener anaphlystischen familie ist wol nichts bekannt 32), aber die Eupatriden und Keryken sind vom ächtesten adel, und es kann nur böswilligkeit sein, die sie als παλαιόπλουτοι bezeichnet, ihren reichtum aber auf einen betrug solonischer zeit zurückführt. aber wol waren für die attischen oligarchen 404 und vielleicht schon früher keine gefährlicheren gegner vorhanden als Alkibiades und Konon; auch Eine oligar- chische quelle. 32) Für alten adel spricht der undurchsichtige kurzname Κόνων, den zuerst der archon 462/1 trug, der groſsvater des siegers von Knidos, wie man vermuten darf. man denkt an den musiker Κόννος, dessen name sicher grammatisch her- gehört, an Κονείδης oder Κοννίδας, den paedagogen des Theseus, also einen Tro- zenier, und Anaphlystos, wo Konon zu hause ist, ist selbst sohn des Trozen, endlich an das γένος ἰϑαγενῶν Κονεῖδαι, das wol nicht erst Töpffer (Att. Geneal. 310), sondern schon die quelle des Hesych auf jenen Κονείδης zurückgeführt hat: denn was bei jenem so überliefert ist Κονείδη γένος ἰϑαγενῶν: Κονείδης παιδαγωγὸς Θησέως καὶ μαΐστωϱ kann eine verderbte und in zwei zerrissene glosse sein. übrigens ist das sprüchwort Κόννου ψῆφος = ἐν Καϱύς αἴσῃ Arist. Wesp. 675 gänz- lich unerklärt und schon von den Alexandrinern vergeblich zu deuten versucht.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/76>, abgerufen am 25.11.2024.