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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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Der erste heilige krieg.
was er über die feier von 582 beibringt, da er diese auf dasselbe jahr
setzt wie Aristoteles; bekanntlich nennt er sie aber die zweite Pythiade,
indem er als erste den agon khrematites nimmt, den er abweichend von
Aristoteles auf 586 ol. 48, 3 ansetzt, und von da aus zählt er die
Pythiaden. Boeckh (zu Pindar ol. 12) hat nicht nur dieser rechnung
den vorzug gegeben, sondern die hypothese aufgestellt, dass die in den
Pindarscholien angeführten Pythiaden im gegensatz zur absicht der ge-
lehrten, die sie anführen, nach der rechnung des Pausanias verstanden
werden müssten. Boeckhs ansicht hat bis auf Bergk unangefochten ge-
herrscht und waltet noch heute vor. ihn hat ausschliesslich die exegese
der pindarischen gedichte bestimmt, die er richtiger zu verstehen meinte,
wenn er sie um vier jahre gegen die ansicht der alten hinaufrückte. davon
ganz abgesehen muss der bericht des Pausanias zuvörderst mit dem ver-
glichen werden, der sich bisher so gut bewährt hat. er weicht keineswegs bloss
in den ziffern der Pythiaden oder ihrer geltung ab. nach dem aristotelischen
berichte ist 586 (ol. 48, 3) gar keine feier gewesen, weil keine sein konnte,
weil krieg war. wenn die leute bald von der ersten feier überhaupt, bald
von der ersten der später geltenden ordnung gezählt hätten, so liesse sich
das begreifen. aber die feier von 586 ist entweder geschichtlich: dann
muss der bericht des Aristoteles verworfen werden; oder sie ist fiction:
dann ist es zu viel verlangt, ihr zu liebe die Pythiadenrechnung der scho-
liasten umzurechnen. es lag doch wahrlich näher, dass bei dem notorisch
penteterischen charakter der Pythien das auf besonderen kriegerischen
verwickelungen beruhende achtjährige intervall zwischen dem agon khre-
matites und stephanites in vergessenheit geriet, als dass umgekehrt
dies datum um vier jahre nach oben verrückt ward; und wenn wir
vollends für die eine angabe das zeugnis des Aristoteles, für die andere
das des Pausanias haben, so dürfte die zeit und die sinnesart der beiden
gewährsmänner doch nicht ganz belanglos sein. Boeckh sagt mit recht,
dass Pausanias auf delphische quellen zurückgeht.30) gewiss; es findet
sich in dieser partie keine ausgleichung mit attischen jahren, die er
sonst nicht selten hat, sondern mit olympiaden: das zeigt aber nur, dass
seine urquelle beträchtlich jünger als Aristoteles war. was aber be-
sonders wichtig ist: er beginnt die geschichte der pythischen spiele mit
Chrysothemis, Philammon und consorten, und er übergeht den anlass
der wirklichen stiftung, deren daten er doch gibt, durchaus. nicht hier

30) D. h. am letzten ende. als den nächsten vor Pausanias hat Maass (de
Sibyllis
) Alexander Polyhistor mit guten gründen bezeichnet, wenn auch die grenzen
seiner benutzung nicht festgestellt sind.
2*

Der erste heilige krieg.
was er über die feier von 582 beibringt, da er diese auf dasselbe jahr
setzt wie Aristoteles; bekanntlich nennt er sie aber die zweite Pythiade,
indem er als erste den ἀγὼν χϱηματίτης nimmt, den er abweichend von
Aristoteles auf 586 ol. 48, 3 ansetzt, und von da aus zählt er die
Pythiaden. Boeckh (zu Pindar ol. 12) hat nicht nur dieser rechnung
den vorzug gegeben, sondern die hypothese aufgestellt, daſs die in den
Pindarscholien angeführten Pythiaden im gegensatz zur absicht der ge-
lehrten, die sie anführen, nach der rechnung des Pausanias verstanden
werden müſsten. Boeckhs ansicht hat bis auf Bergk unangefochten ge-
herrscht und waltet noch heute vor. ihn hat ausschlieſslich die exegese
der pindarischen gedichte bestimmt, die er richtiger zu verstehen meinte,
wenn er sie um vier jahre gegen die ansicht der alten hinaufrückte. davon
ganz abgesehen muſs der bericht des Pausanias zuvörderst mit dem ver-
glichen werden, der sich bisher so gut bewährt hat. er weicht keineswegs bloſs
in den ziffern der Pythiaden oder ihrer geltung ab. nach dem aristotelischen
berichte ist 586 (ol. 48, 3) gar keine feier gewesen, weil keine sein konnte,
weil krieg war. wenn die leute bald von der ersten feier überhaupt, bald
von der ersten der später geltenden ordnung gezählt hätten, so lieſse sich
das begreifen. aber die feier von 586 ist entweder geschichtlich: dann
muſs der bericht des Aristoteles verworfen werden; oder sie ist fiction:
dann ist es zu viel verlangt, ihr zu liebe die Pythiadenrechnung der scho-
liasten umzurechnen. es lag doch wahrlich näher, daſs bei dem notorisch
penteterischen charakter der Pythien das auf besonderen kriegerischen
verwickelungen beruhende achtjährige intervall zwischen dem ἀγὼν χϱη-
ματίτης und στεφανίτης in vergessenheit geriet, als daſs umgekehrt
dies datum um vier jahre nach oben verrückt ward; und wenn wir
vollends für die eine angabe das zeugnis des Aristoteles, für die andere
das des Pausanias haben, so dürfte die zeit und die sinnesart der beiden
gewährsmänner doch nicht ganz belanglos sein. Boeckh sagt mit recht,
daſs Pausanias auf delphische quellen zurückgeht.30) gewiſs; es findet
sich in dieser partie keine ausgleichung mit attischen jahren, die er
sonst nicht selten hat, sondern mit olympiaden: das zeigt aber nur, daſs
seine urquelle beträchtlich jünger als Aristoteles war. was aber be-
sonders wichtig ist: er beginnt die geschichte der pythischen spiele mit
Chrysothemis, Philammon und consorten, und er übergeht den anlaſs
der wirklichen stiftung, deren daten er doch gibt, durchaus. nicht hier

30) D. h. am letzten ende. als den nächsten vor Pausanias hat Maass (de
Sibyllis
) Alexander Polyhistor mit guten gründen bezeichnet, wenn auch die grenzen
seiner benutzung nicht festgestellt sind.
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[19/0033] Der erste heilige krieg. was er über die feier von 582 beibringt, da er diese auf dasselbe jahr setzt wie Aristoteles; bekanntlich nennt er sie aber die zweite Pythiade, indem er als erste den ἀγὼν χϱηματίτης nimmt, den er abweichend von Aristoteles auf 586 ol. 48, 3 ansetzt, und von da aus zählt er die Pythiaden. Boeckh (zu Pindar ol. 12) hat nicht nur dieser rechnung den vorzug gegeben, sondern die hypothese aufgestellt, daſs die in den Pindarscholien angeführten Pythiaden im gegensatz zur absicht der ge- lehrten, die sie anführen, nach der rechnung des Pausanias verstanden werden müſsten. Boeckhs ansicht hat bis auf Bergk unangefochten ge- herrscht und waltet noch heute vor. ihn hat ausschlieſslich die exegese der pindarischen gedichte bestimmt, die er richtiger zu verstehen meinte, wenn er sie um vier jahre gegen die ansicht der alten hinaufrückte. davon ganz abgesehen muſs der bericht des Pausanias zuvörderst mit dem ver- glichen werden, der sich bisher so gut bewährt hat. er weicht keineswegs bloſs in den ziffern der Pythiaden oder ihrer geltung ab. nach dem aristotelischen berichte ist 586 (ol. 48, 3) gar keine feier gewesen, weil keine sein konnte, weil krieg war. wenn die leute bald von der ersten feier überhaupt, bald von der ersten der später geltenden ordnung gezählt hätten, so lieſse sich das begreifen. aber die feier von 586 ist entweder geschichtlich: dann muſs der bericht des Aristoteles verworfen werden; oder sie ist fiction: dann ist es zu viel verlangt, ihr zu liebe die Pythiadenrechnung der scho- liasten umzurechnen. es lag doch wahrlich näher, daſs bei dem notorisch penteterischen charakter der Pythien das auf besonderen kriegerischen verwickelungen beruhende achtjährige intervall zwischen dem ἀγὼν χϱη- ματίτης und στεφανίτης in vergessenheit geriet, als daſs umgekehrt dies datum um vier jahre nach oben verrückt ward; und wenn wir vollends für die eine angabe das zeugnis des Aristoteles, für die andere das des Pausanias haben, so dürfte die zeit und die sinnesart der beiden gewährsmänner doch nicht ganz belanglos sein. Boeckh sagt mit recht, daſs Pausanias auf delphische quellen zurückgeht. 30) gewiſs; es findet sich in dieser partie keine ausgleichung mit attischen jahren, die er sonst nicht selten hat, sondern mit olympiaden: das zeigt aber nur, daſs seine urquelle beträchtlich jünger als Aristoteles war. was aber be- sonders wichtig ist: er beginnt die geschichte der pythischen spiele mit Chrysothemis, Philammon und consorten, und er übergeht den anlaſs der wirklichen stiftung, deren daten er doch gibt, durchaus. nicht hier 30) D. h. am letzten ende. als den nächsten vor Pausanias hat Maass (de Sibyllis) Alexander Polyhistor mit guten gründen bezeichnet, wenn auch die grenzen seiner benutzung nicht festgestellt sind. 2*

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/33>, abgerufen am 07.10.2024.